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Europäisches System der Zentralbanken (ESZB)

Definition: Was ist "Europäisches System der Zentralbanken (ESZB)"?

Zentralbanksystem der in der Europäischen Währungsunion (EWU) zusammengefassten Staaten, gegr. am 1.6.1998 als Nachfolgeorganisation des Europäischen Währungsinstituts (EWI), das zur Vorbereitung der Schaffung des ESZB ins Leben gerufen worden war. Das Zentralbanksystem besteht aus der Europäischen Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt a.M. und den nationalen Notenbanken der EWU-Mitgliedsstaaten (vgl. auch Europäische Währungsunion (EWU)).

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Inhaltsverzeichnis

    1. Institution und Organisation
    2. Ziele, Aufgaben und Strategie
    3. Instrumente
    4. Beurteilung

    Institution und Organisation

     

    Zentralbanksystem der in der Europäischen Währungsunion (EWU) zusammengefassten Staaten, gegr. am 1.6.1998 als Nachfolgeorganisation des Europäischen Währungsinstituts (EWI), das zur Vorbereitung der Schaffung des ESZB ins Leben gerufen worden war. Das Zentralbanksystem besteht aus der Europäischen Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt a.M. und den nationalen Notenbanken der EWU-Mitgliedsstaaten (vgl. auch Europäische Währungsunion (EWU)). Letztere verloren durch den Eintritt in das ESZB ihre geldpolitische Souveränität. Zentrales Entscheidungsgremium ist der EZB-Rat, welcher den grundsätzlichen geldpolitischen Kurs sowie den Einsatz der geldpolitischen Instrumente festlegt. Der EZB-Rat setzt sich gegenwärtig noch aus den Gouverneuren der Notenbanken aller EWU-Mitgliedsstaaten (Stand 1.3.2009: 16) sowie den Mitgliedern des Direktoriums der EZB zusammen. Das EZB-Direktorium besteht aus dem Präsidenten (seit 1.11.2003 Jean-Claude Trichet, als Nachfolger von Gründungspräsident Wim Duisenberg), dem Vizepräsidenten und vier weiteren Direktoren. Bei Abstimmungen in Rat und Direktorium gilt das einfache Mehrheitsprinzip, wobei jedem Mitglied gleiches Stimmrecht zukommt. Eine wesentliche Ausnahme ist die Entscheidung über den Zentralbankgewinn, bei der eine Zweidrittelmehrheit der gewichteten Stimmen der Notenbankgouverneure erforderlich ist.Um die Größe des wichtigen Entscheidungsgremiums EZB-Rat zu begrenzen und zu vermeiden, dass sich das Gewicht der mitgliedsstaatlichen Notenbankgouverneure zulasten des EZB Direktoriums bei weiteren Beitritten von EU-Staaten zur Eurozone erhöht, wird ab dem 19. Mitgliedsstaat der EWU ein Rotationssystem eingeführt. Es sind dann nicht mehr alle sondern maximal 18 Gouverneure der Notenbanken der Mitgliedsstaaten im EZB Rat stimmberechtigt vertreten. Da jedoch weiterhin alle EWU-Mitgliedsstaaten repräsentiert werden sollen, tritt ein Rotationssystem in Kraft. Dieses sieht vor, dass die EWU-Mitgliedsstaaten mit hohem ökonomischen Gewicht (gemessen an  der Einwohnerzahl und dem Bruttoinlandsprodukt) seltener rotieren und somit stärker repräsentiert sind als jene mit geringerem ökonomischen Gewicht.Der Prozess für die Aufnahme weiterer Mitglieder in die EWU ist in Form des Erweiterten EZB-Rates institutionalisiert, dem zusätzlich zu den Mitgliedern des EZB-Rates auch die Notenbankgouverneure der EU-Mitgliedsstaaten angehören, welche die Gemeinschaftswährung noch nicht eingeführt haben (Stand 1.3.2009: 11). Der Erweiterte EZB-Rat dient der Festlegung von Rahmenbedingungen, insbes. Wechselkursen bei Eintritt neuer Teilnehmer. Das ESZB ist bei seinen Entscheidungen von politischen Weisungen unabhängig (Art. 107 EG-Vertrag). Sowohl die Europäische Zentralbank als auch die nationalen Zentralbanken der Mitgliedsstaaten der Europäischen Währungsunion (EWU) müssen demnach unabhängig sein. Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Befugnisse darf weder die EZB noch eine mitgliedsstaatliche Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen einholen oder entgegennehmen. Diese institutionelle Unabhängigkeit wird durch eine personelle Unabhängigkeit der EZB-Ratsmitglieder ergänzt, welche bei den EZB-Direktoren durch lange Amtszeiten (5 - 8 Jahre), eine Begrenzung auf eine Amtszeit und einer Abberufung ausschließlich über den Europäischen Gerichtshof bei schweren Verfehlung gekennzeichnet ist. Die Notenbankgouverneure der Mitgliedsstaaten unterliegen im Detail abweichenden Regelungen, im Falle ihrer Abberufung können aber sowohl der betroffene Gouverneur als auch der EZB-Rat den Europäischen Gerichtshof anrufen. Hinzu kommen die instrumentelle Unabhängigkeit, d.h. das ESZB entscheidet selbst über Einsatz und Ausgestaltung geldpolitischer Instrumente, sowie die finanzielle Unabhängigkeit, die sich aus dem Emissionsmonopol der Zentralbank ergibt. Zudem ist es dem ESZB untersagt, Kredite an die öffentliche Hand zu gewähren (Finanzierungsverbot für Staatsschulden). Allerdings verfügt das ESZB nicht über die Unabhängigkeit, das Wechselkurssystem zu bestimmen (Art. 109 EU-Vertrag): Der Europäische Rat entscheidet hierüber nach Anhörung der Europäischen Zentralbank.

