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postkeynesianische Verteilungstheorie

Definition: Was ist "postkeynesianische Verteilungstheorie"?

Postkeynesianer lehnen die traditionelle Grenzproduktivitätstheorie der Verteilung zur allgemein gültigen Erklärung von Verteilungsgesetzen ab.

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    1. Grundgedanke: Postkeynesianer halten die traditionelle Grenzproduktivitätstheorie der Verteilung zur allgemeingültigen Erklärung von Verteilungsgesetzen für fehlkonstruiert, da diese auf einem unhaltbaren Kapitalbegriff basiert (Kapitaltheoretische Kontroverse). Das gilt für die Partialanalyse, deren Vorgehensweise im Rahmen des neoklassischen Paradigmas häufig umstandslos auf die Gesamtwirtschaft übertragen werden, aber auch für die Ableitung der Einkommensverteilung im generellen mikroökonomischen Totalmodell.

    2. Theoretische Basis der postkeynesianischen Verteilungstheorien: Im Rahmen der postkeynesianischen Wirtschaftstheorie sind verschiedenartige Beiträge zur Verteilungstheorie entstanden, die zentrale Elemente der Theorie von John Maynard Keynes aufnehmen. Dazu gehören v.a. die Mechanismen, die in der von Keynes aufgeführten Metapher vom „Krug der Witwe“ zum Ausdruck kommen. Dies ist zum einen die Auffassung, dass die Ausgaben, die von den Unternehmen als Investitionen getätigt werden, ihnen wieder als Einnahmen zurückfließen. Dies bedeutet, dass die Unternehmerschaft als Ganzes es selbst in der Hand hat, durch Festlegung ihrer Ausgaben über ihre Einkommen zu entscheiden („Capitalists earn what they spend, and workers spend what they earn“). Zum anderen verbindet sie der Bezug auf den zentralen Kern der keynesianischen Theorie, nämlich die Feststellung, dass die Investitionen unabhängig von der geplanten Ersparnis sind und sich letztere über den Multiplikatorprozess an erstere anpassen.

    3. Kreislauftheorie der Verteilung: Als Prototyp der postkeynesianischen Verteilungstheorie gilt das Verteilungsmodell von Nicholas Kaldor aus den 1950er-Jahren, das als Kreislauftheorie der Verteilung bezeichnet wird. Kaldor behandelt die Einkommensverteilung im Zusammenhang mit seiner Wachstumstheorie. Zentraler Baustein ist dabei die Annahme von unterschiedlich hohen einkommensspezifischen Sparquoten, wobei die Sparquote aus Profit- größer ist als die aus Lohneinkommen. Unter dieser und weiteren Voraussetzungen wird die quotale Einkommensverteilung gemäß der bekannt gewordenen Kaldor-Formel der Einkommensverteilung bestimmt.

    4. Monopolgradtheorie der Verteilung: Auch die von Michal Kalecki entwickelte Version einer Monopolgradtheorie der Verteilung kann zur postkeynesianischen Verteilungstheorie gezählt werden. Kalecki berücksichtigte in seinem Ansatz, dass es Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen am Produktionsprozess beteiligten Gruppierungen um die Verteilung des Einkommens gibt. Die Einkommensverteilung wird in diesem Ansatz durch die relativen Kräfteverhältnisse der Konfliktparteien mit beeinflusst.

    5. Ergebnis: a) Die Verteilung ist in postkeynesianischen Verteilungstheorien, soweit sie auf Kalecki aufbauen, in Grenzen beeinflussbar, bevor ökonomische Gegenkräfte auftreten. Einkommensunterschiede sind weder naturgegeben noch ökonomische Fakten. Sie sind vielmehr sowohl das Ergebnis sozialer und politischer Bedingungen und Entscheidungen als auch der Dynamik des Marktes.
    b) Da der Markt allein nicht in der Lage ist, Verteilungsfragen zu lösen und da Wechselwirkungen zwischen Verteilung, Beschäftigung, Investitionen und Wachstum bestehen, ist für Postkeynesianer eine Einkommenspolitik von essenzieller Bedeutung. Dabei ist Einkommenspolitik umfassend (in keinem Fall also zu verwechseln mit bekannten preisstabilisierenden Lohnregeln) und allg. zu verstehen. Sie erfasst alle Einkommen, nicht nur die Lohneinkommen, und lässt sich nicht unabhängig von der Investitionspolitik rechtfertigen. Voraussetzung für eine Erfolg versprechende Einkommenspolitik ist ein Konsens der Gruppen über die Verteilung. Die so charakterisierte Einkommenspolitik ist integraler Bestandteil einer allg. Konjunktur- und Wachstumspolitik.
    c) Postkeynesianische Verteilungstheorien zeichnet aus, dass der Modellrahmen der postkeynesianischen Analyse für die Entwicklung einer Verteilungstheorie geeignet ist, die über den engen Marktrahmen hinausgeht und die Einflüsse von institutionellen, soziologischen und politischen Aspekten mitberücksichtigt. Dies unterscheidet sie vom in dieser Hinsicht geschlossenen neoklassischen Paradigma. Die postkeynesianischen makroökonomischen Modelle besitzen prinzipiell einen Freiheitsgrad, der wie bei den Klassikern durch die Verteilung geschlossen werden kann.

    6. Schlussfolgerungen: Verteilungsfragen sind auf allen Ebenen notwendigerweise im konjunktur- und wachstumspolitischen Zusammenhang zu stellen. Vielfältige Aspekte (bezüglich der Zielsetzungen, Zielkonflikte und Wirkungszusammenhänge) erschweren die Analyse. Hinzu kommt angesichts des Standes der weltwirtschaftlichen Integration die Notwendigkeit, außenwirtschaftliche Zusammenhänge in die Analyse mit einzubeziehen.

    Vgl. Verteilungstheorie, Keynes-Kaldor-Verteilungstheorie.

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