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Stuttgarter Verfahren

Definition: Was ist "Stuttgarter Verfahren"?

Ein steuerliches Verfahren zur Bewertung nicht notierter Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaft. Wo der gemeine Wert der Anteile unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten zu schätzen ist, wird er durch das Stuttgarter Verfahren ermittelt.

Man geht davon aus, dass der Wert eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich dem Wert der Vermögenssubstanz entspricht, für einen überdurchschnittlichen Gewinn aber ein Aufschlag gezahlt werden würde. Das Stuttgarter Verfahren ist somit ein sog. Übergewinnabgeltungsverfahren.

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    1. Begriff: Ein steuerliches Verfahren zur Bewertung nicht notierter Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaft. Wo der gemeine Wert der Anteile unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten zu schätzen ist, wird er durch das Stuttgarter Verfahren ermittelt.

    Man geht davon aus, dass der Wert eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich dem Wert der Vermögenssubstanz entspricht, für einen überdurchschnittlichen Gewinn aber ein Aufschlag gezahlt werden würde. Das Stuttgarter Verfahren ist somit ein sog. Übergewinnabgeltungsverfahren.

    2. Rechtsgrundlagen: R 97 ff. der ErbStR; § 11 BewG.

    3. Anwendungsbereich: Das Stuttgarter Verfahren findet Anwendung, wenn zum Bewertungsstichtag keine Kurse einer dt. Börse, des geregelten Markts oder des Freiverkehrs vorliegen und sich ein gemeiner Wert auch nicht aus Verkäufen ableiten lässt, die weniger als ein Jahr zurückliegen (§ 11 II BewG). Relevant ist das Stuttgarter Verfahren nach Wegfall der Vermögensteuer hauptsächlich für Zwecke der Erbschaftsteuer; ob es auch für ertragsteuerliche Zwecke eine geeignete Basis zur Schätzung des gemeinen Wertes abgeben kann, ist umstritten (z.B. für Wegzugsbesteuerung).

    4. Arten:
    (1) Regelbewertung und
    (2) Sonderregelungen.

    5. Vorgehensweise: a) Vermögenswertermittlung: Bei der Regelbewertung bildet der Vermögenswert der Kapitalgesellschaft den Ausgangswert. Dieser ist aus den aktuellsten Steuerbilanzwerten abzuleiten. Dabei sind jedoch Betriebsgrundstücke mit dem Grundbesitzwert (Bedarfswert) und Wertpapiere nach dem für sie geltenden bewertungsrechtlichen Wert (ggf. also dem Wert nach dem Stuttgarter Verfahren) anzusetzen. Vom Ausgangswert sind folgende Korrekturen vorzunehmen:
    (1) Hinzurechnung des Gewinns (bzw. Abrechnung des Verlustes) zwischen letztem Bilanzstichtag und Bewertungsstichtag. Korrektur dieses Gewinns um die evtl. Abschreibungen auf die Gebäude und Grundstücke, die das Ergebnis beeinflusst haben.
    (2) Berücksichtigung von Vermögensänderungen infolge von Veräußerung oder Erwerb von Anlagevermögen.
    (3) Korrekturen wegen zwischenzeitlich erfolgter Gewinnausschüttungen, Kapitalerhöhungen oder -herabsetzungen oder verdeckten Einlagen.

    b) Umrechnung Vermögenswert in Prozentgröße erfolgt im zweiten Schritt, indem der berechnete Vermögenswert zum Nennkapital der Kapitalgesellschaft ins Verhältnis gesetzt wird.

