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Zahlungsbilanz

Definition: Was ist "Zahlungsbilanz"?

Systematische Erfassung und Darstellung aller wirtschaftlichen Transaktionen zwischen Inländern und Ausländern für eine abgelaufene Periode. Diese Definition ist etwas problematisch, da auch Transaktionen zwischen Inländern erfasst werden und da es sich um eine Stromgrößenrechnung handelt. Als Inländer gilt, wer seinen festen Wohnsitz im Inland hat, also auch ausländische Einwohner. Die Zahlungsbilanz wird von der Deutschen Bundesbank monatlich veröffentlicht, wobei die ersten vorläufigen Ergebnisse etwa mit einem Zeitabstand von rund 30 Tagen veröffentlicht werden.

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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    1. Begriff: Systematische Erfassung und Darstellung aller wirtschaftlichen Transaktionen zwischen Inländern und Ausländern für eine abgelaufene Periode. Diese Definition ist etwas problematisch, da auch Transaktionen zwischen Inländern erfasst werden und da es sich um eine Stromgrößenrechnung handelt. Die Deutsche Bundesbank veröffentlicht sie monatlich, wobei die ersten vorläufigen Ergebnisse etwa mit einem Zeitabstand von rund 30 Tagen veröffentlicht werden. Als Inländer gilt, wer seinen festen Wohnsitz im Inland hat, also auch ausländische Einwohner. Im Gegensatz zum kaufmännischen Bilanzbegriff, der i.d.R. von Beständen an einem bestimmten Stichtag ausgeht, ist die Zahlungsbilanz eine Saldenbilanz, die (ebenfalls nach dem Prinzip der doppelten Buchführung) Veränderungen in einer Periode ausweist. Die „Konten” der Zahlungsbilanz werden als Teil-Bilanzen angesprochen.

    2. Aufbau: a) Die Handelsbilanz, auch Warenbilanz genannt, erfasst den Außenhandel, d.h. Export und Import von Sachgütern. Dabei werden die Ergänzungen zum Warenverkehr gesondert ausgewiesen. Dies schließt sog. (Zoll-)Lagerverkehr ein sowie Rückwaren, die zunächst importiert wurden, aber z.B. aufgrund von Mängelrügen zurückgeschickt werden; Analoges gilt für den Export. Der Export wird ab Grenze Ausland erfasst (FOB, Free on Board), während der Import mit dem Wert an der Grenze zum Inland berücksichtigt wird (CIF, Costs, Insurance, Freight).

    b) In die Dienstleistungsbilanz gehen Ein- und Ausfuhren von Dienstleistungen ein. Dies kann Verständnisschwierigkeiten hervorrufen, weil man immaterielle Güter nicht immer transportieren kann. Import bedeutet, dass Inländer Güter in Anspruch nehmen, die Teil eines ausländischen Nationaleinkommens sind, oder anders ausgedrückt, die nicht im Inland produziert worden sind. Wenn also ein Deutscher Dienstleistungen ausländischer Anbieter in Anspruch nimmt, dann importiert er diese Dienstleistungen. Daher zählen Urlaubsreisen ins Ausland aus dt. Sicht zum Dienstleistungsimport, die Reisetätigkeit von Ausländern in Deutschland umgekehrt zum Dienstleistungsexport.

    Weitere Beispiele: Lizenzen, Patente, Werbe- und Messekosten, Montagen, Nachrichtenverkehr, Versicherungen, Transportleistungen und Beratung.

    Der Saldo von Handels- und Dienstleistungsbilanz wird als Außenbeitrag zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bezeichnet. Die grenzüberschreitenden Faktoreinkommen (Kapitalerträge, Einkommen aus unselbstständiger Arbeit) werden nicht in der Dienstleistungsbilanz, sondern als Erwerbs- und Vermögenseinkommen erfasst. Zählt man sie zum Außenbeitrag zum Bruttoinlandsprodukt hinzu, erhält man den Außenbeitrag zum Bruttonationaleinkommen.

