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Überschussbeteiligung

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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    1. Begriff: Der Begriff ist semantisch mehrfach belegt, und auch in der Literatur, Gesetzgebung und Rechtsprechung sind die Bedeutungsinhalte nicht immer klar erkennbar. Grundsätzlich handelt es sich um die Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Überschüssen der Versicherungsunternehmen. Konkretere Erklärungen müssen nach den Versicherungszweigen, bei denen es eine Überschussbeteiligung gibt, und nach sonstigen Bezugsgrößen differenziert werden. Eine Überschussbeteiligung erfolgt v.a. in der Lebensversicherung und in der privaten Krankenversicherung (PKV), daneben z.B. auch in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Was Überschuss ist, ergibt sich aus dem Jahresabschluss nach den allgemeinen Vorschriften des HGB.

    2. Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung: In der Lebensversicherung wird unter der Überschussbeteiligung zum ersten im Rahmen der Überschussverwendung die Summe aus der Direktgutschrift (heute eher selten) und der Zuweisung zur Rückstellung für Beitragsrückerstattungen (RfB) verstanden. Damit sind zwei Verwendungskomponenten aus dem entstandenen Rohüberschuss bezeichnet, die den Versicherungsnehmern sofort oder später über die vertraglich der Höhe nach garantierten Leistungen gutgeschrieben werden. Zum zweiten gilt als Überschussbeteiligung die Summe aller im Lauf eines Jahres den Versicherungsnehmern zugeteilten Mittel. Das ist wiederum die Summe aus der Direktgutschrift und den aus der RfB entnommenen Mitteln für die vertragsindividuelle Überschussverteilung. Zum dritten wird unter der Überschussbeteiligung auch die auf den einzelnen Lebensversicherungsvertrag bezogene Zuweisung der Überschüsse im Rahmen der Überschussverteilung verstanden. Der Rohüberschuss, an dem die Versicherungsnehmer durch die Direktgutschrift und die RfB-Zuweisung zu beteiligen sind, setzt sich v.a. aus dem Kapitalanlageerfolg, dem Sterblichkeitsgewinn (Risikogewinn) und dem Kostengewinn zusammen. Der verantwortliche Aktuar unterbreitet dem Vorstand Vorschläge für eine angemessene Beteiligung der Versicherten am Überschuss (§ 11a III Nr. 4 VAG). Die Mindestzuweisung ist gesetzlich geregelt (mindestens 90 Prozent vom Kapitalanlageerfolg (nach Abzug des Rechnungszinses, der unmittelbar in die Deckungsrückstellung fließt), 75 Prozent vom Risikogewinn und 50 Prozent vom Kostengewinn, vgl. dazu § 81c VAG i.V.m. der Mindestzuführungsverordnung v. 4.4.2008). Ein Verstoß gegen die Vorschriften über die Mindestzuweisung ist ein Missstand i.S.d. § 81c VAG. Alljährlich wird zudem im Rahmen der sog. Überschussdeklaration festgelegt, in welchem Umfang im Folgejahr Überschussanteile zur Ausschüttung an Kunden oder zur Erhöhung der versicherten Leistungen verwendet werden sollen. Mit der Überschussdeklaration sind die Überschussanteile des Folgejahres rechtsverbindlich zugesagt. Der Barwert der hierfür benötigten Mittel ist daher in einer gesonderten Abteilung der RfB festzulegen. Die Überschussdeklaration setzt sich aus dem Rechnungszins, dem überrechnungsmäßigen Zins sowie den Überschussanteilen aus dem Risiko- und Kostenergebnis zusammen. Die Höhe der Überschussanteilssätze wird vom Vorstand, beratend durch den verantwortlichen Aktuar, festgelegt und bedarf der Zustimmung durch den Aufsichtsrat. Die Veröffentlichung der Überschussanteilssätze erfolgt jährlich im Geschäftsbericht des Versicherungsunternehmens getrennt nach Alt- bzw. Neubestand sowie nach Gewinnverbänden bzw. Bestandsgruppen. Die Bezugsgrößen (z.B. Versicherungssumme, Risikoprämie, oder Deckungskapital) der einzelnen Überschussanteilssätze für den Neubestand werden unternehmensindividuell festgelegt. Die Regelungen für den Altbestand sind durch den Gesamtgeschäftsplan vorgeschrieben. Die Überschussbeteiligung der Versicherungsnehmer entsteht aus laufenden Überschüssen, Schlussüberschussanteilen und der Beteiligung an den Bewertungsreserven. Die laufenden Überschüsse werden den Versicherungsnehmern mit einer zeitlichen Verzögerung von einem Jahr zugewiesen. Die Versicherungsnehmer sollen jedoch mit Vertragsbeendigung alle ihnen zustehenden Überschüsse erhalten. Deshalb werden die eigentlich erst später zuzuweisenden laufenden Überschüsse in den Schlussüberschussanteil gebucht und den Versicherungsnehmern bereits mit Vertragsende zugewiesen. Die Beteiligung an den Bewertungsreserven wurde im Rahmen der VVG-Reform als zusätzliche Komponente der Überschussbeteiligung aufgenommen. Die Versicherungsunternehmen finanzieren mit den Prämienzahlungen der Versicherungsnehmer unterschiedliche Vermögensgegenstände (v.a. Kapitalanlagen), an deren Wertzuwachs die Versicherungsnehmer zur Hälfte zu beteiligen sind. Das Lebensversicherungsunternehmen kann im Voraus eine Mindestbeteiligung an den Bewertungsreserven (sog. Sockelbeteiligung) deklarieren. Der Anspruch des Versicherungsnehmers auf die Beteiligung an den Bewertungsreserven entsteht jedoch erst mit Vertragsbeendigung. Am Ende eines jeden Geschäftsjahrs ermittelt das Versicherungsunternehmen außerbilanziell die Höhe der Bewertungsreserven auf einzelvertraglicher Basis. Jedem Versicherungsnehmer ist der aktuelle Stand seines Anteils an den Bewertungsreserven schriftlich mitzuteilen. Zugewiesen werden nur die Anteile der Bewertungsreserven der ausscheidenden Versicherungsverträge. Die Rückstellung für Beitragsrückerstattung lässt sich in drei Schichten untergliedern. Die Festlegungsschicht enthält die laufenden Überschüsse aus der Vorperiode und der aktuellen Periode, sowie zugesagte Schlussüberschussanteile und Beteiligungen an Bewertungsreserven ausscheidender Versicherungsverträge. Der Schlussüberschussanteilsfonds setzt sich aus Teilrückstellungen für Schlussüberschussanteile, Schlusszahlungen, Gewinnrenten und Sockelbeiträgen an Bewertungsreserven auf Grundlage der jeweils aktuellen Vorausdeklaration zusammen. Die freie Rückstellung für Beitragsrückerstattung enthält alle anderen erwirtschafteten Überschüsse, die noch nicht festgelegt bzw. zugeordnet sind. Der festgelegte Teil der RfB kann dem individuellen Kunden unter der Voraussetzung des Fortbestands des Vertrags nicht mehr entzogen werden und hat daher – anders als die übrigen Teile der RfB – nicht mehr den Charakter von Eigenmitteln. Siehe auch gebundene Rückstellung für Beitragsrückerstattungen, freie Rückstellung für Beitragsrückerstattungen.

