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Abgeltungsteuer

Definition: Was ist "Abgeltungsteuer"?

Am 1.1.2009 wurde ein erweiterter Steuerabzug auf Kapitalerträge (§ 20 EStG) eingeführt. Die Abgeltungsteuer ist eine Quellensteuer auf Kapitalerträge und beläuft sich auf den einheitlichen Steuersatz von 25 Prozent. Mit der einbehaltenen Kapitalertragsteuer (KapESt) gilt die Steuerpflicht für den Privatanleger als abgegolten, d.h., dass die bereits versteuerten Kapitalerträge nicht mehr in seiner jährlichen Einkommensteuererklärung aufgeführt werden müssen und nicht mit seinem individuellen Steuersatz versteuert werden.

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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Inhaltsverzeichnis

    1.  Begriff und Besteuerung
    2. Kritik

     Begriff und Besteuerung

    1. Begriff: Für Kapitalerträge im Privatvermögen, die dem Steuerpflichtigen nach dem 31.12.2008 zufließen, gilt ein gesonderter Steuerabzug auf Kapitalerträge (§ 20 EStG). Dieser gesonderte Steuerabzug wird als Abgeltungsteuer bezeichnet, da mit der einbehaltenen Kapitalertragsteuer (KapESt) die Steuerpflicht für den Steuerpflichtigen als abgegolten gilt, d.h. die hierdurch versteuerten Kapitalerträge müssen nicht mehr in der Einkommensteuererklärung des Steuerpflichtigen aufgeführt werden. Die Abgeltungsteuer ist eine Quellensteuer. Da sich ihr Steuersatz auf einheitlich 25 Prozent beläuft, entfällt die Besteuerung mit dem individuellen Steuersatz. Im Umkehreffekt entfällt durch die Abgeltungswirkung auch grundsätzlich die Geltendmachung von Werbungskosten in diesem Zusammenhang, da Werbungskosten mit dem Pauschbetrag von 801 Euro bzw. bei Zusammenveranlagung 1.602 Euro ab 2009 abgegolten sind.

    2. Höhe: Die Abgeltungsteuer beläuft sich auf 25 Prozent zzgl. 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer (8-9 Prozent der Abgeltungsteuer), § 32 d I mit § 52 a I EStG. Hieraus ergibt sich eine Gesamtsteuerbelastung von ca. 28 Prozent. Ist der persönliche Steuersatz des Steuerpflichtigen niedriger als der Steuersatz der Abgeltungsteuer, kann er die Differenz in Rahmen seiner persönlichen Einkommensteuererklärung zurückfordern.

    3. Umfang der Besteuerung: Der Abgeltungsteuer unterliegen seit dem 1.1.2009 grundsätzlich alle Kapitalerträge im Privatvermögen. Hierunter fallen bspw. Zinsen, Dividenden, Erträge aus Investmentfonds, aus Zertifikaten, aber auch aus Stillhaltergeschäften. Neu ist außerdem, dass Gewinne aus Anteilen von Kapitalgesellschaften im Privatvermögen, der Beteiligungshöhe unter 1 Prozent liegt, unabhängig von der Besitzzeit der Abgeltungsteuer unterliegen. Bisher wurden diese Veräußerungsgewinne im Rahmen der privaten Veräußerungsgeschäfte mit dem persönlichen Steuersatz unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens nur dann besteuert, wenn Anschaffung und Veräußerung innerhalb von einem Jahr stattgefunden hat, § 23 EStG a.F.

    4. Ausnahmen: Keine Anwendung findet die Abgeltungsteuer bei Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne bei Kapitalanlagen, welche sich im Betriebsvermögen befinden. Bei diesen ist nach wie vor Kapitalertragsteuer zu erheben, jedoch hat diese keine Abgeltungswirkung und kann auf die Einkommensteuer angerechnet werden. Darüber hinaus kommt die Abgeltungsteuer nicht zur Anwendung bei Darlehen an sog. nahe stehende Personen, bei Gesellschafterdarlehen an eine Kapitalgesellschaft ab 10 Prozent Beteiligung und bei „Back-to-back-Finanzierungen“, d.h. wenn die Kapitalanlage im Zusammenhang mit einem Darlehen an den Anleger steht. Darüber gilt die Abgeltungsteuer nicht bei Veräußerungsgewinnen (nicht jedoch bei Dividenden) von wesentlichen Beteiligungen im Sinne des § 17 EStG, d.h. bei Beteiligung von mind. 1 Prozent am Gesellschaftskapital innerhalb der letzten fünf Jahre. Diese Erträge unterliegen nunmehr dem Teileinkünfteverfahren (Besteuerung von 60 Prozent der Erlöse). Weiterhin sind von der Abgeltungsteuer Zinsen bei Vermietung und Verpachtung und Erträge aus Kapitallebensversicherungen unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen.

