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Design Thinking

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    1. Begriff: Unter Design Thinking wird eine spezielle Herangehensweise zur Bearbeitung komplexer Problemstellungen verstanden. Das zugrundeliegende Vorgehen orientiert sich an der Arbeit von Designern und Architekten. Design Thinking ist dabei zugleich eine Methode, ein Set an Prinzipien und ein Prozess mit einer Vielzahl von unterstützenden Tools. Wesentliches Kennzeichen ist die fokussierte Anwenderorientierung.

    2. Merkmale: Design Thinking basiert auf einigen grundlegenden Merkmalen bzw. Prinzipien, die häufig unter den Überschriften Team, Prozess und Raum zusammengefasst werden:
    a) Team:

    • Multidisziplinäre Teams („Diversity“, siehe Diversity Management): Bei der Zusammensetzung eines Design-Thinking-Teams wird u.a. strikt auf unterschiedliche fachliche Disziplinen geachtet.
    • „T-Shape“-Persönlichkeiten: Gesucht sind vielseitige Menschen mit fachlicher Expertise. Der vertikale Buchstabenteil des „T“ steht dabei für herausragendes Fachwissen in einer bestimmten Disziplin. Der horizontale Buchstabenteil symbolisiert ein breites Allgemeinwissen und zugleich weit gefächerte Interessen.

    b) Prozess:

    • Der Prozess umfasst häufig die folgenden Schritte: Empathiegewinnung, Definition, Ideenfindung, Prototyping und Test.
    • Nutzer- und Zielgruppenorientierung in allen Prozessschritten: Einer der wichtigsten Grundsätze in einem Design-Thinking-Projekt stellt der strikte Anwenderfokus dar.
    • Divergenz und Konvergenz: Während eines Design-Thinking-Projekts wechseln Phasen der Divergenz (Fokus auf Quantität und Ideenvielfalt) mit Phasen der Konvergenz (Fokus auf Verdichtung sowie Zusammenführen von Erkenntnissen und Ideen) ab.
    • Visualisierung, Storytelling, Prototyping: In Design-Thinking-Projekten werden Erkenntnisse und Ideen häufig visualisiert, in Form von Skizzen, Storyboards und Geschichten rund um Anwendererlebnisse. Zudem spielt Rapid Prototyping eine zentrale Rolle: Bereits in frühen Phasen werden schnell und mit geringem Aufwand wiederholt (einfache) Prototypen entwickelt und getestet.
    • Iterative Schleifen: Der Prozess des Lernens bzw. einer schrittweisen Annäherung an eine ideale Lösung stellt einen weiteren wesentlichen Grundsatz dar. Zahlreiche Studien zu Erfolgsfaktoren im Innovationsmanagement unterstreichen die hohe Bedeutung von Iteration und Prototyping.

    c) Raum:

    • Flexible Raumkonzepte: In der Design-Thinking-Szene werden flexible Raumkonzepte mit viel Platz bevorzugt, in denen bspw. Stehtische, Whiteboards und eine große Auswahl an Materialien zur schnellen Erstellung von Prototypen zur Verfügung stehen.

    3. Prozess im Detail: Die Prozessschritte von Design Thinking sind in der Literatur, der universitären Ausbildung und in der Praxis nicht einheitlich definiert und unterscheiden sich je nach Quelle geringfügig voneinander. Den folgenden Ausführungen liegt exemplarisch der Prozess der Stanford University/USA zugrunde.

    Der Design-Thinking-Prozess startet mit der Phase Empathize (Empathiegewinnung). Neben dem klassischen Desk-Reseach tragen insbes. Methoden der ethnographischen Marktforschung zum Erkenntnisgewinn bei. Design Thinker beobachten, führen Tiefeninterviews oder versuchen sich in der Selbsterfahrung aus Anwendersicht. Aufbauend auf den gesammelten Informationen steht in der sich anschließenden Phase Define die Formulierung einer präzisen Fragestellung im Vordergrund. Häufig werden hierzu ein oder mehrere sog. Personas kreiert. Das sind fiktive Menschen, die bestimmte Anwendergruppen repräsentieren. Sie sind ein Hilfsmittel für den nutzerzentrierten Fokus und für die Formulierung der Ausgangsfrage (in der Design-Thinking-Sprache „Point of View“ genannt) als Basis der Ideenfindung: Was konkret benötigt diese beschriebene Person und warum? In der Phase Ideate werden Problemlösungen und Ideen generiert. Die Arbeitsweise ist divergent, denn es geht zunächst um eine größtmögliche Quantität. Unterstützend können hierzu Kreativitätstechniken zum Einsatz kommen. Die Ideate-Phase wird konvergent beendet, d.h. mit einer Verdichtung und Auswahl besonders vielversprechender Ansätze. Die Phase Prototype schließt sich in der Prozessdarstellung an die Ideenfindung an. Dabei kommt das sog. Rapid Prototyping zur Anwendung, d.h. es werden mit einfachsten Mitteln und v.a. ohne großen Aufwand zu Lernzwecken Prototypen erstellt, getestet und ggf. auch wieder schnell verworfen. Diese können z.B. in 2-D als Skizze oder Storyboard zum Einsatz kommen, als 3-D-Modell (bspw. unter Anwendung der Methode LEGO® SERIOUS PLAY®) oder als Film. Prototypen werden in der Phase Test Anwendern gezeigt und sukzessive immer weiter verbessert.