    Vgl. auch Unabhängigkeit der Zentralbank.

     

    Ziele, Aufgaben und Strategie


    Oberstes Ziel des ESZB ist die Gewährleistung der Preis(niveau)stabilität (Art. 105, Abs. 1 EU-Vertrag) (vgl. auch Inflation). Damit kommt insbes. der Sicherung des Binnenwertes der Währung bereits de jure ein übergeordnetes Gewicht zu. Eine Unterstützung der allgemeinen wirtschaftspolitischen Ziele der Gemeinschaft kommt für das ESZB nur in Betracht, wenn dies ohne Beeinträchtigung des Ziels der Preisniveaustabilität möglich ist. Die Aufgaben des ESZB bestehen darin, die Geldpolitik der Gemeinschaft festzulegen und auszuführen, Devisengeschäfte durchzuführen, die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedsstaaten zu halten und zu verwalten, sowie das reibungslose Funktionieren der Zahlungsströme zu fördern (Art. 105, Abs. 2 EU-Vertrag). Die Zielfestlegung des ESZB erfolgt in Form der Setzung eines normativen Preisniveauanstiegs, der als Definition von Preisniveaustabilität gilt (derzeit ist ein jährlicher Anstieg in Höhe von unter aber nahe 2 Prozent des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) vorgesehen). Geldpolitische Beschlüsse fasst das ESZB auf der Grundlage einer Analyse der Risiken der so definierten Preisniveaustabilität (Zwei-Säulen-Strategie). Dabei wird zum einen eine wirtschaftliche Analyse durchgeführt, bei welcher kurz- bis mittelfristige Risiken der Preisniveaustabilität auf der Grundlage der Einschätzung aktueller wirtschaftlicher Entwicklungen beurteilt werden. Hierbei finden auch Schocks, welche die Wirtschaft des Euroraums betreffen, sowie Projektionen maßgeblicher volkswirtschaftlicher Variablen (vorgelagerte Preisindizes, Rohstoffpreisentwicklung, Zinsen, Löhne und Gehälter, Wechselkurse, Konjunktur- und Wachstumsindikatoren usw.) Anwendung. Zum anderen erfolgt eine monetäre Analyse, die auf den quantitätstheoretischen Zusammenhang zwischen Geldmengen- und Preisniveauentwicklung abstellt (vgl. Geldtheorie). Dabei ermittelt und publiziert die EZB einen Referenzwert für die Geldmengenentwicklung, der sich aus der Zielinflationsrate, der mittelfristigen Wachstumsrate des Produktionspotenzials sowie der trendmäßigen Veränderung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zusammensetzt. Beide „Säulen“ der Analyse werden von der EZB als komplementär angesehen. Dabei soll die monetäre Analyse vor allem dazu dienen, die für die kurze und mittlere Frist gewonnenen Erkenntnisse aus der wirtschaftlichen Analyse aus mittel- bis langfristiger Perspektive zu überprüfen. Ein Automatismus zwischen der Entwicklung der im Rahmen der monetären Analyse verwendeten Indikatoren wie der Geldmenge und steuernden Eingriffen der EZB existiert damit nicht. Zu geldpolitischen Maßnahmen kommt es vielmehr nur dann, wenn die identifizierte Ursache der Abweichung vom Referenzwert der Geldmengenentwicklung eine Gefahr für die Preisniveaustabilität darstellt.

