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Verbrauchsbesteuerung
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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I. Charakterisierung:
1. Begriff: Grundlegende Besteuerungsweise, die neben der Einkommensbesteuerung und der Ertragsbesteuerung durchgeführt wird; sie belastet die Einkommensverwendung. Historisch älteste Form der Besteuerung.
2. Die Verbrauchsbesteuerung kann
außer bei der Mehrwertsteuer (die lebensnotwendige Güter wenig belastet)
die persönliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen nicht erfassen, da die Sätze der jeweiligen Verbrauchsteuern unterschiedslos für alle Einkommensschichten gelten und für bes. hohe Mengen an Verbrauchsgütern, z.B. in kinderreichen Familien, Entlastungen nicht eingerichtet werden können. Eine Veranlagung findet in der Verbrauchsbesteuerung nicht statt.
3. Eine „aufwändige Lebensweise” kann bes. steuerlich belastet werden, z.B. durch Schaumwein-, Getränke-, Vergnügungs- und Glücksspielbesteuerung; tendieren zur Luxusbesteuerung. Es existieren aber auch Steuern auf Massengenussmittel (Bier, Kaffee etc.), die mitunter regressiv wirken (bes. Salz- und Zuckersteuer; beide wurden zum 1.1.1993 abgeschafft).
II. Abgrenzung:
Die Verbrauchsbesteuerung muss gegenüber den Begriffen „allgemeine Verkehrsteuer” und „allgemeine Verbrauchsteuer”, die der Steuerrechtswissenschaft zur Kennzeichnung der Umsatzsteuer dienen, abgegrenzt werden.
a) Nach ökonomischem Verständnis wird Umsatzsteuer anlässlich des „Markteintritts” von Gütern, also beim Verlassen der Produktionssphäre bzw. beim Einspeisen in den Kreislauf, erhoben. Soweit Güter dort zirkulieren, kommt es zum Eigentümerwechsel; letzterer ist für das ökonomische Verständnis von Verkehrsteuern wesentlich. Die steuerrechtliche Kennzeichnung der Umsatzsteuer als allgemeine Verkehrsteuer macht diesen Unterschied zwischen Einspeisung und Zirkulation nicht deutlich.
b) Nach ökonomischer Auffassung werden Verbrauchsteuern anlässlich der „Marktentnahme” von Gütern erhoben; Güter gehen in den Produktionsprozess der Unternehmung bzw. den Rekreationsprozess des Haushaltes körperlich ein, Gebrauchsgüter werden mit ihrem zeitverteilten Nutzungsanteil zu Verbrauch, Dienstleistungen gehen mit ihrem unwiederbringlichen Zeitaufwand unter. Aus ökonomischer Sicht ist demnach eine Verbrauchsteuer etwas grundlegend anderes als eine Umsatz- und Verkehrsteuer.
Aufgrund des unpräzisen Verkehrsteuerbegriffs der Steuerrechtswissenschaft sowie der zuvor dargestellten Abgrenzung nach ökonomischer Auffassung werden neuerdings in finanzwissenschaftlicher Sicht als Verkehrsteuern Steuern auf den Kapital- und Zahlungsverkehr aufgefasst; dazu zählen: Gesellschaft-, Börsenumsatz- und Wechselsteuer (alle durch das Finanzmarktförderungsgesetz vom 22.2.1990 abgeschafft), die Grunderwerbsteuer; die (von der Steuerrechtswissenschaft zu den Verkehrsteuern gezählten) Feuerschutzsteuer und Versicherungsteuer werden den Verbrauchsteuern zugeordnet. In beiden letzteren Fällen wird das Gut „Versicherungsschutz” gegen Prämienzahlung erworben; als Kapitalverkehrsteuer ließe sich die Versicherungsteuer dann verstehen, wenn Lebensversicherungen (Kapitalansammlungscharakter) gerade nicht von der Besteuerung ausgenommen wären, bei der Feuerschutzsteuer wird das Gut „Versicherungsschutz” jenseits aller Kapitalansammlungen und Verkehrsakte bes. deutlich.
Von Hansmeyer wird aufgrund der Begriffsverwirrungen und der unterschiedlichen Steuertatbestände für den Begriff Verbrauchsteuern „Steuern auf spezielle Güter” vorgeschlagen.
III. Steuertatbestände:
1. Verbrauchsbestände im privaten Haushalt: z.B. Genuss und Verzehr von Tabak, Kaffee, Bier, Branntwein, Schaumwein. Bestimmte Einsatzgüter in Haushalt und Produktion: z.B. Mineralöl, elektrischer Strom.
