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Sozialpolitik der Europäischen Union
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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1. Rechtsgrundlagen: Sozialpolitische Zielsetzungen enthielt bereits der 1952 in Kraft getretene Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Der Vertrag über die Gründung der EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) - EWGV - bezeichnete sowohl in seiner Präambel als auch in den Art. 2 und 3 die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeitnehmer in der Gemeinschaft als eines der Integrationsziele. Heute bilden v.a. die Art. 136–150 EGV (Art. 151-166 AEUV) die Rechtsgrundlage für sozialpolitische Aktionen der EU. Mit dem Amsterdamer Vertrag wurde ein eigenes Beschäftigungskapitel (Art. 125–130 EGV, Art. 145-150 AEUV) eingeführt. Durch eine koordinierte Beschäftigungsstrategie sollen demnach ein hohes Beschäftigungsniveau, Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Zusammenhalt gefördert werden. Die Bedeutung der Beschäftigungspolitik ist mit der Annahme der Lissabon-Strategie im Jahre 2000 und ihrer Neuauflage im Jahre 2005 weiter gestiegen.
2. Grundsätzlich liegt die Zuständigkeit für die Sozialpolitik jedoch vorläufig auch weiterhin bei den einzelnen Mitgliedsstaaten; die Rolle der Union im Bereich der Sozialpolitik besteht gegenwärtig primär darin, auf eine möglichst enge Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten in sozialen Fragen hinzuwirken sowie unter bestimmten Voraussetzungen ergänzende finanzielle Hilfestellungen zu gewähren. Zentrales sozialpolitisches Finanzinstrument der Gemeinschaft ist der Europäische Sozialfonds (ESF).
3. Entwicklung: Den faktischen Beginn einer EU-Sozialpolitik stellt das vom Ministerrat (heute: Rat der Europäischen Union) 1974 verabschiedete erste Soziale Aktionsprogramm dar. Durch das Inkrafttreten der EEA (Einheitliche Europäische Akte) sind die sozialpolitischen Zuständigkeiten der Gemeinschaft nur sehr begrenzt ausgeweitet worden. Seitdem kann der Ministerrat auf Vorschlag der Europäischen Kommission mit qualifizierter Mehrheit und im Zusammenwirken mit dem Europäisches Parlament Mindestvorschriften zum Schutz der Sicherheit und der Gesundheit am Arbeitsplatz erlassen (Art. 138 EGV, Art. 154 AEUV). Im Dezember 1989 wurde vom Europäischen Rat die sog. EU-Sozialcharta beschlossen. Weil sich Großbritannien auch im Zuge der Aushandlung des Vertrags über die EU weigerte, die Etablierung einer echten gemeinsamen Sozialpolitik zu akzeptieren, beschloss der Europäische Rat vom Dezember 1991 (Maastricht), die bereits im Gemeinschaftsrecht existierenden sozialpolitischen Bestimmungen fortbestehen zu lassen und dem EU-Vertrag ein Protokoll über die Sozialpolitik hinzuzufügen, das es den übrigen Mitgliedsstaaten erlaubt, die Institutionen und Verfahren der Union für eine gemeinschaftliche Sozialpolitik zunächst unter Ausklammerung Großbritanniens (seit 1998 akzeptiert auch Großbritannien die einschlägigen Sozialbestimmungen des EGV) zu nutzen. Fragen des Arbeitsentgelts, des Streik- und Aussperrungsrechts sowie weitere Bereiche des Arbeitsrechts sind weiterhin in der Kompetenz der Mitgliedsländer.
4. Bedeutung: Beschlüsse nach Maßgabe der Bestimmungen des Sozialprotokolls bedürfen der Einstimmigkeit jener Mitgliedsstaaten, die diesem Protokoll zugestimmt haben. Insgesamt gesehen begründen das primäre Gemeinschaftsrecht sowie die Existenz der Sozialcharta und des Sozialprotokolls zum EU-Vertrag allenfalls ansatzweise das Bestehen einer echten gemeinschaftlichen Sozialpolitik. Denn auch die in Amsterdam im Hinblick auf die EWU vereinbarte Reform des Beschäftigungstitels (Art. 125–130 EGV, Art. 145-150 AEUV) ändert grundsätzlich nichts an den vorrangig nationalen Zuständigkeiten in der Sozial- und Beschäftigungspolitik; es verpflichtet die Mitgliedsstaaten lediglich „auf die Förderung der Qualifizierung, Ausbildung und Anpassung der Arbeitnehmer” (Art. 125 EGV, Art. 145 AEUV).
