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Wettbewerbstheorie

Definition: Was ist "Wettbewerbstheorie"?

dient der Erklärung von Ursache-Wirkungszusammenhängen wettbewerblicher Marktprozesse und schafft damit die wissenschaftliche Grundlage für staatliche Wettbewerbspolitik.

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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    1. Begriff: Die Wettbewerbstheorie hat die Aufgabe, Ursache-Wirkungszusammenhänge von wettbewerblichen Marktprozessen zu erklären und damit die wissenschaftliche Grundlage für staatliche Wettbewerbspolitik zu schaffen.

    2. Klassische Wettbewerbstheorie: Smith und die klassische Schule der Nationalökonomie (klassische Lehre) haben das Wettbewerbssystem vorwiegend zum Angriff gegen die feudal-merkantilistischen Fesseln (Merkantilismus) der Wirtschaftsfreiheit benutzt. Die Bevormundung des einzelnen Bürgers durch die Wirtschaftspolitik des Merkantilismus wird abgelehnt und stattdessen die Gewährleistung der Handlungsfreiheit von Unternehmen und Haushalten gefordert.

    Das klassische System lässt sich charakterisieren als die Freiheit zum Wettbewerb unter Konkurrenten, d.h. Freiheit für vorstoßende und nachahmende Wettbewerbshandlungen, sowie Freiheit der Konsumenten, unter den von der Marktgegenseite gebotenen Alternativen zu wählen. Wettbewerb im Sinn der Klassik ist ein dynamischer Prozess aus Aktion und Reaktion, der jedem Marktteilnehmer einen begrenzten Freiheitsbereich gibt. Das Ausnutzen der Wettbewerbsfreiheit unter Verfolgung des Eigeninteresses führt über den Marktmechanismus dazu, dass jedes Wirtschaftssubjekt das erhält, was ihm nach seiner Leistung für den Markt zusteht. Durch dieses freie Spiel der Kräfte entsteht wie durch eine Invisible Hand eine allg. Harmonie der Interessen, die durch den Eingriff des Staates nur gestört werden kann. Das klassische Wettbewerbskonzept lässt sich daher als Koordinationsprozess ohne staatliche Lenkung verstehen, d.h. als ein System nicht-autoritärer sozialer Kontrolle mit finanziellen Sanktionen.

    Die von Smith analysierten wettbewerbsbeschränkenden Strategien beziehen sich vorrangig auf die merkantilistische Wirtschaftspolitik, wobei Marktzutrittsschranken, die durch das Zunftwesen begründet und durch Gesetze abgesichert sind, im Vordergrund stehen (z.B. die Begrenzung der Zahl der Lehrlinge in einem Gewerbe sowie die Bestimmungen für den Marktzutritt und Marktaustritt in Handwerksberufen).

    Das Wettbewerbskonzept der Klassik ist jedoch nicht - wie oft fälschlich behauptet wird - gleichzusetzen mit einer Politik des „laissez-faire, laissez-passer” (Laissez-faire-Prinzip), vielmehr ist die von Smith geforderte wettbewerbliche Legitimation des Privateigentums an den Produktionsmitteln gekoppelt mit der klaren Forderung nach Schaffung und Sicherung einer Rechtsordnung als Rahmen wettbewerblicher Prozesse. So hat Smith bereits die Wohlfahrtsverluste von Preisabsprachen und dauerhaften Monopolstellungen klar erkannt und in seinem 1776 erschienenen Hauptwerk kritisiert.

    3. Neoklassik: Die von Smith behauptete Harmonie der Interessen hat in der Folgezeit zu dem Versuch geführt, die Bedingungen für die totale Übereinstimmung von Einzel- und Gesamtinteressen herauszuarbeiten. Ergebnis dieser Bemühungen war das Gleichgewichtsmodell der vollständigen (vollkommenen) Konkurrenz: Die dynamische Wettbewerbsanalyse der Klassik wird durch eine stark mathematisch orientierte rein statische Betrachtungsweise ersetzt, bei der die klassische Wettbewerbstheorie auf eine Analyse von preistheoretischen Gleichgewichtszuständen (Preistheorie) reduziert wird. Aus einer Vielzahl (von mehr oder minder unrealistischen) Annahmen über die Marktstruktur und das Marktverhalten werden Schlussfolgerungen im Hinblick auf Gleichgewichtspreise und Gleichgewichtsmengen abgeleitet. Der Wettbewerbsprozess, der zu diesen pareto-optimalen Gleichgewichten führt (Pareto-Optimum), wird durch die Dominanz der statischen Betrachtung vernachlässigt.

