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Börsenkommunikation

Definition: Was ist "Börsenkommunikation"?

Börsenkommunikation soll die Transparenz an den Kapitalmärkten sicherstellen. Anleger haben ein berechtigtes Interesse an den Vorgängen im Unternehmen und an Entscheidungen des Managements, das Unternehmen hat ein Interesse daran, die eigenen Positionen zu verdeutlichen. Wesentliche Teile der Börsenkommunikation sind durch Gesetze und Börsenverordnungen geregelt (z.B. Geschäfts- und Quartalsbericht, Ad-hoc-Mitteilungen), weitere Teile richten sich nach den Bedürfnissen der Anspruchs- und Zielgruppen sowie nach den Kommunikationszielen des Unternehmens. Der Schwerpunktbeitrag zeigt knapp die historische Entwicklung sowie die Bedeutung der Börsenkommunikation und beschreibt die zentralen Kommunikationsmittel sowie die grundlegenden rechtlichen Regelungen.

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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Inhaltsverzeichnis

    1. Zweck und Ziel
    2. Entwicklung
    3. Publizitätspflichten
    4. Ad-hoc-Publizität
    5. Veröffentlichung von Übernahmeangeboten und von Übernahmen
    6. Weitere Instrumente

    Zweck und Ziel

    Die Börsenkommunikation gehört zu den Kommunikationsformen der Public Relations (PR). Ihr zentraler Zweck ist es, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens am Kapitalmarkt zu sichern. Die Aktie wird dabei weniger als Anteilsschein am Unternehmen, sondern vielmehr als eigenständiges Produkt betrachtet, das am Markt positioniert werden kann. Vorrangiges Ziel der Börsenkommunikation ist es, durch Transparenz der Geschäftspolitik und Bereitstellung umfassender und seriöser Markt- und Unternehmensinformationen mittel- und langfristig das Vertrauen der Anleger zu erlangen, sie damit zu Aktienkäufen zu animieren und private wie institutionelle Shareholder (Anteilseigner) ans Unternehmen zu binden. Dazu gehört die zeitnahe und umfassende Information der Zielgruppen über Unternehmen, Management, Produkte und Dienstleistungen, über Geschäftsprozesse, Forschung und Entwicklung, Markt und Wettbewerb, Risiken und Chancen. Zu den Zielgruppen der Börsenkommunikation gehören v.a. Wirtschafts-, Finanz- und Börsenmedien (besonders große Tageszeitungen, Wirtschaftsmagazine, Börsenzeitungen und -magazine, Börsenbriefe, Onlinedienste), daneben institutionelle und große private Anleger, Communities/Newsgroups im Internet, Rating-Agenturen, Börsenmakler, Wertpapierhändler, Aufsichtsbehörden, Analysten, Fondsmanager sowie Finanzinstitute.

    Entwicklung

    Mit dem Börsengang der Deutschen Telekom AG im November 1996 und der Gründung des Neuen Marktes als Wachstumssegment der Deutschen Börse AG in Frankfurt a.M. am 10.3.1997 ist die Aktie als Anlageform in Deutschland erstmals stark ins allgemeine Interesse gerückt. Die hohe Zahl der Börsengänge in den Jahren 1999 und 2000 machten Börsen und Aktiengesellschaften darüber hinaus einer weiten Öffentlichkeit bekannt. Diese Entwicklung hat zu einer ersten Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit bei börsennotierten Unternehmen geführt. Der weltweite Einbruch bei Technologie-Titeln und in der Folge an den Aktienmärkten branchen- und segmentübergreifend in den Jahren 2001 und 2002, verstärkt durch den Terroranschlag auf das World Trade Center am 11.9.2001 sowie die Skandale am Neuen Markt haben das Interesse der Öffentlichkeit am Aktienmarkt stark gedämpft. Erst ab 2004 war wieder ein erhöhtes Engagement von Privatanlegern an den Börsen zu verzeichnen. Die Kurse fielen beim DAX von 8.136 Punkten am 7.3.2000 auf 2.519 Punkte am 9.10.2002. Am 16.10.2002 beschloss die Deutsche Börse AG auf Basis des am 1.6.2002 in Kraft getretenen Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes, strukturelle Änderungen vorzunehmen. Seit dem 1.1.2003 gilt die neue Börsenordnung, die auf den beiden grundsätzlichen Segmenten Prime Standard und General Standard beruht. Die im Jahr 2006/2007 durch fallende Immobilienpreise und faule Immobilienkredite in den USA entstandene Subprime-Krise und die ab dem Jahr 2008 daraus entstandene internationale Banken- und Wirtschaftskrise hat das Interesse von Privatanlegern wie institutionellen Investoren wieder stark reduziert. Nach der ersten Aufmerksamkeitswelle 1997 kam es in den Jahren 2000 bis 2002 bei vielen Unternehmen zu einer weiteren Professionalisierung der Börsenkommunikation mit dem Ziel, durch erhöhte Transparenz einen Teil des verlorenen Anlegervertrauens zurück zu gewinnen. Insofern soll die Börsenkommunikation einerseits den Anspruch nach Seriosität von Seiten der Unternehmen erfüllen, andererseits die Forderung nach Transparenz von Seiten der Anleger und Aktionärsschützer.