     

    Instrumente


    Dem ESZB steht eine Vielzahl von Instrumenten zur Verfügung, die sich in drei Gruppen untergliedern lassen: die Offenmarktpolitik, die ständigen Fazilitäten und die Mindestreservepolitik. 

    1. Offenmarktpolitik:
    Die Offenmarktpolitik des ESZB umfasst als Hauptrefinanzierungsinstrument sog. Wertpapierpensionsgeschäfte sowie ergänzend definitive Wertpapiergeschäfte, die Emission von Schuldverschreibungen, Devisenswapgeschäfte und die Hereinnahme von Termineinlagen.

    a) Befristete Transaktionen: Das Hauptrefinanzierungsinstrument der europäischen Geldpolitik sind sog. Wertpapierpensionsgeschäfte. Diese stellen Wertpapiertransaktionen mit Rückkaufverpflichtung dar und sind deshalb strikt befristet. Sie bestehen aus einem Kassageschäft und einem Termingeschäft, welche zeitgleich abgeschlossen werden. Beim Kassageschäft verpflichtet sich die Zentralbank (als Pensionsnehmer) ein Wertpapier (bspw. festverzinsliche Staatspapiere; Pensionsgegenstand) vorübergehend anzukaufen (in Pension zu nehmen) und der (verkaufenden) Geschäftsbank (Pensionsgeber) eine Gutschrift auf einem Zentralbankkonto zu gewähren. Das Termingeschäft verpflichtet die Geschäftsbank zur Rücknahme des Wertpapiers zu einem festgelegten Zeitpunkt und Preis. Der Rückkaufpreis liegt hierbei stets über dem Ankaufpreis, da er den Zinssatz (Preis) für die befristete Überlassung von Liquidität durch die Zentralbank an eine Geschäftsbank (Pensionssatz) enthält. Das ESZB verwendet dabei ein sog. Pfandpoolverfahren, bei welchem die in Pension genommenen Wertpapiere als Pool das zur Refinanzierung zur Verfügung gestellte Zentralbankgeld besichern und nicht etwa ein bestimmtes Papiere als Deckung eines bestimmten Geschäfts gekennzeichnet ist. Wertpapierpensionsgeschäfte können wahlweise als Mengentender oder als Zinstender zugeteilt werden. Beim Mengentender gibt die Zentralbank einen Zinssatz (Pensionssatz) vor und holt zu diesem Satz Mengengebote der Geschäftsbanken ein. Die Zentralbank teilt dann die von ihr vorgesehene Liquiditätsmenge durch die sog. Repartierung zu, das heißt alle Gebote der Geschäftsbanken werden anteilsmäßig berücksichtigt. Eine Geschäftsbank bekommt von ihrem Gebot den Prozentsatz zugeteilt, der sich aus der Relation der von der Zentralbank bestimmten Zuteilungsmenge zur Summe aller Gebote ergibt, so dass alle Gebote prozentual gleich berücksichtigt werden. Beim Zinstender gibt die Zentralbank keinen festen Zinssatz vor, sondern lediglich einen Mindestbietungssatz und holt kombinierte Mengen- und Zinsgebote ein. Die Gebote werden der gebotenen Zinshöhe nach in fallender Reihenfolge gestaffelt; der Pensionssatz ergibt sich nach dem gebotenen Zinssatz, bei welchem die vorgesehene Zuteilungsmenge gerade erreicht wird (Grenzzinssatz). Alle