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Subsumtion

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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Juristische Prüf-Methode zur Ermittlung, ob und wie ein dem Juristen/der Juristin zur Beurteilung vorgelegter Lebenssachverhalt rechtlich zu bewerten/einzuordnen ist. Dies geschieht, indem die Komponenten des Sachverhalts (seine Begebenheiten) mit dem Tatbestand einer Rechtsnorm (vertraglicher Art oder eines Gesetzes) prüfend verglichen werden. Der Tatbestand der Rechtsnorm wird im Hinblick auf seine Einzelmerkmale "häppchenweise", also Tatbestandsmerkmal für Tatbestandsmerkmal, durchgeprüft. Ergibt sich als Ergebnis dieser Prüfung eine übereinstimmende Identität zwischen den Facetten des Sachverhalts einerseits und dem Tatbestand, also allen seinen Merkmalen (!), andererseits, dann wird als Konsequenz die Rechtsfolge der Norm ausgelöst, so dass dadurch der Sachverhalt mit den Rechtswirkungen der Rechtsnorm belegt wird.

    Die Subsumtion folgt von ihrer Technik her einem logischen Syllogismus: A=B; C=B; also gilt: A=C. Beispiel: Alle Menschen sind sterblich. Sokrates war ein Mensch. Also: Sokrates war sterblich.
    Die Subsumtion beginnt mit einer These: Könnte-Satz; Obersatz: Rechtssatz/Definition; Untersatz: Feststellung, Unterordnung des Sachverhalts unter den Obersatz; es folgt: Schlussfolgerung/Ergebnis.
    Subsumtion kann angewandt werden im Gutachtenstil (so das Beispiel eben, und sogleich ausführlich im Fahrradfall) oder im Urteilsstil. Gutachtenstil ist die gängige Methode, die im Jurastudium gelehrt und deren Anwendung auch eine Prüfungsleistung ist. Beim Urteilsstil, z.B. der typische Aufbau der Begründung eines Gerichtsurteils, erfolgt die Aufgliederung in einem "Wenn-Dann-Weil"-Schema. Hier steht das Ergebnis am Anfang: "Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Herausgabeanspruch auf Herausgabe des Fahrrads Marke Herkules mit der Seriennummer 08/15 nach § 985 BGB." Danach wird dann, ebenfalls
    "häppchenweise", aufgegliedert: "Der Kläger ist Eigentümer...denn...weil...". Der Beklagte ist unrechtmäßiger Besitzer, denn...weil..."., usw.