    5. Verlustabzug: Ab dem Jahr 2009 kann ein (vertikaler) Verlustausgleich bei Einkünften aus Kapitalvermögen zwischen den Einkunftsarten grundsätzlich nicht vorgenommen werden. Auch Überschüsse aus Kapitalvermögen können grundsätzlich nicht Verlusten aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden. Verluste aus Einkünften aus Kapitalvermögen sind unbefristet vortragsfähig und können im Vortragsjahr nur mit positiven Einkünften dieser Einkunftsart verrechnet werden. Der vortragsfähige Verlust ist gesondert festzustellen. Ein Verlustrücktrag kann nicht vorgenommen werden (§ 10 IV EStG). Neu ist, dass ab 2009 auch Verluste aus Veräußerungsverluste aus Anteilen im Privatvermögen mit laufenden Kapitaleinkünften (z.B. Zinserträge) verrechnet werden können. Bisher konnten Veräußerungsverluste nach § 23 EStG (private Veräußerungsgeschäfte) nur mit Veräußerungsgewinnen verrechnet werden. Zu beachten ist jedoch, dass Verluste aus Aktienverkäufen nur mit Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnet werden können, Sonderfall nach § 20 VI S. 5 EStG.

    6. Option auf Veranlagung: a) Der Steuerpflichtige kann nach § 32d VI EStG beantragen, dass sämtliche positive Einkünfte aus Kapitalvermögen mit anderen Einkünften verrechnet werden und diese dann dem individuellen Steuersatz unterliegen. Verluste hingegen können in diesem Fall jedoch nicht ausgeglichen werden. Der Antrag rentiert sich, wenn der Grenzsteuersatz unter 25 Prozent liegt. Das Finanzamt prüft von Amts wegen, ob die Abgeltungsteuer günstiger ist. Ist dies der Fall, gilt der Antrag als nicht gestellt.

    b) Darüber hinaus kann der Steuerpflichtige für Beteiligungen ab 25 Prozent oder alternativ ab 1 Prozent, wenn der Anteilseigner gleichzeitig eine berufliche Tätigkeit für die Gesellschaft ausführt, die Freistellung von der Abgeltungsteuer beantragen - jedoch nur bezogen auf die jeweilige Beteiligung - und zur Veranlagung unter Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens (persönlicher Steuersatz von 60 Prozent) optieren, § 32d II Nr. 3 EStG.

    c) Beide Anträge können nicht miteinander kombiniert werden, da die unter (a) genannte Option nur für sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen ausgesprochen werden kann.

    7. Steuerschuldner: Zum Abzug der Abgeltungsteuer ist der Schuldner der Kapitalerträge, d.h. die ausschüttende Kapitalgesellschaft oder die auszahlende Stelle wie bspw. die Depotbank (§ 44 I EStG). Ab dem Jahr 2009 ist die elektronische Kapitalertragsteueranmeldung zu berücksichtigen.

    8. Jahresbescheinigung: Der bisherige Ausweis der Einkünfte über die Jahresbescheinigung (§ 24c EStG) wird ab dem Veranlagungszeitraum 2009 gesetzlich aufgehoben. Grund hierfür ist, dass die Banken dazu nicht mehr gesetzlich verpflichtet sind. Je nach Bank werden jedoch noch freiwillig Bescheinigungen ausgestellt oder kostenpflichtig auf Anfrage erstellt.

     

    Kritik

    Der Steuersatz der Abgeltungsteuer (25 Prozent zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) ist deutlich geringer als der Spitzensteuersatz von derzeit 45 Prozent (Reichensteuer), sodass hierin eine Gefährdung des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gesehen werden könnte. Durch die Einführung der Abgeltungsteuer kommt es zu einer Entlastung bei der Besteuerung von Kapitalerträgen, insbesondere wenn der Grenzsteuersatz für die übrigen Einkünfte des Steuerpflichtigen höher ist als der pauschale Steuersatz der Abgeltungsteuer.

    Hingegen kommt es bei den Dividendeneinkünften durch den Wegfall des Halbeinkünfteverfahrens zu einer Verdoppelung der Steuerbemessungsgrundlage und damit zu einem gegenläufigen Effekt. Damit sind Aktionäre die Verlierer der Reform. Die Gesamtbelastung von Unternehmen und Anteilseigner verringert sich zwar durch die Reformmaßnahmen, jedoch kommt es auf Ebene des Anteilseigners zu einer höheren Besteuerung. Darüber hinaus entfällt die Möglichkeit des Werbungskostenabzugs über dem Pauschbetrag. Zudem sind Veräußerungsgewinne auch innerhalb der Jahresfrist steuerpflichtig.

    Die Einführung der Abgeltungsteuer führt zu einer steuerlichen Ungleichbehandlung von Eigenkapitalfinanzierung gegenüber Fremdkapitalfinanzierung. Hintergrund hierfür ist, dass Fremdkapitalzinsen im Unternehmen grundsätzlich steuermindernd berücksichtigt werden können. Dies führt dazu, dass Fremdkapitalzinsen nur beim Anleger mit der Abgeltungsteuer belastet werden. Eigenkapitalzinsen unterliegen im Gegensatz hierzu sowohl auf Ebene des Unternehmens als auch auf Ebene des Anlegers der Besteuerung. Diese Ungleichbehandlung wurde durch das damalige Anrechnungsverfahren und später durch das Halbeinkünfteverfahren entsprechend minimiert. Nunmehr kommt es durch die Abgeltungsteuer zu einer tatsächlichen Doppelbelastung.

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