Gebote mit höherem Zinssatz werden in voller Höhe zugeteilt; die Gebote zum Grenzzinssatz werden repartiert. Beim amerikanischen Zinstender (s. hierzu amerikanisches Verfahren) zahlt jede Geschäftsbank den von ihr individuell gebotenen Zinssatz; beim holländischen Zinstender (s. hierzu holländisches Verfahren) zahlen alle Geschäftsbanken hingegen den Grenzzinssatz, der somit den Pensionssatz determiniert. Da Wertpapierpensionsgeschäfte Refinanzierungsgeschäfte darstellen, sind die potenziellen Geschäftspartner des ESZB auf Geschäftsbanken und Kreditinstitute beschränkt. Als Refinanzierungsgeschäft zielt dieses Instrument auf den kredittheoretischen Transmissionsmechanismus (vgl. Geldpolitik), das heißt die Zentralbank bestimmt die Konditionen der Refinanzierung der Geschäftsbanken und beeinflusst dadurch die Kreditkosten und somit über das Kreditvolumen die Giralgeldschöpfung. Das ESZB verwendet derzeit zwei Arten von Wertpapierpensionsgeschäften: Als Hauptrefinanzierungsinstrument dienen sehr kurzfristige Wertpapierpensionsgeschäfte mit einer Laufzeit von einer Woche. Sie werden wöchentlich ausgeschrieben. Das Ausschreibungsverfahren (sog. Standardtender) kann als Mengen- oder als (holländischer oder amerikanischer) Zinstender erfolgen. Der EZB-Rat hat in der Vergangenheit auch verschiedene Zuteilungsverfahren eingesetzt. Der große geldpolitische Vorteil dieses Instruments liegt in seiner hohen Flexibilität: Dadurch, dass jede Woche das gesamte Refinanzierungsvolumen dieser Geschäfte neu konditioniert werden kann, ist es der Zentralbank möglich, sehr schnell auf Änderungen in den geldpolitischen Indikatoren zu reagieren und somit schnell auf beginnende inflatorische Prozesse zu reagieren. Darüber hinaus führt das ESZB regelmäßig längerfristige Wertpapierpensionsgeschäfte durch, welche für eine dreimonatige Laufzeit ausgeschrieben werden. Diese Geschäfte werden monatlich durchgeführt, wobei der EZB-Rat auch hier verschiedene Zuteilungsverfahren zum Einsatz bringt. Diese Geschäfte dienen einer Verstetigung der Geschäftsbankenrefinanzierung als Ergänzung zu den kurzfristigen Geschäften; sie sind quantitativ aber weniger bedeutend als die wöchentlichen Geschäfte. Im Zuge der Subprime-Krise hat sich hier jüngst allerdings eine gewisse (temporäre?) Verschiebung der Gewichte zugunsten der längerfristigen Geschäfte ergeben.Zusätzlich behält sich das ESZB vor, ergänzende Feinsteuerungsmaßnahmen in Form unregelmäßiger, in der Laufzeit nicht standardisierter Wertpapierpensionsgeschäfte zu ergreifen. Diese Sondergeschäfte dienen dazu, die Steuerungsfähigkeit der Zentralbank in geldpolitischen Problemlagen zu verstärken. Dementsprechend hat der EZB-Rat im Laufe der Finanzkrise ungewöhnlich häufig auf diese nicht standardisierten Geschäfte zurückgegriffen.