    Die frühere Übertragungsbilanz (Transferbilanz), die alle unentgeltlichen Zahlungen enthielt, wurde aufgeteilt: Laufende Übertragungen (z.B. an den EU-Haushalt, an den IWF oder die UN, Überweisungen ausländischer Gastarbeiter in ihre Heimat, Renten und Pensionen aus dem oder ins Ausland, öffentliche Entwicklungshilfe (sofern nicht als Kredit) werden als
    c) laufende Übertragungen erfasst, in Abgrenzung zu
    d) Vermögensübertragungen (Erbschaften, Schuldenerlasse, Steuererstattungen etc.). Nur die laufenden Übertragungen werden (zusammen mit dem Außenbeitrag zum Bruttoinlandsprodukt) zur Leistungsbilanz gezählt, da nur sie Einfluss auf Einkommen und Verbrauch haben. Andere, einmalige Transfers wie z.B. Finanzierungsleistungen wie 1999 für den Kosovokrieg oder 2003 für den Irakkrieg werden getrennt erfasst.

    Leistungsbilanz plus Saldo der Vermögensübertragungen ergeben

    e) den Finanzierungssaldo der Zahlungsbilanz. Ist dieser positiv, liegt eine Zunahme der Forderungen gegenüber dem Ausland vor, andernfalls eine Zunahme der Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland. Dies schlägt sich spiegelbildlich in der Kapitalbilanz bzw. der Bilanz der Deutschen Bundesbank nieder.

    Es ist nicht unüblich, die Leistungsbilanz in die Positionen Außenhandel und Saldo der „unsichtbaren“ Leistungen aufzuteilen. Diese umfassen die Dienstleistungen, die Erwerbs- und Vermögenseinkommen und die laufenden Übertragungen.

    Die Kapitalbilanz oder Kapitalverkehrsbilanz erfasst alle Forderungen und Verbindlichkeiten der privaten Wirtschaft und des Staates (außer der Notenbank) gegenüber dem Ausland. Sie unterteilt sich in mehrere Unterbilanzen. Von bes. Bedeutung sind dabei die Direktinvestitionen, also Beteiligungen dt. Unternehmen an ausländischen Firmen und umgekehrt, Portfolioinvestitionen, also Erwerb von ausländischen Wertpapieren als Kapitalanlage, sowie Kredite und Darlehen. Bewertungsbedingte Veränderungen des Netto-Auslandsvermögens, die naturgemäß in Zeiten starker Börsenkursbewegungen (Aktien, Devisen) nicht zu vernachlässigen sind, werden im Rahmen der Zahlungsbilanz nicht erfasst.

    Beim Kreditverkehr unterscheidet man bei den Forderungen und Verbindlichkeiten der Unternehmen, der Banken und des Staates kurz- und langfristige Positionen. Auf der Forderungsseite der Kapitalbilanz werden u.a. auch die Devisenbestände erfasst, die in der Wirtschaft verbleiben und nicht der Bundesbank zufließen, da Dollarbestände, die dt. Unternehmen oder Banken gehören, in aller Regel auf Dollarkonten im Ausland gehalten werden.

    Kapitalimporte bedeuten eine Zunahme von Verbindlichkeiten, Kapitalexporte eine Zunahme von Forderungen. Sofern es sich dabei um Transaktionen in fremden Währungen handelt, werden diese mit ihren Euro-Gegenwerten in der Zahlungsbilanz erfasst.