    3. Überschussbeteiligung in der Krankenversicherung nach Art der Lebensversicherung: Die Regelung der Überschussbeteiligung stellt im Interesse der Versicherten strenge Anforderungen an die Versicherer (vgl. §§ 12a, 81d VAG i.V.m. der Kalkulationsverordnung v. 18.11.1996, zuletzt geändert durch Gesetz v. 23.11.2007 und durch Verordnung v. 22.10.2009, Überschussverordnung v. 8.11.1996, geändert durch Verordnung v. 12.10.2005). Der Überschuss ergibt sich in der Krankenversicherung v.a. aus der Quelle „Kapitalanlageerfolg“. In der PKV sind u.a. in der sog. Kalkulationsverordnung (KalV) die Prinzipien der Prämienkalkulation festgelegt. Daraus resultieren Vorgaben, mit welchen Zinssätzen (Rechnungszinsen, § 3 KalV) die Rückstellungen, namentlich die Altersrückstellungen, bei der Prämienkalkulation anzusetzen sind. Der Rechnungszins zur Berechnung der Alterungsrückstellungen liegt gemäß der gesetzlichen Vorgaben bei höchstens 3,5 Prozent. Diese Grenze dient v.a. dem Schutz der Versicherten vor unzureichend kalkulierten Versicherungsprämien. Liegt der Marktzins über dem Rechnungszins, entstehen Zinserträge, die als Überzinsen bezeichnet werden. Die Beteiligung der Versicherten an diesen Überzinsen ist Gegenstand der Regelung in § 12a VAG. Die hier geschilderte Überschussbeteiligung zielt in erster Linie auf eine Begrenzung des Prämienanstiegs im Alter ab. Die Regelung betrifft nur die nach Art der Lebensversicherung betriebene Krankheitskostenversicherung und die freiwillige Pflegekrankenversicherung (Pflegekostenversicherung und Pflegetagegeldversicherung). Der Überschuss ist wie folgt zu verteilen: Mindestens 90 Prozent des Überzinses (§ 12a I VAG) sind den Versicherten jährlich zuzuschreiben. Dabei ist zunächst den Versicherten, die einen Beitragszuschlag nach § 12 IVa VAG gezahlt haben, bis zum Ende des Jahres, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden, der Anteil gutzuschreiben, der auf den Teil der Alterungsrückstellung entfällt, der aus diesem Zuschlag entstanden ist. Der Alterungsrückstellung aller Versicherten sind von dem verbleibenden Betrag jährlich 50 Prozent direkt zuzuschreiben, wobei sich dieser Prozentsatz seit dem Geschäftsjahr 2000 jährlich um 2 Prozent erhöht, bis er 100 Prozent erreicht hat. Die Verteilung im Einzelnen ist in § 12a IIa-III VAG sowie in der Überschussverordnung (ÜbschV) geregelt. Insgesamt sind nach § 4 I S. 3 ÜbschV der Rückstellung für erfolgsabhängige Beitragsrückerstattungen mindestens 80 Prozent des Überschusses (Berechnung siehe Satz 2 der Vorschrift) zuzuführen. Die Mindestzuführung ist um die nach § 12a I VAG gutgeschriebenen Überzinsen zu vermindern. Die Mindestzuführung kann unterschritten werden, wenn ein Versicherer nicht mehr über Eigenmittel in Höhe der Solvabilitätsspanne verfügt (Einzelheiten vgl. § 4 III ÜbschV). Ist eine angemessene Zuführung zur Rückstellung für erfolgsabhängige Beitragsrückerstattungen nicht erfolgt, liegt ein Missstand i.S.d. § 81d VAG vor. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Zuführung nicht dem durch die Überschussverordnung festgelegten Zuführungssatz entspricht. Darüber hinaus ist in der PKV häufig eine erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung für Versicherte vertraglich zugesagt, die keine Leistungen in Anspruch genommen haben.

