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Revision von Unternehmensstrafrecht vom 27.05.2020 - 17:13

Unternehmensstrafrecht

Definition: Was ist "Unternehmensstrafrecht"?

Die Einführung eines allgemeinen Unternehmensstrafrechts in Deutschland, auch Verbandsstrafrecht genannt, war und ist immer wieder Gegenstand von Reformüberlegungen. Die Straffähigkeit juristischer Personen wurde in Deutschland schon Mitte der 1950er Jahre kontrovers diskutiert. Es geht darum, das deutsche Strafrecht auch auf Unternehmen, genauer: auf dessen Rechtsträger, selbst auszudehnen. In etlichen ausländischen Rechtsordnungen ist das so vorgesehen, es können dort Unternehmen sanktioniert werden. Bereits im Jahr 2013 gab es für Deutschland einen diesbezüglichen Gesetzentwurf des Landes NRW. Die im Frühjahr 2018 amtierende Bundesregierung hat sich das ebenfalls auf die Fahne geschrieben. Laut Koalitionsvertrag vom 7.2.2018 soll u.a. gelten„...Wir werden sicherstellen, dass bei Wirtschaftskriminalität grundsätzlich auch die von Fehlverhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern profitierenden Unternehmen stärker sanktioniert werden“. Auch Unternehmen selbst sollen demnach nach den Regierungsabsichten "bestraft" (in der Terminologie heißt es insoweit meistens sanktioniert - denn den ganz großen Wurf bei der Änderung, mit Umstellung auf Strafrecht, plant die Bundesregierung nicht, siehe die Hinweise sogleich) werden können. Hintergrund sind u.a. die scheinbar nicht enden wollenden Auswüchse und Fehlentwicklungen von kriminellem Managerverhalten (vgl. auch bei Dieselfahrverbot). Dem sollte - nach ursprünglicher Konzeption - gezielter, stärker und zusätzlich dort mit den Mitteln des Strafrechts entgegen getreten werden, wo die Vorteile weitgehend generiert werden - bei den Unternehmen. Das bestehende gesetzliche Instrumentarium - Verfolgungsmöglichkeit als Ordnungswidrigkeit (vgl. §§ 30, 29a, 130 OWiG) - wurde in der Vergangenheit als unzureichend empfunden. Eine Umstellung auf Strafrecht bedürfte konzeptioneller Neuüberlegungen zum Strafrecht.

Am 21. April 2020 hat das Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf eines Verbandssanktionengesetzes (VerSanG) veröffentlicht. Eine besondere Regelung im Entwurf soll Compliance-Maßnahmen fördern. Sie sieht Anreize dafür vor, dass Unternehmen über interne Untersuchungen dazu beitragen, Straftaten aufzuklären. Das diesbezügliche Gesetz heißt "Gesetz zur Stärkung der Integrität der Wirtschaft." Angesichts der dringend zu korrigierenden Missstände ein eher verharmlosender Euphemismus und wohl ebenso ein Anzeichen von solider Lobbyarbeit wie der Umstand, dass das VerSanG mit Bezug auf die neuen Sanktionen erst zwei Jahre nach Veröffentlichung in Kraft treten soll.

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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Inhaltsverzeichnis