    Die in der Zahlungsbilanz zu berücksichtigenden Transaktionen sind nicht lückenlos erfassbar. Der Warenhandel ist statistisch aufgrund von Zollunterlagen bzw. den gemäß Außenwirtschaftsgesetz und dem Außenhandelsstatistikgesetz zu vollziehenden Meldungen zur Außenhandelsstatistik weit gehend nachzuvollziehen; auch im Zahlungsverkehr liefern die Banken aufgrund entsprechender Vorschriften sehr dichtes Datenmaterial. Problematischer hingegen ist es beim Tourismus (Dienstleistungsbilanz), wo oft nur Schätzungen auf der Basis der Bestandsveränderungen an ausländischen Zahlungsmitteln bei den Banken bzw. aufgrund von Rücksendungen von Euro-Bargeldbeständen sowie eingelösten Reiseschecks aus dem Ausland möglich sind.
    f) Der Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen ergibt sich daher aus fiktiven Gegenbuchungen zu Transaktionen, die sich wegen unzureichender Erfassungsmöglichkeiten nicht auf zwei, sondern nur auf einer Teilbilanz niederschlagen würden. Z.B. sind Handelskredite kurzfristig nur schwer zu registrieren, sodass zwar Warenimporte erfasst werden mögen, nicht aber der dazugehörige Kreditvorgang. Beim vorläufigen Jahresabschluss ist der Restposten naturgemäß relativ groß, weil darin noch die statistisch nicht erfassten Handelskredite enthalten sind.
    g) Der Ausgleichsposten zur Auslandsposition der Bundesbank umfasst u.a. die Währungsreserven und sonstige Forderungen der Bundesbank gegenüber dem Ausland, z.B. gegenüber der Weltbank oder innerhalb des Europäischen Währungssystems (EWS). Diese Währungsbestände werden (da die Zahlungsbilanz in Euro geführt wird) durch die entsprechenden Wechselkurse umgerechnet in Euro-Werte. Veränderungen der Devisenbestände aber werden zu den jeweiligen Kursen gebucht, sodass eine Korrekturbuchung im Ausgleichsposten den Unterschied zwischen Tageskurs und Wertansatz ausgleicht.

    3. Zahlungsbilanzstatistik: a) Quellen: Die Daten der Zahlungsbilanz entstammen einer Vielzahl von Quellen. Zunächst ist die Außenhandelsstatistik des Statistischen Bundesamtes zu nennen. Diese wiederum stützt sich auf die Angaben, die bei Einfuhr und Ausfuhr in den Unterlagen zur außenwirtschafts- und zollrechtlichen Abfertigung gemacht werden, bes. auf Exemplare des sog. Einheitspapiers, das EU-einheitlich bei der Zollabfertigung verwendet wird (obwohl der Datenträger Papier inzwischen von elektronischen Verfahren abgelöst werden, z.B. dem deutschen Verfahren ATLAS und dem UK-Verfahren CHIEF), sowie auf ergänzende Unterlagen z.B. der Zollbehörden in Freihäfen. Da innerhalb des Binnenmarktes der EU keine güterbezogenen Grenzabfertigungen mehr erfolgen, wird der innergemeinschaftliche Warenverkehr (sog. Intrahandel) durch ein spezielles Meldewesen (IntraStat) erfasst. Dies bedeutet für die Unternehmen entsprechenden Bearbeitungsaufwand. In der Statistik wird dabei zwischen Generalhandel und Spezialhandel unterschieden. Der Spezialhandel umfasst Ein- und Ausfuhr in den bzw. aus dem zollrechtlich freien Verkehr (das bedeutsamste Zollverfahren) sowie Ein- und Ausfuhren im Rahmen aktiver und passiver Veredelungsverkehre (zwei weitere Zollverfahren). Der Generalhandel erfasst zudem noch Im- und Exporte in bzw. aus Zolllagern (ein weiteres Zollverfahren).