5. Instrumente: Seit dem Beginn der europäischen Integration hatte die EU auch das Ziel durch Kooperation und ergänzende Maßnahmen auf europäischer Ebene, den sozio-ökonomischen Wandel zu begleiten und den sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Eine Reihe von Instrumenten und Mechanismen unterstützen diese Ziele: Wichtige europäische Gesetze wurden z.B. für die Bereiche Gesundheit und Schutz am Arbeitsplatz, Gleichberichtigung sowie Anti-Diskriminierung angenommen. Die Europäische Beschäftigungsstrategie hat als Säule der erneuerten Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung gemeinsame EU Ziele und Prioritäten aufgestellt und sichert die Koordinierung der Beschäftigungspolitiken in der EU. Der Europäische Sozialfonds (ESF) und der Europäische Globalisierungsanpassungsfonds (EGF) helfen dabei, dass Menschen in Arbeit bleiben oder neue Arbeit finden können. Der ESF unterstützt im Jahr ca. 9 Mio. Arbeitnehmer. Alleine im Jahr 2009 stehen 10,8 Mrd. Euro aus dem ESF zur Verfügung. Der ESF kann auf krisenbedingte Bedürfnisse reagieren. Weitere Vereinfachungen sowie vorgezogene Zahlungen in Höhe von 1,8 Mrd. Euro wurden beschlossen. Der EGF ist so angepasst worden, dass nun auch krisenbedingte Entlassungen abgefedert werden können und die Kofinanzierung durch die Gemeinschaft erhöht worden ist. Außerdem sind die auf EU-Ebene angenommenen Flexicurity-Prinzipien ein wichtiger Rahmen, der es unter anderem erlaubt, interne Flexibilität und Sicherheit etwa durch Kurzarbeit bei gleichzeitiger Fortbildung zu erhalten, so dass die Arbeitgeber die Kosten von Entlassungen und Neueinstellungen sparen können. Das Europäische Beschäftigungsportal EURES hilft Arbeitsuchenden einen Job in einem anderen europäischen Land zu finden. Auch hilft die EU, die nationalen Anstrengungen für aktive Arbeitsmarktintegration, lebenslanges Lernen und die Bekämpfung von Armut sowie bei der Modernisierung der Sozialschutzsysteme zu koordinieren. Die sog. "New Skills for New Jobs"-Initiative zielt darauf ab, zukünftige Qualifikationserfordernisse rechtzeitig zu erkennen, die Bildungs- und Ausbildungssysteme darauf auszurichten und Angebot und Nachfrage auf dem europäischen Arbeitsmarkt besser zusammenzuführen. Die EU garantiert weiterhin, dass der Binnenmarkt als wichtigste Wohlstandsquelle Europas reibungslos funktioniert. Dank des Binnenmarkts können Arbeitnehmer und Dienstleistungen
bei gleichzeitigem Schutz der Arbeitnehmerrechte - frei zirkulieren und qualitativ hochwertige, zugängliche und nachhaltige soziale Dienste angeboten werden. Mit der erneuerten Sozialagenda hat die Kommission im Juli 2008 die Bedeutung des sozialen Europa bestätigt und ihren Anspruch ausgedrückt, die EU Politiken an veränderte soziale Wirklichkeiten und Trends im Rahmen einer europäischen sozialen Marktwirtschaft anzupassen.Der Lissabon-Vertrag, der explizit von der europäischen sozialen Marktwirtschaft spricht, sieht eine rechtsverbindliche Grundrechte-Charta vor, die eine Reihe von sozialen Rechten beinhaltet, z.B. das Recht der Arbeitnehmer auf Information und Konsultation, Schutz vor unbegründeter Entlassung, ein Recht auf faire und gerechte Arbeitsbedingungen und das Recht auf Sozialschutz.
6. Koordinierte Beschäftigungspolitik in der Wirtschaftskrise: Die negativen Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt machen sich insbesondere seit Frühjahr/Sommer 2009 verstärkt in ganz Europa bemerkbar. Ein EU-Beschäftigungsgipfel konnte im Mai 2009 unter Einbeziehung der Sozialpartner Übereinstimmung herstellen, dass verstärktes und koordiniertes europäisches Handeln für mehr und bessere Jobs angesichts der Wirtschaftskrise unerlässlich ist. Dies sollte die bisherigen Bemühungen zur Stabilisierung der Finanzmärkte und wirtschaftlichen Belebung ergänzen. Der Europäische Rat von Juni 2009 nahm sich auf der Basis konkreter Vorschläge der Kommission des Themas an und beschloss eine Reihe von Grundsätzen und Maßnahmen, die das Beschäftigungsniveau in Europa fördern sollen.
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