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Grundsteuer
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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erhoben als Realsteuer mit dem Charakter einer Substanzsteuer auf landwirtschaftliche, gewerbliche und Wohn-Grundstücken.
I. Rechtsgrundlagen:
Grundsteuergesetz (GrStG) vom 7.8.1973 (BGBl I 965) mit späteren Änderungen.
II. Steuergegenstand:
der Grundbesitz, also Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, Grundstücke und Betriebsgrundstücke (§ 2 GrStG).
Befreit sind u.a. Grundbesitz der öffentlichen Hand, Grundbesitz, der vom Bundeseisenbahnvermögen für Verwaltungszwecke genutzt wird, von Religionsgemeinschaften und Grundbesitz, der unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken oder den Zwecken der Wissenschaft, der Erziehung, des Unterrichts oder dem Zweck einer Krankenanstalt dient (§ 3 GrStG). Weitere Befreiungen gemäß § 4 GrStG. Die unter bestimmten Umständen gewährte Befreiung neu geschaffener Wohnungen in den neuen Bundesländern gemäß § 43 GrStG lief am 31.12.2001 aus.
III. Steuerschuldner:
der wirtschaftliche Eigentümer des Steuergegenstandes bzw. bei Erbbaurechten der Inhaber dieses Rechts für die Grundsteuer auf das belastete Grundstück. Bei mehreren wirtschaftlichen Eigentümern sind diese Gesamtschuldner (§ 10 GrStG).
Sekundär haften ggf. der Nießbraucher und i.d.R.
zeitlich begrenzt
der Erwerber (§ 11 GrStG). Der Steuergegenstand haftet dinglich; Steuerforderungen der Steuerbehörde können ohne weiteren Titel im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden.
IV. Steuerberechnung:
1. Bemessungsgrundlage ist der gemäß BewG für den Steuergegenstand festgestellte Einheitswert zu Beginn des jeweiligen Kalenderjahres, in den neuen Bundesländern auch der Einheitswert des Jahres 1935, die Wohn- oder die Nutzfläche (§§ 41, 42 GrStG).
2. Ermittlung des Steuermessbetrages durch Anwendung eines Tausendsatzes (Steuermesszahl; § 13 GrStG) auf den Einheitswert oder seinen steuerpflichtigen Teil. Die Steuermesszahlen betragen:
(1) allgemein: 3,5 Promille (§ 15 GrStG);
(2) für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft 6 Promille;
(3) für Einfamilienhäuser 2,6 Promille für die ersten 38.346,89 Euro, 3,5 Promille für den Rest des Einheitswertes oder seinen steuerpflichtigen Teil;
(4) für Zweifamilienhäuser 3,1 Promille. Bei Bemessung der Steuer nach der Wohn- oder Nutzfläche (in den neuen Bundesländern als Ersatzbemessungsgrundlage denkbar, s.o.) beträgt die Steuer bei einem Hebesatz von 300 Prozent für bestimmte Wohnungen 1 Euro/m2, für andere 0,75 Euro/m2 (§ 42 GrStG). Bei anderen Hebesätzen entsprechende Anpassung der Beträge.
3. Ermittlung der Grundsteuer durch Anwendung eines Hebesatzes auf den Steuermessbetrag, der von einer Gemeinde für die in ihrem Gebiet liegenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebe (Grundsteuer A) und die dort liegenden Grundstücke (Grundsteuer B) festzusetzen ist (§ 25 GrStG).
4. Grundsteuererlass: Die Grundsteuer wird wegen wesentlicher Ertragsminderung teilweise erlassen, wenn bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft und bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag um mehr als 50 Prozent gemindert ist (ohne Verschulden des Eigentümers): In diesem Fall wird die Grundsteuer in Höhe von 25 Prozent erlassen. Beträgt die Minderung des normalen Rohertrags 100 Prozent, ist die Grundsteuer in Höhe von 50 Prozent zu erlassen (§ 33 GrStG). Der Erlassantrag ist an die Gemeinde bis zum 31. März des Folgejahres zu stellen. Nach aktueller Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Erlass auch bei dauerhaftem, struktuellem Leerstand möglich mit Ausnahme, dass der Eigentümer den Leerstand selbst zu verantworten hat. Die Grundsteuer kann auch erlassen werden für Kulturgüter und Grünanlagen (§ 32 GrStG).
V. Verfahren:
1. Der Steuermessbetrag wird vom Lagefinanzamt (§§ 18, 22 AO) durch Steuermessbescheid festgestellt. Er gilt von dem Kalenderjahr an, das zwei Jahre nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt beginnt (§ 16 GrStG), grundsätzlich sechs Jahre; in der Zwischenzeit ist anknüpfend an fortgeschriebenen oder nachfestgestellten Einheitswert Neu- oder Nachveranlagung möglich.
2. Nach Mitteilung des Steuermessbetrages setzt die zuständige Gemeinde die Grundsteuer durch Steuerbescheid fest.
3. Entrichtung (§ 28 GrStG): vierteljährlich jeweils am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November; Sonderregeln für Kleinbeträge bis zu 30 Euro oder auf Antrag des Steuerschuldners.
Bis zur Bekanntgabe eines neuen Steuerbescheides sind zu den bisher maßgebenden Zahlungszeitpunkten Vorauszahlungen unter Zugrundelegung der zuletzt festgesetzten Jahressteuerschuld zu entrichten (§ 29 GrStG); nach Bekanntgabe eines neuen Bescheids werden diese abgerechnet (§ 30 GrStG).