    Beispiel einer gutachterlichen Subsumtionsprüfung von § 985 BGB, Sachverhalt: B sieht das das Fahrrad des A vor dessen Hauswand im Hof stehen. Er nimmt es dort weg und will es für sich behalten. Ein halbes Jahr später entdeckt A das Fahrrad bei B und stellt ihn zur Rede. B gibt es nicht heraus. Hat A gegen B einen Herausgabeanspruch?
    Subsumtion: A könnte gegen B einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB haben. Nach § 985 BGB kann der Eigentümer von dem Besitzer (=Tatbestand) die Herausgabe (=Rechtsfolge) der Sache (= auch noch Tatbestand) verlangen. Für einen Herausgabeanspruch des A wäre es also notwendig, dass das Fahrrad eine Sache ist. Sachen sind nach § 90 BGB körperliche Gegenstände. Das sind solche, die fassbar sind. Das Fahrrad ist physikalisch (an-)fassbar. Damit ist das Fahrrad eine Sache. Für einen Herausgabeanspruch des A ist weiter notwendig, dass A Eigentümer des Fahrrads ist und B Besitzer. Eigentum ist die rechtlich umfassende Berechtigungsposition einer Rechtsperson mit Bezug auf eine bestimmte Sache (§ 903 BGB). Der Sachverhalt gibt an, dass A Eigentümer des Fahrrads gewesen war. Fraglich ist, ob er Eigentümer geblieben war, nachdem B das Fahrrad an sich genommen hatte. Das Eigentum an beweglichen Sachen kann auf eine andere Rechtsperson überwechseln durch eine Übertragung (§ 929 S. 1 BGB) oder durch andere im BGB geregelte spezielle Tatbestände (§§ 937 ff. 947 ff. BGB - Ersitzung, Verbindung etc.). Im vorliegenden Fall hat B das Fahrrad an sich genommen. Insofern fehlt es an einer von A gewollten Eigentumsübertragung auf B und auch an einem anderen Wechsel-Tatbestand. Also ist A, als ursprünglicher Eigentümer, noch immer der Eigentümer des Fahrrads. Zur Bejahung eines Herausgabeanspruchs nach § 985 BGB müsste B auch der Besitzer des Fahrrads sein. Besitz ist die Innehabung der tatsächlichen Sachherrschaft, entweder unmittelbar oder wenigstens mittelbar (§§ 854 ff. BGB.). Die tatsächliche Sachherrschaft hat jemand, der die tatsächliche Gewalt über eine Sache innehat (§ 854 Abs. 1 BGB). Das ist der Fall, wenn jemand physikalisch unmittelbar, auch mit Ausschlussmöglichkeit gegenüber anderen Rechtspersonen, auf den Gegenstand einwirken kann. B benutzt das Fahrrad allein und fährt damit, er kann also physikalisch unmittelbar auf das Fahrrad einwirken und andere auch davon ausschließen. Also ist B Besitzer des Fahrrads. A ist damit Eigentümer des Fahrrads und B Besitzer. Damit A einen Herausgabeanspruch gegen B gem. § 985 BGB hat, müsste B außerdem unberechtigter Besitzer des Fahrrads, § 986 BGB, sein (red. Hinweis: Dass § 985 BGB immer mit § 986 BGB zusammen gelesen und angewendet werden muss, muss der Rechtsanwender wissen. Das ist auch logisch, denn § 985 BGB würde ansonsten stets zu einem Herausgabeanspruch führen, wenn Eigentum und Besitz auseinanderfallen, also z.B. im Verhältnis Vermieter/Mieter oder bei der Situation nach einer erfolgten Sicherungsübereignung.) B ist unberechtigter Besitzer, wenn er kein Recht zum Besitz hat. B hätte kein Recht zum Besitz, wenn keine Rechtsnorm ersichtlich ist, wonach ihm der Besitz gestattet ist. Hier hatte B das Fahrrad ohne Zustimmung vom Hof des Eigentümers A mitgenommen und benutzt es auch ohne dessen Zustimmung. A ist Besitzer des Fahrrads gewesen, denn er hat bzgl. der Gegenstände/Sachen in seinem Hof nach der Verkehrsanschauung die unmittelbare Sachherrschaft, also den unmittelbaren Besitz. Das galt also auch hinsichtlich des Fahrrads. Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht, handelt mit verbotener Eigenmacht und widerrechtlich (§ 858 Abs. 1 BGB). B handelte somit mit verbotener Eigenmacht und ist daher, auch ein halbes Jahr später, unberechtigter Besitzer im Sinne § 986 Abs. 1 BGB. Ergebnis: A kann von B die Herausgabe des Fahrrads nach § 985 BGB verlangen.

    Ein lehrreich-anschauliches Negativ-Beispiel von Subsumtion (zumindest anhand der Lesart, wie diese Methode im deutschen Rechtskreis angewandt wird) bietet das von US-Präs. Trump während der Coronakrise zur Anwendung gebrachte Defense Production Act of 1950, einem Kriegsgesetz von 1950, das unter dem Eindruck des Koreakrieges entstanden war. Nach diesem Gesetz ist es dem amerikanischen Präsidenten erlaubt, die Zivilwirtschaft zu verpflichten, kriegswichtige Güter zu produzieren. In dessen Title I., Priorities and allocations, ist festgelegt, dass es bei diesem Gesetz um "...to oppose acts of aggression and to promote peace…" (Sec. 1) geht. Ungeachtet dessen, ob man begrifflich bei einem Virus überhaupt eine subjektive Zurechenbarkeit von Verhalten annehmen kann - ganz offensichtlich, anhand aller Auslegungsarten, ist das Gesetz auf menschliche Aggression angelegt. Es mag sein, dass als politische Metapher ein Krieg gegen ein Virus erklärt werden kann (auch Präs. Macron und Premierminister Johnson), im juristischen Sinn bei der Anwendung von Normen funktioniert das nicht.  

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