    b) Definitive Transaktionen: Bei definitiven Transaktionen kauft oder verkauft die Zentralbank Wertpapiere ohne Rückkaufverpflichtung, dabei wird bei Wertpapierkäufen Geld in den Umlauf gebracht, während bei Wertpapierverkäufen dem Markt Liquidität entzogen wird. Das ESZB setzt dieses Instrument unregelmäßig ein, wobei die Wahl der Geschäftspartner in der Regel nicht begrenzt ist. Definitive Wertpapiergeschäfte des ESZB dienen generell der Beeinflussung der strukturellen Liquidität und können in Ausnahmefällen auch zur Feinsteuerung eingesetzt werden. Sie zielen auf den vermögenstheoretischen Transmissionsmechanismus (vgl. Geldpolitik). 

    c) Emission von EZB-Schuldverschreibungen: Zur (längerfristigen) strukturellen Beeinflussung der Liquidität kann der EZB-Rat regelmäßig oder unregelmäßig Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von unter 12 Monaten emittieren. Diese dienen der Liquiditätsabschöpfung und werden als Standardtender ausgeschrieben, wobei nur Geschäftsbanken als Geschäftspartner zugelassen sind.

    d) Devisenswapgeschäfte: Das ESZB setzt zur ergänzenden Feinsteuerung der Liquidität und der Zinssätze am Markt fallweise Devisenswapgeschäfte ein. Dabei kauft (verkauft) das ESZB von (an) Geschäftsbanken Devisen (Fremdwährung) und vereinbart gleichzeitig einen späteren Rückverkauf (Rückkauf) zu einem festgelegten Datum und zu festgelegten Konditionen. Somit stellen auch Devisenswapgeschäfte befristete Transaktionen dar; sie sind jedoch bezüglich ihrer Laufzeit nicht standardisiert. Der Rückverkaufspreis (Rückkaufspreis) enthält den Swapsatz (Differenz zwischen Termin- und Kassakurs), der den Preis des Geschäftes darstellt. Werden durch die Zentralbank per Rückkaufverpflichtung Devisen angekauft, so wird den Geschäftsbanken befristet Liquidität zur Verfügung gestellt; bei befristeten Devisenverkäufen wird dem Markt vorübergehend Liquidität entzogen. Neben der europäischen Geldmenge wird durch Devisenswapgeschäfte auch der Wechselkurs des Euro beeinflusst, weswegen dieses Instrument in Abstimmung mit den wechselkurspolitischen Erfordernissen einzusetzen ist.

    e) Hereinnahme von Termineinlagen: Das ESZB kann den Geschäftsbanken die Hereinnahme verzinslicher Termineinlagen anbieten und damit Liquidität abschöpfen. Je höher der angebotene Zins ist, umso attraktiver ist das Angebot und umso stärker werden die freien Liquiditätsreserven der Geschäftsbanken verringert, so dass steigende Termineinlagenzinsen der Zentralbank eine inflationsbekämpfende Maßnahme darstellen. Dieses Instrument ist nicht standardisiert und wird unregelmäßig eingesetzt. Es dient vornehmlich der Verstärkung der ESZB-Politik in problematischen geldpolitischen Situationen (vgl. bspw. Subprime-Krise).

    2. Ständige Fazilitäten
    Diese umfassen Einlagen- und Spitzenrefinanzierungsfazilität. Die Zinssätze dieser beiden Fazilitäten bilden den Zinskorridor für den Tagesgeldmarkt. Die Obergrenze wird durch die Spitzenrefinanzierungsfazilität gesetzt, die der Liquiditätsbereitstellung für die Geschäftsbanken dient. Die Liquidität wird entweder über bilaterale Pensionsgeschäfte oder in Form von Beleihungsgeschäften (Lombardgeschäfte) bereitgestellt. Die Einlagenfazilität dient dagegen der Liquiditätsabschöpfung und stellt die Zinsuntergrenze am Tagesgeldmarkt dar. Die Laufzeit der beiden Fazilitäten beträgt einen Geschäftstag, wobei die Anträge zu Beginn der Tagesabschlussarbeiten vorliegen müssen, man spricht deshalb auch von Übernachtfazilitäten. Die Zinssätze der Einlagenfazilität, der kurzfristigen Wertpapierpensionsgeschäfte und der Spitzenrefinanzierungsfazilität gelten als Leitzinsen. Seit Beginn ihrer Tätigkeit hat der EZB-Rat den Abstand zwischen diesen drei Zinssätzen bei einem Prozentpunkt belassen, wobei der Zins in der aufgezählten Reihenfolge ansteigt.

    3. Mindestreservepolitik
    Der EZB-Rat hat im Juli 1998 beschlossen, eine marktgerecht verzinste Mindestreservepflicht für die Geschäftsbanken einzuführen (vgl. auch Mindestreserve). Die Mindestreserveverzinsung erfolgt dabei zum jeweils gültigen Zinssatz der kurzfristigen Wertpapierpensionsgeschäfte. Für die Einrichtung einer Mindestreserve wurden drei Begründungen genannt. Erstens soll die Mindestreserve als Instrument einer Grob- oder Niveausteuerung zu einer Stabilisierung der Geldmarktzinssätze beitragen. Zweitens steigert bzw. sichert die Mindestreserve die Zentralbankgeldnachfrage der Geschäftsbanken und soll damit eine effiziente und wirksame Steuerung der Geschäftsbankenliquidität (kredittheoretischer Transmissionsmechanismus) sicherstellen bzw. ermöglichen. Drittens steigert die Mindestreserve die Zinselastizität der Geldnachfrage. Das ESZB hat bisher keine aktive Mindestreservepolitik betrieben, d.h. die Mindestreservesätze werden nicht als Teil des geldpolitischen Tagesgeschäfts zur Steuerung eingesetzt.