    Publizitätspflichten

    Grundlegende Kommunikationspflichten für die Aktienmärkte regeln u.a. die §§ 15 und 15 a des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) und die §§ 30, 39, 40, 51 und 54 des Börsengesetzes. Zusätzliche Pflichten beschreibt die Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse (Rubrik Info Center, Regelwerk der FWB Frankfurter Wertpapierbörse, besonders Abschn. XIV, XV, XVI). Für den General Standard gelten die gesetzlichen Mindestanforderungen. Für den Prime Standard gelten erweiterte Publizitätspflichten. Diese betreffen die Veröffentlichung eines Geschäftsberichts (nach bestimmten Mindestanforderungen spätestens drei Monate nach Ende des Berichtzeitraums), die Quartalsberichterstattung (nach bestimmten Mindestanforderungen zu publizieren, spätestens vier Monate nach Ende des Berichtzeitraums), die Rechnungslegung nach den internationalen Rechnungslegungsstandards International Financial Reporting Standards (IFRS) oder US-GAAP, ferner die Veröffentlichung eines Unternehmenskalenders (auch auf der Homepage), mind. je eine Bilanzpressekonferenz und eine Analystenveranstaltung im Jahr und die Ad-hoc-Publizität, die dem Herstellen der Bereichsöffentlichkeit dient und damit dem Insiderhandel vorbeugt.

    Ad-hoc-Publizität

    Die Ad-hoc-Publizität gehört zu den wichtigsten Veröffentlichungspflichten für Wertpapieremittenten. Sie ist im Wertpapierhandelsgesetz (§ 15 WpHG) geregelt. Emittenten, die an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen sind, sind gesetzlich verpflichtet, kursrelevante Tatsachen unverzüglich öffentlich zu machen. Die im Freiverkehr gehandelten Effekten sind ausgenommen. Ziel ist es, durch das sog. Herstellen der Bereichsöffentlichkeit, also die Informationsweitergabe an wesentliche Informationsvermittler (überregionale Börsenpflichtblätter, elektronische Informationsverbreitungssysteme) dem Insiderhandel vorzubeugen und eine allgemeine Transparenz zu schaffen. Publizitätspflichtige Tatsachen müssen noch vor der Veröffentlichung an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Geschäftsführungen der Börsen, an denen die Effekten oder deren Derivate zum Handel zugelassen sind, übermittelt werden. Ein Verstoß dagegen kann mit einer erheblichen Geldbuße geahndet werden. Die BaFin prüft, ob die Emittenten ihrer Publizitätspflicht nachkommen. Die Börsen entscheiden darüber, ob die Veröffentlichung der kursbeeinflussenden Tatsache eine vorübergehende Kursaussetzung erfordert. Zu den meldepflichtigen Tatsachen können Mergers & Acquisitions, Großaufträge, unerwartetes neues Umsatzpotenzial, Bilanzzahlen, Gewinneinbrüche, gewichtige personelle und andere einschneidende Veränderungen im Unternehmen gehören. Verwendete Kennzahlen müssen üblich sein und den Vergleich mit den zuletzt genutzten Kennzahlen ermöglichen. Nicht aufgenommen werden sollten hingegen persönliche Statements, Vermutungen und werbliche Aussagen. Ad-hoc-Mitteilungen sollen möglichst knapp gefasst werden und eine Länge von 2.400 Zeichen nicht überschreiten. Zusätzliche Informationen können über kommentierende Pressemitteilungen verbreitet werden. Über die Frage, ob es sich tatsächlich um eine kursrelevante Tatsache handelt, entscheiden die an deutschen Börsen notierten Unternehmen zunächst selbst. Erst im Nachhinein prüft die BaFin, ob ein Unternehmen den Rahmen der gesetzlichen Vorschriften verlassen hat. Eine generelle Vorab-Prüfung des Inhalts findet nicht statt. Das Fachreferat für Ad-hoc-Publizität der BaFin steht Unternehmen nach eigenen Aussagen jedoch für Auskünfte zur Verfügung. Gelten im Rahmen der Börsenkommunikation für den General Standard die gesetzlichen Vorschriften, so fordert die Deutsche Börse AG von Unternehmen im Prime Standard erhöhte Publizitätspflichten. Dazu gehört die Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilungen gleichzeitig in englischer Sprache. Juristisch abgesichert regeln viele Unternehmen ihre Veröffentlichungspflicht über professionelle Anbieter.

