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Rechtsstaatlichkeit

Definition: Was ist "Rechtsstaatlichkeit"?

Als Rechtsstaat wird ein Staat bezeichnet, in dem politische Herrschaft nur aufgrund und im Rahmen des Rechts ausgeübt wird (Grimm). Hierbei werden an eine Anerkennung hoheitlichen Handelns als legitimes Recht formelle und inhaltliche Voraussetzungen geknüpft, die dazu dienen, den einzelnen vor Übergriffen des Staates in seine individuellen Freiheitsrechte zu schützen. Zwar kann der Gedanke eines rechtlich gebundenen Staates bis in den Beginn der Neuzeit zurückverfolgt werden, doch kennzeichnet Rechtsstaatlichkeit als anerkanntes Verfassungsprinzip erst die liberal-bürgerlichen Gesellschaften am Anfang des 19. Jh.

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    1. Begriff: Als Rechtsstaat wird ein Staat bezeichnet, in dem politische Herrschaft nur aufgrund und im Rahmen des Rechts ausgeübt wird (Grimm). Hierbei werden an eine Anerkennung hoheitlichen Handelns als legitimes Recht formelle und inhaltliche Voraussetzungen geknüpft, die dazu dienen, den einzelnen vor Übergriffen des Staates in seine individuellen Freiheitsrechte zu schützen. Zwar kann der Gedanke eines rechtlich gebundenen Staates bis in den Beginn der Neuzeit zurückverfolgt werden, doch kennzeichnet Rechtsstaatlichkeit als anerkanntes Verfassungsprinzip erst die liberal-bürgerlichen Gesellschaften am Anfang des 19. Jh. Wenn auch der Begriff des Rechtsstaates eng mit spezifisch dt. Rechtstraditionen verbunden ist, so weist er doch einige deutliche Entsprechungen mit Grundelementen des angelsächsischen Verständnisses von „Rule of Law“ bzw. „Government under the Law“ auf.

    2. Verfassungsrechtliche Bedeutung: In der Staatsverfassung der Bundesrepublik Deutschland zählt das Rechtsstaatsprinzip zu den zentralen Leitideen. Hierzu gehören bes. die Art. 20 III und 1 III GG (Bindung der Staatsgewalten an Verfassung, Gesetz und Recht), Art. 20 II GG (Gewaltenteilung), Art. 19 IV GG (Rechtsschutz durch unabhängige Gerichte) und Art. 19 II GG (Wesensgehaltsgarantie der Grundrechte). Hiervon ausgehend haben sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der vorherrschenden Lehrmeinung folgende Wesensmerkmale des Rechtsstaatsprinzips herausgebildet: a) Achtung der Grundrechte: Die Grundrechte des Grundgesetzes binden alle Organe der Staatsgewalt „als unmittelbar geltendes Recht“ (Art. 1 III GG). V.a. sind sie in ihrem Wesensgehalt der Disposition des Gesetzgebers entzogen (Art. 19 II GG) und werden von unabhängigen Gerichten gewährleistet (Art. 19 IV GG).
    b) Gewaltenteilung: Die Ausübung der Staatsgewalt hat „durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung“ zu erfolgen (Art. 20 II GG). Damit sollen unterschiedliche hoheitliche Funktionen in ein System gegenseitiger Abhängigkeit und Kontrolle gebracht werden (im angelsächsichen Raum auch „Checks and Balances“ genannt). V.a. hat das Parlament die Regierung zu kontrollieren, während unabhängige Gerichte die Akte der Verwaltung auf ihre Rechtmäßigkeit und die Akte der Gesetzgebung auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen. Die horizontale Gewaltenteilung wird in der Bundesrepublik Deutschland als föderal gegliedertem Staat ergänzt durch die vertikale Gewaltenteilung zwischen den unterschiedlichen Ebenen von Gebietskörperschaften (Gemeinden, Länder, Bund).
    c) Gleichbehandlung durch das Gesetz: Grundsätzlich hat die Rechtsetzung in Form des allg. und den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) respektierenden Gesetzes zu erfolgen (Gleichbehandlung). Damit soll vermieden werden, dass Einzelfallregelungen und Maßnahmegesetze allgemeingültige Gesetze derart verdrängen, dass dem Willkürverbot sowie der Trennung von Verwaltung und Gesetzgebung nicht mehr entsprochen werden kann.
    d) Vorbehalt des Gesetzes: Nur auf der Grundlage eines förmlichen, vorher erlassenen Gesetzes dürfen staatliche Gewalten Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Bürger vornehmen. Dies entspricht dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, das den Erlass von Verwaltungsakten an eine Ermächtigung durch den Gesetzgeber bindet und somit der Verwaltung Ermessensentscheidungen verbietet, für die es keine gesetzliche Grundlage gibt. Dadurch, dass der Gesetzgeber wiederum den Wesensgehalt der Grundrechte, das Rückwirkungsverbot und das Klarheits- bzw. Bestimmtheitsgebot zu achten hat, soll dem Prinzip der Rechtssicherheit des Bürgers zusätzlich Geltung verschafft werden.
    e) Verhältnismäßigkeit: Staatliche Eingriffe der öffentlichen Gewalt haben im Hinblick auf den verfolgten Zweck die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu wahren. Für die ausführende Gewalt heißt dies, dass sie bei der Anwendung von Gesetzen diejenigen Mittel zu wählen hat, die geeignet sind, den erstrebten Erfolg zu erreichen, hierbei den geringstmöglichen Eingriff in die Freiheitssphäre der Bürger bewirken (Erforderlichkeit) und gleichzeitig in einem zumutbaren Verhältnis zum Gewicht der betroffenen subjektiven Rechte stehen (Übermaßverbot).

    3. Bedeutung im Rahmen der Ordnungsökonomik: Die Rechtsstaatlichkeit als zentrales Ordnungsprinzip marktwirtschaftlicher Systeme. Das Gebot der Rechtsstaatlichkeit richtet sich an die Träger hoheitlicher Staatsgewalt und dient dem Schutz dezentraler Selbstorganisation vor staatlichen Übergriffen. Die Ordnungsökonomik der Freiburger Schule räumt der Rechtsstaatlichkeit schon aufgrund ihres interdisziplinären Ansatzes und der Betonung einer durchgreifenden Interdependenz von Wirtschaftsordnung und Staatsverfassung (Interdependenz der Ordnungen) den Rang eines zentralen Ordnungsprinzips ein.

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