    1. Allgemein
    2. Rechtslage nach dem OWiG - Konkrete bevorstehende Neuerungen
    3. Eigene Wertungen

    Allgemein

    Die Einführung eines allgemeinen Unternehmensstrafrechts in Deutschland, auch Verbandsstrafrecht genannt, war und ist immer wieder Gegenstand von Reformüberlegungen. Es geht darum, das deutsche Strafrecht auch auf Unternehmen, genauer: auf dessen Rechtsträger, selbst auszudehnen. In etlichen ausländischen Rechtsordnungen ist das so vorgesehen, es können dort Unternehmen sanktioniert werden. Bereits im Jahr 2013 gab es für Deutschland einen diesbezüglichen Gesetzentwurf des Landes NRW. Die im Frühjahr 2018 amtierende  Bundesregierung hat sich das ebenfalls auf die Fahne geschrieben. Laut Koalitionsvertrag vom 7.2.2018 soll u.a. gelten: „...Wir werden sicherstellen, dass bei Wirtschaftskriminalität grundsätzlich auch die von Fehlverhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern profitierenden Unternehmen stärker sanktioniert werden“. Auch Unternehmen selbst sollen demnach nach den Regierungsabsichten "bestraft" (in der Terminologie heißt es insoweit meistens sanktioniert - denn den ganz großen Wurf bei der Änderung plante die Bundesregierung nicht, siehe die Hinweise weiter unten) werden können. Hintergrund sind u.a. die scheinbar nicht enden wollenden Auswüchse und Fehlentwicklungen von kriminellem Managerverhalten (vgl. auch bei Dieselfahrverbot und Musterfeststellungsklage). Dem soll gezielter, stärker und zusätzlich dort mit den Mitteln des Strafrechts entgegen getreten werden, wo die Vorteile weitgehend generiert werden - bei den Unternehmen. Das bestehende gesetzliche Instrumentarium - Verfolgungsmöglichkeit als Ordnungswidrigkeit (vgl. §§ 30, 29a, 130 OWiG) - wird als unzureichend empfunden. Eine Umstellung bedarf konzeptioneller Neuüberlegungen zum Strafrecht.
    Unternehmer kann eine natürliche oder eine juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft sein (§ 14 I BGB). Rechtssubjekte nach deutschem Recht sind natürliche Personen und juristische Personen (vgl. etwa §§ 1 ff. und §§ 21 ff. BGB). Natürliche und juristische Personen sind beide "rechtsfähig", können also Träger von Pflichten und Rechten sein. Juristische Personen sind allerdings bloße Fiktionen. Zwar erlangen sie als virtuelle, menschliche Kunstschöpfungen die Ausstattung und die rechtlichen Möglichkeiten, wie natürliche Personen am Rechtsverkehr teilnehmen zu können. Dieser allgemeine Gedankengang ist jedoch mit Bezug auf das geltende Strafrecht nicht vollzogen. Beim deutschen Strafrecht heutiger Konzeption steht allein der Mensch (natürliche Person) als Rechtssubjekt im Mittelpunkt. Auch wenn die Juristerei im Gefolge des Stichworts Künstliche Intelligenz längst zu möglichen Erweiterungen der Schaffung einer zusätzlichen "elektronischen Person", neben juristischen Personen, forscht (z.B. für selbst lernende Fahrroboter im Auto) - juristische Personen als solche sind aufgrund nach wie vor gültiger richterlicher Feststellung, aufgrund des aktuell geltenden Rechtsverständnisses, nicht handlungsfähig (BVerfGE 20, 323, 335 f.; Beschluss vom 25.10.1966). Sie bedürfen, rein tatsächlich, natürlicher Personen (Menschen), die für sie handeln. Es gilt daher nach aktuellem Rechtsverständnis mit Bezug auf Bestrafung nach wie vor: "Bestraft oder mit Buße belegt werden kann die Gesellschaft als solche nicht." (BGHSt. 3, 130, 132, Beschluss vom 11.7.1952). Strafrechtliche Normen beziehen sich damit allein auf Menschen als natürliche Personen. Bei Verwirklichung kann für einen Menschen, auf Basis seiner persönlichen Schuld (nulla poena sine culpa - keine Strafe ohne Schuld), Bestrafung, auch in der Form von Freiheitsentzug im Gefängnis (§ 38 StGB), die Folge sein. Dieser persönlichkeitsbezogene Aspekt bereitet bei der Umsetzung auf juristische Personen aufgrund von deren Fiktionalität mindestens gedankliche Schwierigkeiten. Man tut sich insbesondere wegen des personalen Schuldprinzips, das nach geltendem Recht (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB) explizit und ausschließlich auf natürliche Personen gemünzt ist, auch rechtlich schwer damit, diesen Aspekt auf juristische Personen zu übertragen. Das wirkliche Leben, auch in unserem modernen Zeitalter, ist zudem auch noch nicht so weit, filmisch präsentierte Möglichkeiten umsetzen zu können. Weil man sog. Avatare nicht einsetzen kann, um als lebensechte Akteure für juristische Personen eine Gefängnisstrafe abzusitzen, Sündenbock 4.0 (für manch findigen Manager wäre die Realisierbarkeit einer solchen Möglichkeit sicher der Königsweg, den er seinem Unternehmen anraten würde), können sich Reformüberlegungen bei der Sanktionsform nur auf die Verhängung von Geldstrafe gegenüber Unternehmen beziehen.