    Eine weiter bedeutsame Statistik ist die des Auslandszahlungsverkehrs, die sich auf Meldevorschriften der §§ 59 bis 59 Außenwirtschaftsverordnung (AWV) stützt. U.a. muss jeder Inländer Zahlungen an bzw. von Ausländern ab einem bestimmten Betrag auf bestimmten Formularen (Anlagen K 3 und K 4 sowie Z 1 bis Z 15 AWV) melden; in der Praxis geschieht dies meist durch das ausführende Kreditinstitut oder inzwischen auch mit elektronischen Meldesystemen gegenüber der Deutschen Bundesbank. Diese Informationen werden ergänzt durch den sog. Auslandsstatus der Kreditinstitute, mit dem diese monatlich den Stand der Auslandsaktiva und -passiva melden, gegliedert nach Bilanzpositionen, Währungen und Ländern. Analoge Meldungen müssen Nichtbanken (Unternehmen, Privatpersonen) machen, wenn ihre Forderungen und Verbindlichkeiten aus Finanzbeziehungen und dem Waren- und Dienstleistungsverkehr den Betrag von 5 Mio. Euro überschreiten, allerdings außer Unternehmensbeteiligungen und verbrieften Schuldverschreibungen. Die Angaben zur Netto-Auslandsposition der Bundesbank ergeben sich aus der internen Rechnungslegung der Bundesbank. Auf Fremdwährungen lautende Positionen werden (soweit möglich) mit den Kassakursen zum Zeitpunkt der Transaktion, sonst mit Durchschnittskursen in Euro umgerechnet.

    Diese Angaben werden durch Schätzungen ergänzt, z.B. Güterbewertungen im kleinen Grenzverkehr und im Reiseverkehr, Klein-Ein- und Klein-Ausfuhren unterhalb der Meldegrenzen oder Güter, die ursprünglich im Rahmen von Veredlungsverkehren erfasst wurden, aber im Land der Veredlung verbleiben (sog. Ergänzungen zum Warenverkehr), oder Frachten und Versicherungen, die sich nicht aus den Zollunterlagen ergeben.
    b) Erfassung und Bewertung: Theoretisch müssten beim Vergleich internationaler Statistiken die Exporte Alands nach Benesien mit den entsprechenden Importen von Benesien aus Aland übereinstimmen. Tatsächlich ist dies jedoch nicht der Fall. Dies liegt u.a. an der unterschiedlichen Bewertung der Warenströme, da Exporte auf FOB-Basis (FOB), Importe auf CIF-Basis (CIF) erfasst werden (vgl. die sog. INCO-Terms der Internationalen Handelskammer ICC), sodass der CIF-Importwert dem Güterwert bei Erreichen der Grenze des Importlandes entspricht. Dadurch werden in der Handelsbilanz Positionen erfasst, die eigentlich in die Dienstleistungsbilanz gehören. Manche Statistiken, z.B. die des Statistischen Bundesamtes, weisen internationaler Praxis entsprechend daher Importe wie Exporte in FOB-Werten aus. Dann entspricht der Importwert des einführenden Landes dem Exportwert des ausführenden Landes.

    Neben der CIF-FOB-Diskrepanz gibt es noch einige weitere Gründe, weshalb korrespondierende Importe und Exporte in den beteiligten Ländern mit unterschiedlichen Werten ausgewiesen werden.
    (1) Aufgrund der transportbedingten Zeitdifferenz sind die Exporte im Exportland bereits erfasst, die Importe im Importland aber nicht;
    (2) es kann hinzukommen, dass sich der Wechselkurs zwischen Erfassung des Exports und Erfassung des Imports verändert hat;
    (3) Exporte können zwar offiziell registriert sein, jedoch durch Schmuggel und illegalen Handel nicht in den Importstatistiken auftauchen (Analoges gilt auch umgekehrt);
    (4) bspw. können Zinszahlungen in der Dienstleistungsbilanz als Zahlungsausgang erfasst werden, jedoch aus Steuergründen in dunklen Kanälen verschwinden;
    (5) bestimmte Positionen können nur annäherungsweise geschätzt und regional zugeordnet werden, wie z.B. der nicht organisierte private Reiseverkehr. Insgesamt können auf diese Weise riesige Summen im „Bermuda-Dreieck der Statistik“ untergehen. Die zusammengefassten Salden aller Länder müssten eigentlich einen Saldo der Welt-Leistungsbilanz von Null ergeben, tatsächlich aber weist die Welt-Leistungsbilanz ein (erhebliches) Defizit auf. Dies macht aber weniger als 1 Prozent des Welthandelsvolumens aus.

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