    c) Ermittlung voraussichtlicher künftiger Jahresertrag: Schätzung ist möglichst aus den Betriebsergebnissen der letzten drei Wirtschaftsjahre abzuleiten.
    (1) Ausgangspunkt: Auszugehen ist vom jeweiligen zu versteuernden Einkommen.
    (2) Korrekturen haben zu erfolgen für: (a) Sonderabschreibungen oder erhöhte Absetzungen, Bewertungsabschläge, Zuführen und Teilwertabschreibungen. Berücksichtigungsfähig sind nur die normalen Abschreibungen; (b) Abschreibungen auf den Firmenwert oder firmenwertähnliche Wirtschaftsgüter sind zu stornieren, ebenso Verlustrückträge und Verlustvorträge, die das Ergebnis beeinflusst haben; (c) einmalige Veräußerungsverluste und -gewinne (da als außerordentliche Vorfälle nicht geeignet, zukünftige Gewinne zu prognostizieren); (d) für steuerfreie Einkünfte bzw. nichtabziehbare Aufwendungen.
    (3) Abschläge sind evtl. möglich bis zu 30 Prozent bei Gesellschaften, bei denen das Ergebnis in bes. Maße von der persönlichen Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers abhängig ist, ohne dass das Jahresergebnis deswegen bereits um ein entsprechend hohes Gehalt gemindert worden wäre.
    (4) Gewichtung der Jahresergebnisse ist im nächsten Schritt vorzunehmen; Gewichtungsfaktoren: 3,0 für Ergebnis aus dem letzten Wirtschaftsjahr, 2,0 für vorletztes Wirtschaftsjahr, 1,0 für Ergebnis vorvorletztes Wirtschaftsjahr; dann Division der Gesamtsumme durch 6,0.
    (5) Umrechnung in einen Prozentsatz: Der so ermittelte gewichtete Jahresertrag ist auf das Nennkapital der Gesellschaft zu beziehen; er muss mind. Null Prozent betragen, außer wenn objektiv ein baldiger Zusammenbruch des Unternehmens zu erwarten ist.
    (6) Zusammenführung von Vermögenswert und Ertragshundertsatz zum Stuttgarter Verfahren-Wert erfolgt, indem auf den Vermögenswert der Unterschiedsbetrag addiert wird, den ein Erwerber für eine überdurchschnittliche Verzinsung seines investierten Kapitals für die nächsten fünf Jahre noch bezahlen würde. Daraus abgeleitete Formel (bei Regelverzinsung = 9 Prozent): gemeiner Wert = 68 Prozent · (V + 5 E) mit V = Vermögenswerthundertsatz, E = Ertragshundertsatz; ergibt den Prozentsatz, mit dem der Nennbetrag einer Beteiligung an der betreffenden Kapitalgesellschaft zu multiplizieren ist, um ihren gemeinen Wert nach dem Stuttgarter Verfahren zu erhalten.

    d) Bes. Umstände können durch Zu- oder Abschläge berücksichtigt werden (R 100 III ErbStR); möglich z.B. bei Anteilen ohne Einfluss auf die Geschäftsführung (10-prozentiger Abschlag; Einzelheiten und Voraussetzungen in R 101 ErbStR geregelt).

    e) Sonderregelungen gelten für neu gegründete Gesellschaften, Holdinggesellschaften, Organgesellschaften, Komplementärgesellschaften einer GmbH & Co. KG, Gesellschaften mit ungleichen Gesellschafterrechten, eigenen Anteilen, gemeinnützigen Gesellschaften.

    6. Kritik: Das Stuttgarter Verfahren hat durch die Praxis von Rechtsprechung und Verwaltung quasi-gesetzlichen Charakter erhalten. Da es zu wenig auf die konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls abstellt, ist es wegen Verstoßes gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip aus steuerrechtlicher Sicht kritisiert worden. Kritik der Betriebswirtschaftslehre u.a. an dem als wissenschaftlich überholt geltenden Verfahren der Übergewinnabgeltung und bes. der Betonung des Vermögenswertes, neuerdings (seit Einführung der verlängerten Maßgeblichkeit) natürlich auch der Messung dieses Vermögenswertes mit von den wirklichen Werten weit entfernten Steuerbilanzwerten. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, 1 BvL 10/02 vom 7.11.2006) ist die Anwendung des Stuttgarter Verfahrens im Zusammenhang mit der Erbschaftsteuer mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Im Rahmen der Erbschaftsteuerreform galt es, eine neue Regelung zur Bewertung von Betriebsvermögen bzw. Beteiligungsbesitz zu finden.

    7. Bei der Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist nach Inkrafttreten der Erbschaftsteuerreform mit Wirkung ab dem 1.1.2009 ist vorrangig der gemeine Wert zugrunde zu legen. Dieser ermittelt sich bei Anteilen an Kapitalgesellschaften grundsätzlich nach dem Börsenkurs. Bei nicht notierten Anteilen soll der gemeine Wert in erster Linie aus Verkäufen unter fremden Dritten abgeleitet werden, die weniger als ein Jahr vor dem Besteuerungszeitpunkt liegen. Andernfalls ist der gemeine Wert zu schätzen (sog. Ertragswertverfahren).

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