    Rechtslage nach dem OWiG - Konkrete bevorstehende Neuerungen

    Auch wenn schon ohne die Neuregelung eines Unternehmensstrafrechts durch den Einsatz der bestehenden gesetzlichen Mittel nach OWiG durchaus erkleckliche Beträge erzielt werden können (siehe etwa die Geldbußen gegenüber VW und gegenüber Audi in Höhe von 1 Mrd. € und 800 Mio. € im Frühjahr bzw. Herbst 2018), wird das als unzureichend angesehen. Die Bußgeldhöhe ist gesetzlich auf nur zehn Millionen Euro begrenzt (vgl. § 30 Abs. 2 Nr. 1 OWiG). Wegen der Schwere der Schuld mitunter angezeigte Mehrbeträge, so mutmaßlich auch in den genannten Fällen, können nur über die Einziehungsvorschrift des § 29a OWiG ("Einziehung des Wertes von Taterträgen") abgeschöpft werden. Das kann durch die Einführung einer entsprechend anders konzipierten Geldstrafe korrigiert werden. Diese Korrektur tut insbesondere auch deshalb Not, weil es das bei Verfahren nach dem OWiG geltende Opportunitätsprinzip (§ 47 Abs. 1 OWiG) nur ins pflichtgemäße Ermessen der Verfolgungsbehörde stellt, ob es überhaupt zur Bußgeldverhängung kommt oder nicht. Das ist bei Strafverfahren aufgrund von Strafvorschriften anders, hier gilt das Legalitätsprinzip, hier muss die Strafverfolgungsbehörde verfolgen, wenn hinreichender Tatverdacht vorliegt (vgl. §§ 152 Abs. 2, 170 Abs. 1 StPO).
    Der im August 2019 von Seiten der Bundesregierung avisierte und am 21. April 2020 veröffentlichte Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes (VerSanG), mit 68 Paragraphen, sieht die Einführung einer "Verbandsgeldsanktion" vor. Bei einem Verband mit Umsätzen von durchschnittlich mehr als 100 Millionen Euro Jahresumsatz beträgt die Höchstgrenze möglicher Verbandsgeldsanktionen zehn Prozent (bei Vorsatz) bzw. fünf Prozent (bei Fahrlässigkeit) des durchschnittlichen Jahresumsatzes, § 9 Abs. 2 Nr. 1, 2 VerSanG-E. Das Opportunitätsprinzip soll für einschlägige Fälle nicht gelten. Neben der Verhängung einer Verbandsgeldsanktion soll auch die auch die öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung des Verbandes angeordnet werden können. Eine besondere Regelung im Entwurf will Compliance-Maßnahmen in Unternehmen fördern. Sie sieht Anreize dafür vor, dass Unternehmen über interne Untersuchungen dazu beitragen, Straftaten aufzuklären. Damit sich die Wirtschaftsunternehmen darauf einstellen können, sieht der Entwurf vor, dass das Inkrafttreten von Regelungen des neuen Gesetzes erst zwei bzw. vier Jahre nach Verkündung des VerSanG stattfinden soll. 