4. Erlass: Grundsteuererlass.
VI. Finanzwissenschaftliche Beurteilung:
1. Uneinheitlichkeit in der Steuerart: a) Die Grundsteuer ist eine Art Sondervermögensteuer auf den Grundbesitz.
b) Ist sie für die Grundstücke der Betriebe und des Grundvermögens im Wohnungswesen eine echte Grundsteuer, so ist sie für die Land- und Forstwirtschaft demgegenüber eine Gesamtbetriebsteuer, fast in einer Art Gewerbesteuer. Sie erfasst Wohnungswert und Wirtschaftswert.
2. Steuertechnik (kompliziert): a) Die zunächst erfolgende Bildung der Einheitswerte ist für die Grundvermögensarten und Grundstücke unterschiedlich:
(1) Für land- und forstwirtschaftliche Betriebe wird der Wirtschaftswert (§ 46 BewG) als Ertragswert ermittelt, der Wohnungswert nach den Bewertungsgrößen für Wohngrundstücke minus einem Abschlag von 15 Prozent (§ 47 BewG).
(2) Beim Grundvermögen des Wohnungswesens werden unbebaute Grundstücke mit dem gemeinen Wert angesetzt, bebaute Grundstücke nach dem Sachwertverfahren oder Ertragswertverfahren bewertet (§ 76 BewG). In letzterem wird die „Jahresrohmiete” mit bestimmten „Vervielfältigern” multipliziert, die nach Gemeindegröße, Bauausführung, Bauart, Grundstücksart und Baujahr äußerst differenziert gestaffelt sind und zwischen den Extremen 4,5 und 13,5 liegen.
(3) Betriebsgrundstücke sind nach den Bewertungsregeln zu bewerten, Fabrikgebäude nach dem Sachwertverfahren.
b) Verwendung willkürlich gebildeter „Steuermesszahlen”: §§ 13–15 GrStG.
3. Generelle Unterbewertung des Grundvermögens und spezielle Unterbewertung für die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe: a) Noch heute werden die 1964 errechneten Einheitswerte angesetzt (in den neuen Bundesländern sogar Anwendung der 1935 berechneten Einheitswerte). Der 1974 verfügte Aufschlag von 40 Prozent auf die Werte von 1964 gilt für die Vermögens- und die Erbschaftsbesteuerung, nicht aber für die Grundsteuer. Diese Bevorzugung des Grundvermögens vor anderen Vermögensarten gilt als nicht allokationsneutral und hat die bekannte „Flucht ins Betongold” hervorgerufen.
b) Darüber hinaus erfolgt eine Bevorzugung der Land- und Forstwirtschaft:
(1) Durch den 15-prozentigen Abschlag auf den Wohnwert und
(2) durch das Festhalten an den Bodenwertschätzungen von 1934 für den Anbauboden; demnach liegen die für die steuerliche Bewertung maßgeblichen Reinerträge bei nur ca. 10 Prozent der Verkehrswerte.
4. Wohnungsbaupolitisch motiviert ist die Begünstigung der Ein- und Zweifamilienhäuser durch Ansatz niedrigerer Steuermesszahlen.
5. Das Verteilungsziel dürfte verletzt sein, wenn die Eigentümer der begünstigten Ein- und Zweifamilienhäuser den einkommensstarken Schichten angehören.
6. Die Grundsteuer ist weitgehend eine Sollertragsbesteuerung: a) Bei bebauten Grundstücken wird
(1) die Sollmiete statt der tatsächlich erzielten angesetzt und
(2) ein Vervielfältiger verwendet, der die Grundstücke unabhängig von den erzielten Mieten klassifiziert.
b) Beim Sachwertverfahren gibt es ebenfalls normierte Berechnungen und Pauschalierungen.
7. Eine Steuerhäufung ergibt sich durch die gleichzeitige Belastung von Vermögen und dessen Erträgen mit Grundsteuer und Einkommensteuer.
8. Als Gemeindesteuer ist die Grundsteuer geeignet (Gemeindesteuersystem):
(1) Sie ist kaum konjunkturreagibel;
(2) sie ist eine örtlich radizierbare Steuer;
(3) sie ist merklich und kann daher eine unmittelbare Beziehung zwischen Steuerzahler und Gemeinde herstellen;
(4) zur Hebesatzautonomie: Gewerbebesteuerung und Gewerbesteuer;
(5) fiskalisch ist die Grundsteuer wegen der vielfältigen Unterbewertungen nicht sonderlich ergiebig; sie erbringt durchschnittlich 15 Prozent der Gemeindesteuern i.w.S.
9. Reform: a) Sobald eine Wertschöpfungsteuer eingeführt werden sollte, wird die Grundsteuer abgeschafft.
b) Für eine weiter bestehende Grundsteuer ist die stets verlangte und verschleppte Neubewertung des gesamten Grundvermögens unabdingbar; ihre Realisierung dürfte an den politischen Widerständen und verwaltungstechnischen Schwierigkeiten vermutlich scheitern.
VII. Aufkommen:
10.602 Mio. Euro (2006), 9.658 Mio. Euro (2003), 9.261 Mio. Euro (2002), 9.075,8 Mio. Euro (2001), 8.848,9 Mio. Euro (2000), 7.027,2 Mio. Euro (1995), 4.460,3 Mio. Euro (1990), 3.765 Mio. Euro (1985), 2.967 Mio. Euro (1980), 2.122 Mio. Euro (1975), 1.372 Mio. Euro (1970), 1.079 Mio. Euro (1965), 834 Mio. Euro (1960), 704 Mio. Euro (1955), 598 Mio Euro (1950).
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