     

    Beurteilung


    Im Laufe ihrer erst gut zehnjährigen Existenz hat sich das ESZB zu einer der bedeutendsten Zentralbanken in der Welt entwickelt und eine hohe Reputation für eine stabilitätsorientierte und verlässliche Geldpolitik erworben. So konnte im ersten Jahrzehnt in der Eurozone die durchschnittliche Inflationsrate im Vergleich zur letzten Vor-Euro-Dekade mehr als halbiert werden. Eine signifikante Verringerung um ca. 1 Prozentpunkt lässt sich dabei auch für Deutschland feststellen. Im internationalen Vergleich konnten - beispielsweise gegenüber den USA - in den 2000er-Jahren niedrige Inflationsraten realisiert werden, was sich auch in einem spürbaren Anstieg des Außenwertes des Euro niedergeschlagen hat. Während 2002 noch etwa eine Parität im Wechselkurs des Euro zum US-Dollar vorlag, kostete eine Euro in den Jahren 2004-2008 stets über 1,15 US-Dollar bis hin zum historischen Höchststand von 1,59 US-Dollar im Juli 2008 (EZB-Referenzkurse). Der Euro hat sich trotz seiner noch jungen Geschichte zu einer der beiden wichtigsten Handels- und Reservewährungen der Welt, teilweise auf gleicher Höhe mit dem US-Dollar, entwickelt. Dennoch lag der Anstieg des Preisniveaus in der Eurozone seit Gründung der EZB verschiedentlich über der normativen Inflationsrate von knapp unter 2 Prozent. Zum Teil waren diese Zielverfehlungen einem nicht-monetären Kostendruck, insbesondere aufgrund steigender Rohstoffpreise geschuldet. Allerdings sind seit 2001 auch immer wieder große positive Abweichungen von der Zielvorgabe des Geldmengenwachstums zu beobachten, die Kritiker langfristig das Entstehen eines stabilitätsgefährdenden monetären Überhangs befürchten lassen. Die heterogenen Bedingungen in der Eurozone führten zudem auch dazu, dass sich aufgrund nationaler Gegebenheiten nennenswerte Abweichungen bei den Inflationsraten der EWU-Mitgliedsstaaten ergaben, und zwar auch dann, wenn sich die durchschnittlichen Inflationsraten innerhalb des normativen Preisniveauanstiegs bewegten. In jüngster Zeit (2008-2009) stellt sich der europäischen Geldpolitik im Zuge der Finanzkrise eine neue große Herausforderung. So sieht sich die EZB einerseits gezwungen, mit zusätzlicher Liquidität den Bankensektor zu stabilisieren, andererseits muss sie aufpassen, mit der damit verbundenen Geldmengenausweitung nicht mittelfristig Inflationstendenzen zu begünstigen. So hat der EZB-Rat die Leitzinsen deutlich auf 1,00 Prozent (Einlagenfazilität), 2,00 Prozent (Mindestbietungssatz der Hauptrefinanzierungsgeschäfte) und 3,00 Prozent (Spitzenrefinanzierungsfazilität) gesenkt (seit 21.1.2009; Stand: 28.2.2009). Zudem ist seit 2007 ein drastischer Zuwachs an zusätzlichen Interventionen mit Hilfe nicht-standardisierter Instrumente (zusätzliche Pensionsgeschäfte, Hereinnahme von Termineinlagen) zu beobachten. Waren es zwischen 1999 und 2006 im Mittel 4,1 Interventionen mit einem durchschnittlichen Volumen von etwa 66,5 Mrd. Euro pro Jahr, so waren es 2007 und 2008 je 24 Interventionen und das durchschnittliche Jahresvolumen betrug gut 1,500 Mrd.Euro.

    Vgl. hierzu auch Finanzkrise, Subprime-Krise.

    In der Fachwelt wird grundsätzlich kritisch betrachtet, dass das ESZB - ebenso wie zuvor die Deutsche Bundesbank - nicht über eine Wechselkurskompetenz gegenüber Drittwährungen verfügt, denn diese ist beim Rat der Europäischen Union angesiedelt (Art. 109 des EG-Vertrages). Hiermit wird dem Ministerrat grundsätzlich die Möglichkeit eingeräumt, durch eine internationale Festlegung der Wechselkurse die Unabhängigkeit der Notenbank zu unterlaufen. Allerdings sind derartige Entwicklungen gegenwärtig nicht abzusehen.

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