    Eigene Wertungen

    a) Selbst wenn man, so der Autor, absoluten Straftheorien gegenüber einigermaßen reserviert gegenübersteht - es muss hier ein Zeichen gesetzt werden. Die Einführung eines Unternehmensstrafrechts light, mindestens in Form der von der Bundesregierung geplanten Neuerungen (s.u.) ist geboten und damit zu befürworten. Mit der Fiktionalität juristischer Personen und dem rechtlichen Nebeneinander und der rechtlichen Dualität zu dahinter stehenden natürlichen Personen gehen, soziologisch gesehen, auch Parallelitäten und (Teil-)Identitäten einher. Top-Manager, das gilt insbesondere für Vorstände, sind in der Praxis de facto oft das Unternehmen, sie sind mit ihm nach der Eigen- und nach der Fremdwahrnehmung identisch, sie verkörpern es. Das ist auch so bei kleinen Unternehmen, wie z.B. einer Einmann-GmbH. Als anzustrebender Effekt ist eine solche Identifikation grundsätzlich als positiv zu begrüßen. Nimmt das ganze jedoch ungute, negative Entwicklungen, indem z.B. Manager die ihnen zukommende Rolle als Gutsverwalter für die Eigentümer (vgl. auch bei Agency-Theorie und bei Prinzipal-Agent-Theorie) mit der eines Gutsherren tauschen und sich dazu dann noch von ihnen zu verantwortende unabgestimmte, risikoträchtige Maßnahmen gesellen, läuft das unweigerlich auf das Entstehen von Zielkonflikten zu. Das spätestens dann, wenn sich das Führungsmanagement, unkontrolliert durch einen Aufsichtsrat (dieser ist nach der Agenturtheorie ebenfalls ein Agent der Eigentümer), Unkorrektheiten bis hin zu Rechtsverstößen leistet. Dann jedenfalls greift die juristische Differenzierung. Weil es natürliche Personen sind, die für juristische Personen handeln, stellen sich dann für das privatrechtliche Rechtsverhältnis zwischen beiden (etwa zu Schadensersatzansprüchen gegen den - inzwischen ausgeschiedenen - Manager, vgl. dazu die Ausführungen zur Haftung bei Aufsichtsrat) und auch im betroffenen Bereich des Strafrechts Themen. Beim Strafrecht steht, wie eh und je, der Manager in der Verantwortung. Ohne die Klaviatur der verschiedenen Straftheorien mit dem Sinn und Zweck des Strafens hier jetzt zu bedienen (vgl. dazu die Ausführungen bei Straftheorien und bei Jörg Berwanger, ZRP 2016, 56): Es muss zusätzlich zu der Strafverfolgung gegen natürliche Personen möglich sein, dass der staatliche Sanktionsanspruch auch dort eingreift, wo die durch eine Straftat erlangten Vorteile hauptsächlich entstanden sind, bei den Unternehmen selbst. Ganz abgesehen davon, dass es am Ende immer natürliche Personen sind, die dahinter stehen - beispielhaft seien hier die Aktionäre einer AG genannt - eine Strafsanktionierung von Unternehmen darf jedenfalls nicht an deren Rechtsnatur in Form von juristischen Personen scheitern. Zwar sind es - wie sehr oft im strafrechtlichen Bereich - relativ gesehen nur wenige, die mit ihrem Verhalten eine allgemeine staatliche Gegen-Reaktion provozieren. Bekanntlich verdirbt aber schon ein faules Ei das ganze Omelette, mehrere faule Eier tun das allemal. Das Gros der rechtstreuen Unternehmen gerät so in eine Mitbetroffenheit wegen relativ wenigen Spielverderbern. Wie auch immer: Dem Interesse der staatlichen Gemeinschaft an der Erhaltung ihrer Grundwerte und an der Bewahrung des Rechtsfriedens kann jedenfalls nur dadurch Rechnung getragen werden, dass die Rechtsordnung bestimmte sozialschädliche Verhaltensweisen bei Strafe verbietet (in diesem Sinne die Rechtsprechung des BVerfG, vgl. sinngemäß etwa bei BVerfGE 51, 324, 343, Beschluss vom 19.6.1979). Solch weitreichende und hehre Postulate sollten nicht an - umgestaltbaren - rechtlichen Formalien scheitern, insbesondere dürfen sie nicht gegenüber selbst geschaffenen Fiktionen kneifen.

