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Gesellschafterfremdfinanzierung

Definition: Was ist "Gesellschafterfremdfinanzierung"?

Finanzierungsform, bei der die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft dieser über ein Mindestmaß an vorgeschriebenem Eigenkapital hinaus vorzugsweise nicht weiteres Eigenkapital geben, sondern ihr das benötigte Kapital in Form von Darlehen, also als Fremdkapital, zur Verfügung stellen.

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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon

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    1. Begriff: Finanzierungsform, bei der die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft dieser über ein Mindestmaß an vorgeschriebenem Eigenkapital hinaus vorzugsweise nicht weiteres Eigenkapital geben, sondern ihr das benötigte Kapital in Form von Darlehen, also als Fremdkapital, zur Verfügung stellen.

    2. Zweck der Gesellschafterfremdfinanzierung ist meist nicht die Erzielung gesellschaftsrechtlicher Vorteile (Gesellschafterfremdfinanzierung haftet zwar anders als Eigenkapital den Gläubigern der Gesellschaft nicht, dieser Grundsatz kann aber bei sog. eigenkapitalersetzenden Darlehen durchbrochen werden). Hauptsächlicher Grund ist vielmehr die Erzielung steuerlicher Vorteile: a) Gesellschafterfremdfinanzierung durch eine natürliche Person als Gesellschafter: Zinszahlungen sind bei der zahlenden Kapitalgesellschaft Betriebsausgaben, auf sie fällt also anders als bei Dividendenzahlungen im Land dieser Gesellschaft keine Körperschaftsteuer an, sondern nur die Einkommensteuer im Land des Gesellschafters. Somit wird durch Gesellschafterfremdfinanzierung eine der beiden Steuern, die bei Eigenkapitalgewährung zu zahlen wären, gespart. Dieser Effekt ist zumindest dann, wenn Zinsen und Dividenden beim Gesellschafter demselben Einkommensteuersatz unterliegen, immer vorteilhaft und wird daher gerne genutzt. Lediglich in einem Anrechnungssystem, in dem der Gesellschafter die Körperschaftsteuer voll erstattet erhält, machen Gestaltungen zur Gesellschafterfremdfinanzierung keinen Sinn.

    b) Gesellschafterfremdfinanzierung durch eine ausländische Mutterkapitalgesellschaft: Zinszahlungen sind bei der zahlenden Kapitalgesellschaft Betriebsausgabe, bei der Muttergesellschaft Gewinnbestandteil; bei Eigenkapitalfinanzierung wären die Zahlungen an die Muttergesellschaft dagegen Dividenden und unterlägen daher im Staat der Tochtergesellschaft der Steuer, nicht aber im Land der Muttergesellschaft (Schachtelprivileg). Folglich macht die Gesellschafterfremdfinanzierung in diesen Fällen Sinn, wenn der Körperschaftsteuersatz im Land der Muttergesellschaft geringer ist als derjenige im Land der Tochtergesellschaft.

    3. Abwehrmaßnahmen der Fisci: a) Grundsatz: Weil durch die Gesellschafterfremdfinanzierung die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer zulasten des Fiskus verringert werden kann, sehen mittlerweile die meisten Staaten Grenzen für das Ausmaß der Gesellschafterfremdfinanzierung vor, das sie noch steuerlich anerkennen. Werden die tolerierten Grenzen überschritten, werden die Zinszahlungen steuerlich nicht mehr als abziehbare Betriebsausgabe anerkannt. Dadurch fällt dann der steuerliche Vorteil weg, der Gesellschafter hätte veranlassen könnte, Kredite statt Eigenkapital zu gewähren.

    b) Anwendbare Techniken zur Abwehr der Gesellschafter-Fremdfinanzierung: Den Betriebsausgabenabzug für die Zinszahlungen einer Gesellschaft zu verneinen, lässt sich prinzipiell auf zwei Arten erreichen:
    (1) Die Zinszahlungen werden als nicht-abziehbare Betriebsausgaben eingestuft,
    (2) die Zinszahlungen werden wie Eigenkapitalvergütungen behandelt. Der Unterschied zwischen diesen zwei Methoden liegt darin, dass im zweiten Fall nicht nur ein Betriebsausgabenabzug ausscheidet, sondern außerdem auch noch alle anderen denkbaren Vorteile einer Ersetzung von Eigenkapital durch Fremdkapital ausgeschlossen sind.