    Veröffentlichung von Übernahmeangeboten und von Übernahmen

    Nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (§§ 10, 14 WpÜG) muss ein Unternehmen die Entscheidung zur Abgabe eines Angebotes zum Erwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft und die Angebotsunterlage unverzüglich veröffentlichen. Ebenso ist die mittelbare oder unmittelbare Erlangung der Kontrolle der Zielgesellschaft innerhalb von sieben Kalendertagen veröffentlichungspflichtig (§§ 35, 29 WpÜG). Informiert werden müssen die Börsen, an denen die entsprechenden Wertpapiere bzw. deren Derivate gehandelt werden, die BaFin sowie die Bereichsöffentlichkeit (z.B. über ein überregionales Börsenpflichtblatt).

    Weitere Instrumente

    Um die Bekanntheit des Unternehmens in der Finanzwelt zu erhöhen, nutzt die Börsenkommunikation Mittel der klassischen Public Relations (Pressemitteilungen, Pressekonferenzen, Journalistenreisen, Hintergrundgespräche mit der Finanz- und Wirtschaftspresse, Wahrnehmen von Speaking Opportunities, Lancieren von Unternehmensportraits und Hintergrundberichten) und der Investor Relations (Zielgruppe Aktionäre: entweder direkt über Hauptversammlung, Aktionärsbriefe, Mailings, Geschäftsbericht/Imagebroschüre oder indirekt durch Kontakt zu Börsenbriefen und anderen Börsenmedien, Redaktionen von Finanzseiten im Internet, Einflussnahme auf Diskussionsforen im Internet, Kontakt zu Analysten durch sog. Road Shows, daneben Hintergrundgespräche mit Redakteuren, Analysten und Fondsmanagern). Auch der inhaltlichen Gestaltung von Quartals- und Geschäftsbericht über den Pflichtteil hinaus kommt eine wichtige Funktion zu. Immer stärkere Bedeutung erhalten die Neuen Medien: Pressemitteilungen, Ad-hoc-Mitteilungen, Interviews der Geschäftsleitung (schriftlich, in Bild und/oder Ton), Quartals- und Geschäftsberichte, Unternehmens-Präsentationen, Mitschnitte von Presse- und Analystenkonferenzen sowie aktuelle Unternehmensdaten sollten in einem speziellen Bereich auf der unternehmenseigenen Homepage direkt eingesehen werden können oder zum Download zur Verfügung stehen (passive Börsenkommunikation). Dazu gehören auch aktuelle Daten zur Branchen- und Marktsituation. Wichtige aktuelle Unternehmensinformationen sollten an registrierte Interessenten (private wie institutionelle Anleger, Presse) regelmäßig per E-Mail versandt werden. Auch Live-Übertragungen von Presse- und Analystenkonferenzen sowie Hauptversammlungen im Internet und internationale Telefonkonferenzen z.B. für Analysten und Medienvertreter ermöglichen die regelmäßige Weitergabe aktueller Informationen an bestimmte Interessengruppen (aktive Börsenkommunikation).

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