    4. Überschussbeteiligung in der Berufsunfähigkeitsversicherung: In der Berufsunfähigkeitsversicherung wird zwischen Überschüssen, die vor dem Eintritt der Berufsunfähigkeit erzielt werden, und Überschüssen, die während der Berufsunfähigkeit anfallen, unterschieden. Im ersten Fall handelt es sich fast ausschließlich um Risikogewinne, im zweiten Fall um Kapitalanlagegewinne. Für die Überschussbeteiligung der Kunden vor Beginn einer Berufsunfähigkeit gibt es verschiedene Formen.

    a) Beitragsverrechnung: Die Beitragsverrechnung reduziert den Beitrag ab Versicherungsbeginn. Im Angebot und in der Police werden der eigentliche Beitrag (Bruttobeitrag) und der nach Verrechnung der Überschüsse tatsächlich zu zahlende Beitrag (Nettobeitrag) genannt. Sinken die Überschüsse, kann der Nettobeitrag angepasst werden.

    b) Bonusrente: Zusätzlich zur garantierten Rente wird eine Gewinnrente gewährt. Sinken die Überschüsse, reduziert sich die Bonusrente. I.d.R. wird die Versicherung im Zuge der Bonusrente ohne erneute Gesundheitsprüfung erhöht.

    c) Kombination aus Beitragsverrechnung und Bonusrente: Hier werden beide Überschusssysteme miteinander kombiniert. Bei sinkenden Überschüssen können sowohl die Beiträge steigen als auch die versicherte Rente sinken.

    d) Anlage der Überschüsse in Investmentfonds: Die Überschüsse werden in Investmentfonds investiert. Das Fondsguthaben wird im Leistungsfall, bei Ablauf des Vertrags oder bei Tod fällig.

    e) Verzinsliche Ansammlung: Die Überschüsse werden wie in einer klassischen Kapitallebensversicherung oder privaten Rentenversicherung verzinst. Dabei gibt es einen Garantiezins, der derzeit (2012) bei 1,75 Prozent liegt. Die für 2012 den Kunden zugesagte laufende Gesamtverzinsung beträgt im Mittel aller deutschen Versicherer 3,90 Prozent. Die angesammelten und verzinsten Überschüsse werden bei Ablauf des Vertrags als Schlusszahlung ausgewiesen. Tritt der Leistungsfall ein, dient das angesammelte Kapital zur Erhöhung der laufenden Berufsunfähigkeitsrente.

    5. Sonstige Überschussbeteiligung: Sofern überhaupt Überschüsse anfallen, kommt eine Überschussbeteiligung auch in der Schaden-/Unfallversicherung in Betracht, sofern der Versicherer ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) ist (§ 38 VAG). Dabei handelt es sich um Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Überschüssen in ihrer personenidentischen Eigenschaft als Mitglieder des Vereins. Betriebswirtschaftlich ist dieser Sachverhalt als die Gewinnbeteiligung der Vereinsmitglieder zu interpretieren, die in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) allerdings über die „Aufwendungen für erfolgsabhängige Beitragsrückerstattungen“ abgewickelt wird.

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