    c) Einsatz der Abwehrtechniken in Europa: Welche der beiden prinzipiell denkbaren Abwehrtechniken tatsächlich eingesetzt wird, entscheidet jedes Land selbst; maßgeblich ist, da es um den Betriebsausgabenabzug bei der Tochtergesellschaft geht, die Rechtslage im Land dieser Tochtergesellschaft.

    d) Toleranzschwellen: Bisher allen bekannten Regelungen gemeinsam ist, dass die Nichtanerkennung von Zinsausgaben als Betriebsausgaben nicht generell verweigert wird, sondern solche Maßnahmen erst greifen, wenn ein bestimmtes Ausmaß der Gesellschafterfremdfinanzierung überschritten wird. Da solche Toleranzschwellen jedoch nur willkürlich festgelegt werden können, unterscheiden sich diese von Land zu Land erheblich.

    4. Rechtslage in Deutschland: a) Grundsätzliche Technik: Seit 2008 folgt das dt. Recht der Technik, Zinszahlungen als nichtabziehbare Betriebsausgaben zu behandeln (§ 4h EStG; Zinsschranke), zuvor galt eine Regelung, bei der Zinszahlungen als Eigenkapitalvergütungen („verdeckte Gewinnausschüttungen“) behandelt werden konnten (§8a KStG a.F.). Von der Neuregelung sind jedoch prinzipiell nicht mehr nur Fälle von Gesellschafterfremdfinanzierung betroffen, sondern im Grundsatz sämtliche Zinszahlungen an jedermann; eine Rücksichtnahme auf betriebswirtschaftliche Erfordernisse der Fremdfinanzierung geschieht jetzt über die Toleranzschwellenregelungen.

    b) Toleranzschwellenwerte: Wie viele Zinszahlungen in Deutschland noch als abziehbare Betriebsausgaben zugelassen werden, ergibt sich seit 2008 aus der sog. Zinsschranke (Richtwert: 30 Prozent des Ertrags vor Abschreibungen, Zinsen und Steuern); bestimmte Klauseln mindern eventuelle Härten ab. Für Kapitalgesellschaften, die zu einem Konzern gehören, sind die Regelungen teilweise verschärft, wenn Gesellschafterfremdfinanzierung ins Spiel kommt (§ 8a KStG n.F.). Generell gilt unter der neuen Regelung, dass Zinszahlungen, die die steuerliche Obergrenze überschreiten und deshalb nicht als Betriebsausgaben geltend gemacht werden können, in spätere Jahre vorgetragen werden können und dort geltend gemacht werden können, soweit der Betrieb  die steuerliche Obergrenze (Zinsschranke) in diesen Jahren dann noch nicht anderweitig ausgeschöpft hat (Zinsvortrag).

    Unter der alten Regelung (§ 8a KStG a.F.) gab es einen bestimmten Prozentsatz von Krediten, den eine Gesellschaft mit steuerlicher Wirkung von ihrem Gesellschafter (oder den Personen, die diesem nahe standen) aufnehmen durfte; man sprach insoweit vom „safe haven“ („sicheren Hafen“), in dem sie sich bei der Gesellschafterfremdfinanzierung dann bewegen konnte.

    5. Andere Steuerarten: Eine Kapitalgesellschaft als Gesellschafter teilweise mit Fremdkapital statt mit Eigenkapital auszustatten, kann theoretisch nicht nur bei den Ertragsteuern, sondern auch bei anderen Steuerarten Vorteile versprechen; daher kann es auch bei anderen Steuerarten entsprechende Abwehrmechanismen gegen solche Konstruktionen geben. Als bspw. die Gesellschaftsteuer (Kapitalverkehrsteuer), die ja die Einlage von Eigenkapital in Kapitalgesellschaften besteuert, in Deutschland noch erhoben wurde, gab es auch dort das Phänomen der Gesellschafterfremdfinanzierung; in anderen Staaten Europas, wo diese Steuerart noch existiert, wird dann konsequenterweise auch heute noch ebenfalls mit Maßnahmen gegen Gesellschafterfremdfinanzierung bei dieser Steuer zu rechnen sein.

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