    4. Die Theorie des unvollkommenen bzw. monopolistischen Wettbewerbs (Sraffa, Robinson, Chamberlin) hat in den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts versucht, die bisher vertretene Dichotomie zwischen reinem Monopol und vollkommener Konkurrenz zu überwinden (monopolistische Konkurrenz). Im Mittelpunkt der Bemühungen standen die Berücksichtigung heterogener Güter, das Oligopolproblem (Oligopol) und die Ergänzung des Preiswettbewerbs durch Formen des Nichtpreiswettbewerbs (z.B. Werbung).

    Das Konzept des unvollkommenen oder monopolistischen Wettbewerbs ist als eine dritte Kategorie zwischen den beiden Grenzfällen der vollständigen Konkurrenz und des Monopols zu sehen. Abweichungen von den Bedingungen der vollständigen Konkurrenz werden als Unvollkommenheitsfaktoren (Market Imperfections) oder Monopolelemente (Monopolistic Elements) angesehen. Mit dieser erweiterten Analyse beginnt sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass die vollständige Konkurrenz niemals realisiert werden kann. Gleichwohl blieb diese bis Anfang der 1960er-Jahre Leitbild der dt. Wirtschaftspolitik; Ziel der Wettbewerbspolitik war es, Anzahl und Ausmaß der Marktunvollkommenheiten zu minimieren. Je geringer die Marktunvollkommenheiten (im Sinn einer Abweichung von den Modellbedingungen), desto mehr glaubte man, sich dem wohlfahrtsökonomischen Ideal zu nähern.

    5. Workable bzw. Effective Competition: a) Die Entwicklung zu einer modernen Wettbewerbstheorie wird eingeleitet durch den Aufsatz von Clark „Towards A Concept of Workable Competition” (1940). Mit seiner sog. Gegengiftthese, wonach auf einem Markt vorhandene Unvollkommenheiten durch das Vorliegen anderer Unvollkommenheiten geheilt werden können, bahnt sich der entscheidende Wandel in der wettbewerbspolitischen Beurteilung von Marktunvollkommenheiten an. So kann z.B. die eine Marktunvollkommenheit einer zu geringen Zahl von Anbietern im Oligopol durch die andere Unvollkommenheit einer beschränkten Markttransparenz oder einer Produktheterogenität im Hinblick auf die Wettbewerbsbedingungen ausgeglichen werden, da die anderen Unvollkommenheiten die preispolitische Interdependenz im Oligopol mindern und damit erfolgreiche Wettbewerbshandlungen möglich werden (Preismeldestellen - Open Price Systems).

    b) Die weitere Entwicklung der Wettbewerbstheorie ist stark durch die Schumpeterschen Thesen zur „Konkurrenz der neuen Ware, der neuen Technik, der neuen Versorgungsquelle, des neuen Organisationstyps” sowie durch die industrieökonomische Forschung in den USA (Industrieökonomik) beeinflusst worden. In seinem Buch „Competition as a Dynamic Process” (1961) versucht Clark, die Schumpetersche Theorie der Innovationen in die allg. Wettbewerbstheorie zu integrieren. Danach sind Pioniergewinne aufgrund einer temporären Vorzugsstellung sowohl Folge als auch Voraussetzung für den Wettbewerb; sie sollen nicht sofort wieder abgebaut werden, sondern allmählich verschwinden, was für den initiativ handelnden Unternehmer eine reaktionsfreie Zeit voraussetzt, um dem Unternehmen einen Anreiz zur Innovation zu geben.

    Die Geschwindigkeit, mit der Vorsprungsgewinne jeglicher Art aufgezehrt werden, kann als Ansatzpunkt für die Bestimmung der Intensität des Wettbewerbs benutzt werden. Nach Clark bemisst sich daher die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs danach, inwieweit vorgegebene (gesamtwirtschaftliche) Ziele im Sinn sinkender Preise, verbesserter Qualitäten und rationeller Produktionsverfahren realisiert werden.

    Zentrales Problem der Theorie des wirksamen Wettbewerbs (auch: funktionsfähiger Wettbewerb, Effective oder Workable Competition) ist es, die wettbewerbspolitisch wünschenswerten von den unerwünschten Marktunvollkommenheiten zu unterscheiden, um damit zu Konstellationen von Unvollkommenheitsfaktoren zu kommen, die als notwendige und/oder hinreichende Bedingung für die Wirksamkeit des Wettbewerbs anzusehen sind. Wenngleich die Vorstellung des Wettbewerbs als einen dynamischen Prozess im Sinn von Schumpeter mit einer Folge von Vorstoß- und Verfolgungsphasen grundsätzlich allg. akzeptiert ist, so wird die Frage der Marktunvollkommenheiten als wettbewerbspolitischer Ansatzpunkt sehr unterschiedlich gesehen, was zur Entwicklung unterschiedlicher wettbewerbspolitischer Leitbilder geführt hat.

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