    Anzumerken ist, dass in Design-Thinking-Projekten die Prozessschritte sehr flexibel angewendet werden. Im Rahmen der Iterationen kommt es nahezu immer vor, dass Phasen mehrfach durchlaufen werden.

    4. Anwendungsbeispiele: Das Anwendungsspektrum von Design Thinking vergrößert sich stetig. Von Unternehmen wird die Methode zu den unterschiedlichsten Themen benutzt, z.B. für das Hervorbringen von Produkt-, Service- und Prozessinnovationen. Entsprechend kommt Design Thinking bspw. in sog. Corporate Think Tanks zu Anwendung, in denen zukunftsgerichtete Themen wie Foresight, Strategie und Innovation bearbeitet werden. Darüber hinaus haben einige Nonprofit-Organisationen die Methode für sich entdeckt und versuchen damit, die großen Probleme der Menschheit zu lösen. Sogar Schulen, u.a. in den USA oder in Indien, haben Design-Thinking-Prinzipien in ihre Lehrpläne integriert.

    5. Entwicklung und Geschichte der Methode: Design Thinking wird auf Innovationskongressen und in den Medien häufig als Trendtool bezeichnet, obwohl die Ursprünge der Methode und seiner Prinzipien viele Jahre zurückgehen. Wissenschaftler beschäftigten sich bspw. schon in den 1990er-Jahren und zuvor mit einer nutzerzentrierten Vorgehensweise im Innovationsmanagement.

    Der Begriff Design Thinking wird häufig u.a. mit David Kelley in Zusammenhang gebracht, der einerseits die international renommierte Design- und Innovationsagentur IDEO gründete und andererseits die d-school (das kleine „d“ steht für Design) an der Stanford University maßgeblich mit aufbaute. Hier wird Design Thinking sehr praxisnah unterrichtet. Darüber hinaus gilt der SAP-Mitgründer Hasso Plattner als ein maßgeblicher Förderer von Design Thinking. Er unterstütze sowohl die d-school als auch in Deutschland das nach ihm benannte HPI (Hasso-Plattner-Institut) der Universität Potsdam.

    6. Kritische Würdigung: Positiv an Design Thinking ist, dass sich die Grundphilosophie sowie der systematische und doch zugleich flexible Prozess mit einer strikten Anwenderorientierung und seinen Iterationen in der Praxis bei den unterschiedlichsten Themenstellungen bewährt haben. Zudem entwickeln Teammitglieder ein ausgeprägtes Engagement und Commitment bezüglich der ihnen gestellten Herausforderung.

    Kritisch zu sehen ist neben dem Aufwand (Zeit, Personal) die Schwierigkeit, den Prozess nicht zu überdehnen. Die Schwäche manch eines Designers besteht darin, kein Ende zu finden und immer wieder nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen. Als Projektleiter bzw. Design-Thinking-Moderator ist es daher erforderlich, ganz gezielt Phasen der Konvergenz und Divergenz zu steuern, und strukturierend in den Prozess einzugreifen. Design Thinking kann zu äußerst kreativen Ergebnissen führen, allerdings gibt es auch bei dieser Methode keine Erfolgsgarantie. Marktforscher kritisieren zudem die unzureichende quantitative Absicherung. Das Argument muss man gelten lassen, allerdings stößt umgekehrt auch die Marktforschung an ihre Grenzen und kann gleichermaßen keine Garantien bezüglich ihrer Empfehlungen abgeben.

    7. Verbreitungsgrad und Ausblick: Design Thinking erfreut sich zunehmender Popularität. Gegenwärtig entdecken immer mehr Branchen und Organisationen die dem Design Thinking zugrundeliegenden Arbeitsprinzipien und Vorgehensweisen. In einem Umfeld, das geprägt ist von Komplexität und schnellen Veränderungen, kann Design Thinking ein äußerst nützliches Instrument darstellen, um den Herausforderungen unserer Zeit effizient und erfolgversprechend zu begegnen. Insofern ist auch für die Zukunft mit einem wachsenden Verbreitungsgrad zu rechnen. (LEGO® und SERIOUS PLAY® sind eingetragene Markenzeichen der LEGO Group.)

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