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Einigungsstelle

Definition: Was ist "Einigungsstelle"?
Im Betriebsverfassungsgesetz (§ 76) vorgesehene privatrechtliche, innerbetriebliche Schlichtungsstelle zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber (Betriebsverfassung).

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    I. Arbeitsrecht:

    Im Betriebsverfassungsgesetz (§ 76) vorgesehene privatrechtliche, innerbetriebliche Schlichtungsstelle zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber (Betriebsverfassung).

    1. Aufgabe: Arbeitgeber und Betriebsrat sollen nach dem Gesetz (§ 71 I BetrVG) über strittige Fragen mit ernsten Willen zur Einigung verhandeln. In mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten (erzwingbare Mitbestimmung) z.B. in sozialen Angelegenheiten und wirtschaftlichen Angelegenheiten (Sozialplan) ist ohne eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat keine wirksame Regelung möglich. Der Auflösung dieser Konflikte dient das Einigungsstellenverfahren. In ihm soll nach Möglichkeit eine Einigung herbeigeführt werden. Ist das nicht möglich, so entscheidet sie in den Fällen erzwingbarer Mitbestimmung verbindlich

    ihr Spruch ersetzt die fehlende Einigung.

    2. Bildung: Die Einigungsstelle ist i.d.R. keine Dauereinrichtung, sondern wird bei Bedarf gebildet. Durch

    nicht erzwingbare

    Betriebsvereinbarungen kann aber auch eine ständige Einigungsstellen gebildet werden. Durch Tarifvertrag kann bestimmt werden, dass die tarifliche Schlichtungsstelle die Einigungsstelle ganz oder teilweise ersetzt (§ 76 VIII BetrVG).

    3. Zusammensetzung: Die Einigungsstelle besteht je zur Hälfte aus vom Arbeitgeber und vom Betriebsrat gestellten Beisitzern und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen müssen. In der Praxis ist das meist ein Richter der Arbeitsgerichtbarkeit, weil bei einem solchen Neutralität und Sachkunde angenommen wird. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so bestellt ihn das Arbeitsrecht im Beschlussverfahren.

    4. Zuständigkeit: a) Bei erzwingbarer Mitbestimmung:
    (1) In sozialen Angelegenheiten;
    (2) bei wirtschaftlicher Mitbestimmung, Interessenausgleich, Sozialplan;
    (3) über Fassung und Inhalt von Personalfragebogen, Formularverträgen und Beurteilungsgrundsätzen (§ 94 BetrVG);
    (4) über Richtlinien zur Personalauswahl (§ 95 BetrVG);
    (5) in Fragen der Berufsausbildung (§ 98 BetrVG);
    (6) über die Auskunftserteilung an den Wirtschaftsausschuss (§ 109 BetrVG);
    (7) in einer Reihe organisatorischer Fragen des Betriebsverfassungsgesetzes z.B. Festlegung von Zeit und Ort der Sprechstunden des Betriebsrates.

    b) Freiwillige Einigungsstellen: Im Übrigen wird die Einigungsstelle nur tätig, wenn beide Seiten es beantragen oder mit ihrem Tätigwerden einverstanden sind (§ 76 VI BetrVG).

    5. Verfahren: In den Fällen der erzwingbaren Mitbestimmung (4a) wird die Einigungsstelle auf Antrag einer Seite tätig. Benennt eine Seite keine Mitglieder oder bleiben die von einer Seite genannten Mitglieder trotz rechtzeitiger Einladung der Sitzung fern, so wird ohne sie entschieden. Gesetzlich vorgeschrieben ist ansonsten für das Verfahren nur, dass die Beschlüsse nach mündlicher Beratung mit Stimmenmehrheit gefasst werden und sich der Vorsitzende zunächst der Stimme zu enthalten hat und erst an der Beschlussfassung teilnimmt, wenn eine Stimmenmehrheit nicht zustande gekommen ist (§ 76 III BetrVG). Ansonsten bestimmt die Einigungsstelle ihr Verfahren nach pflichtgemäßem Ermessen. Einzuhalten sind jedenfalls rechtsstaatliche Grundsätze wie die des rechtlichen Gehörs der Betriebsparteien vor der Einigungsstelle. Die Beratung selbst ist nicht öffentlich. Die Beschlüsse der Einigungsstelle sind unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen zu fassen und schriftlich niederzulegen und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

    6. Wirkung: In den Fällen der erzwingbaren Mitbestimmung (4a) ersetzt der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Betriebspartei, d.h. er hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. Bei freiwilligen Einigungsstellen (4b) ersetzt der Spruch der Einigungsstelle die Einigung der Betriebsparteien nur, wenn beide Seiten sich dem Spruch im Voraus unterworfen oder ihn nachträglich angenommen haben.

    7. Rechtsmittel: In den Fällen der erzwingbaren Mitbestimmung (4a) können Arbeitgeber oder Betriebsrat in einer Frist von zwei Wochen seit Zuleitung des Beschlusses der Einigungsstelle geltend machen, dass diese die Grenzen des Ermessens überschritten hat. Das kann dazu führen, dass der Spruch für unwirksam erklärt wird und ein neuer Beschluss gefasst werden muss. Allerdings ist der Ermessensspielraum der Einigungsstelle sehr groß. Jederzeit kann die Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle wegen Verkennung ihrer Zuständigkeit oder sonstiger Rechtsmängel geltend gemacht werden. Soweit nach anderen Vorschriften der Rechtsweg gegeben ist, wird er durch den Spruch der Einigungsstelle nicht ausgeschlossen.

    8. Die Kosten der Einigungsstelle trägt der Arbeitgeber. Der Vorsitzende und die Beisitzer der Einigungsstelle, die nicht dem Unternehmen angehören, haben gegen den Arbeitgeber Anspruch auf Vergütung. Eine Rechtsverordnung gemäß § 76a IV BetrVG über die Bemessung der Vergütung ist bislang nicht ergangen. Als üblich und angemessen ist anerkannt, dass die außerbetrieblichen Besitzer sieben Zehntel des dem Vorsitzenden zu zahlenden Honorars erhalten. Der Vorsitzende kann, wenn keine vorherige Vereinbarung erfolgt, ein Honorar nach billigem Ermessen verlangen. Ob sich dabei, wie vor der Einfügung des § 76a BetrVG anerkannt, das Honorar entsprechend der RVG am Streitwert ausrichten kann, ist nicht mehr unumstritten. Gebräuchlich ist jedenfalls eine nach üblichen Zeithonoraren der Rechtsanwälte bemessene Vergütung.

    II. Wettbewerbsrecht:

    Bei den Industrie- und Handelskammern errichtete Stellen zur Beilegung von Wettbewerbsstreitigkeiten durch Vergleich (Vollstreckungstitel nach § 797a ZPO), die auch nach Klageerhebung noch angerufen werden können. Anrufung unterbricht die Verjährung bis zur Beendigung des Einigungsverfahrens. Errichtung, Besetzung und Verfahren sind in § 15 UWG geregelt.

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