    Die Umsetzung der Planungen der Bundesregierung anhand des Koalitionsvertrages vom 7.2.2018 (s.o.) in Gestalt des am 21. April 2020 veröffentlichten Referentenentwurfs fokussieren sich auf Änderungen beim Ordnungswidrigkeitenrecht für Unternehmen (Absenkung der Bußgeldobergrenze für kleinere Unternehmen, Abkehr vom Opportunitätsprinzip bei Unternehmensordnungswidrigkeiten, Einführung eines generellen Bußgeldrahmens für umsatzstärkere Unternehmen in Abhängigkeit vom Umsatz etc.), nicht auf die Einführung von Kriminalstrafen gegen Unternehmen. Mit dem Begriff "Verbandsgeldsanktion" wird deutlich gemacht, dass nicht an eine Geldstrafe als Kriminal-Sanktionsform gedacht wird. Und selbst wenn dem nicht so wäre, und vielleicht sieht sich ein Gesetzgeber in der Zukunft ja doch einmal gezwungen, gegenüber Rechtsträgern von Unternehmen das ganz große Besteck auszupacken: Strafrecht ist, wie andere Rechtsgebiete, grundsätzlich (um-) gestaltbar. Das gilt auch, wenn - wie hier - verfassungsrechtliche Implikationen (Rechtsstaatsprinzip) berührt sind. Das wäre dann ebenfalls die Aufgabe des Gesetzgebers, der sich der Expertise von Experten bedient. Sicherlich müsste man sich sehr intensiv mit dem derzeit geltenden personalen Schuldprinzip auseinandersetzen. Eine mitunter in Traditionen verhaftete Rechtswissenschaft als Ratgeber ist zur gedanklich-phantasievollen Beweglichkeit aufgerufen. Dass hier nichts unmöglich ist, hat das BVerfG bereits 1967 (BVerfGE 20, 335 f.; NJW 1967, 195) grundsätzlich festgestellt. In der sog. Bertelsmann-Lesering-Entscheidung hat es per obiter dictum festgestellt, dass keine Bedenken bestehen, wonach die Schuld einer natürlichen Person gegenüber einer juristischen Person zurechenbar ist (in der jur. Literatur vikariale Lösung genannt).
    Auch wenn man, so der Stichwortautor, eine historisch-christliche Lesart von einem individuellen Höchstpersönlichkeitscharakter zu "Schuld" und "Einsichtsfähigkeit" pflegt, ist an der grundsätzlichen Bejahung der Änderungsmöglichkeit festzuhalten. Wegen der bloßen rechtlichen Fiktion von juristischen Personen (die im jur. Schrifttum zum Teil negiert wird, weil es sich bei jur. Personen um ein "soziales Phänomen" handele) jedenfalls wird sich auf nicht absehbare Zeit an einem Jahrhunderte alten abendländischen Grundverständnis schwerlich etwas ändern können. Getreu dem bekannten Filmslogan "Es kann nur einen geben" - und das ist der Mensch. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass - rechtlich gesehen - Sünde und Buße ausschließlich individualisiert an Menschen festzumachen sind und dass sie nicht doch, eben mit einem modernen Touch in moderner Zeit, auf Fiktionen bezogen werden können. Die bestehende Fiktion ist hierfür um eine weitere Fiktionsschleife zu erweitern.

    b) Aufsehen erregende öffentliche Skandalfälle bieten im Übrigen oft soziologisch-psychologische Fundgruben zur Abgehobenheit von Unternehmen und ihrem Führungspersonal, die - gleichsam einsamen Flugkörpern im Orbit kreisend - mit drastisch negativen Governance-Beispielen und entsprechendem Kommunikationsgehabe aufwarten. Volkswagen (und andere Dieselspezialisten) ist ein solch gravierendes Beispiel, das in der Wahrnehmung des immer wieder aufs Neue ins Staunen versetzten Publikums eine Hybris offenbart, die dem bloßen Gutsherrenfeudalstatus in Richtung eines absoluten Monarchentums entwachsen ist. Dabei hat jedes kleine Kind längst erkannt, dass der Kaiser ja gar keine Kleider trägt (auch erkannt vom BGH, siehe insbesondere dessen Entscheidung vom 25. Mai 2020, vgl. dazu bei Dieselfahrverbot). Auch insofern ist die Einführung eines Unternehmensstrafrechts geboten, nicht zuletzt um die handelnden natürlichen Personen wieder zu erden und davon überzeugen zu können, dass sie ihr Management korrekt und rechtskonform betreiben müssen. Denn ansonsten drohen ihnen künftig aufgrund eines neuen Unternehmensstrafrechts, nach dessen Einführung, als Regressfolgen Schadensersatzansprüche "ihrer" Unternehmen in ganz anderen Dimensionen, als das bisher der Fall ist (vgl. hierzu die Hinweise bei Haftung beim Stichwort Aufsichtsrat). Die in der 19. Legislaturperiode amtierende Bundesregierung war insofern offenbar grundsätzlich zum Handeln entschlossen.

    Der am 21. April 2020 vorgelegte Referentenentwurf zum VerSanG bleibt jedoch mindestens wegen seines retardierenden Moments in Form des Inkrafttretens erst zwei Jahre nach Veröffentlichung hinter den hier gesehenen Notwendigkeiten zurück und enttäuschte deshalb.

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