Diese Güter gehen beim Verbrauch „unter”.
2. Nutzung von Gebrauchsgütern, z.B. bei Kraftfahrzeugen, Hunden, Umwelt (Abwasserabgaben).
3. Dienstleistungen und Rechtsausübungen, z.B. in Form der Versicherung-, Feuerschutz-, Vergnügung-, Rennwett- und Lotterie-, Schankerlaubnis- sowie Jagd- und Fischereisteuer.
4. Zwischenstaatlicher Warenverkehr: belastet durch Zölle und Abschöpfungsabgaben.
5. Steuerpolitische Motivation und steuerliche Klassifikation sind so vielfältig, der Katalog der Steuertatbestände so heterogen und lückenhaft, dass in der neuesten Terminologie nur eklektisch von „Steuern auf spezielle Güter” gesprochen wird (Hansmeyer).
IV. Ziele/Wirkungen:
1. Die Ziele der Verbrauchsbesteuerung sind trotz wiederholter Bekenntnisse zur Gesundheitspolitik (Branntwein-, Tabak) oder anderen Zielen (Heizölsteuer aufgrund der Wettbewerbsstützung der Kohle) überwiegend fiskalische.
Aufgrund entwicklungspolitischer Ziele müsste die Kaffeesteuer entfallen. Dem fiskalischen Ziel kommt zugute, dass viele Verbrauchsteuern an Güter anknüpfen, deren Einkommenselastizität der Nachfrage mittlerweile unter eins gesunken ist.
2. In den Abschöpfungen der EU lässt sich dagegen ein einkommenspolitisches Ziel für die Landwirtschaft ausmachen.
3. Daneben diente die Stromabgabe „Kohlepfennig” der Förderung der Kohleverstromung und damit der Energiepolitik.
4. In der Zweckbindung mancher Verbrauchsteuern liegt die Möglichkeit zu einer direkten Zielorientierung (Kraftfahrzeug-, Mineralöl-, Feuerschutz-, Rennwett- und Lotteriesteuer).
Vgl. auch Verwendungszwecksteuern.
5. Soweit die Verbrauchsteuern in den Preisen überwälzt werden, womit überwiegend zu rechnen ist, trägt der Verbraucher die Last der Wirtschaftspolitik. Isoliert betrachtet, ist die Verbrauchsbesteuerung weithin mit einem Verzicht beim Verteilungsziel verbunden. Die Effektivität der Verbrauchsbesteuerung muss daher im Zusammenwirken mit der Einkommensbesteuerung beurteilt werden.
V. Erhebungsformen/Tarifgestaltung:
Die Verbrauchsteuern werden zumeist nicht am Ort des Verbrauchs, sondern aus Gründen der besseren Erhebungstechnik, der leichteren Kontrolle und der höheren Nettoergiebigkeit am Ort der Produktion, der Einfuhr, seltener der Nutzung oder des Erwerbs eines Gebrauchsgutes erhoben. Dadurch ist die Verbrauchsbesteuerung i.d.R. eine unmerkliche, verbrauchsferne Besteuerung, außer bei der Kraftfahrzeug-, Hunde- sowie Jagd- und Fischereisteuer.
1. Ansatzpunkte: a) Ort der Herstellung, der Einfuhr, der Nutzung oder des Erwerbs.
b) Im Bereich der Herstellung werden Verbrauchsteuern nach dem jeweils erreichten Stadium oder Ort des Prozesses erhoben:
(1) Material- oder Rohstoffsteuer: alte Form der Erhebung; z.B. Zuckerrübensteuer bis 1887;
(2) Fabrikations- oder Produktionssteuer: z.B. die alte „Gerätesteuer” als Maischbottichsteuer;
(3) Fabrikatesteuer oder Gütersteuer: heute gebräuchliche Besteuerung.
2. Bemessungsgrundlage: Die Bemessungsgrundlage ist zumeist die Menge (Mengensteuer) ausgedrückt als Geldbetrag pro Mengeneinheit (Liter, Kilo, Stück, ccm; Mengensteuer), daneben der Wert (Wertsteuer), ausgedrückt im Prozentsatz des Verkaufspreises eines Gutes, schließlich äußerst selten eine Kombination von Menge und Wert. Mit Wertsteuern erreicht man bei steigenden Preisen eine Aufkommenssteigerung.
3. Das Finanzmonopol als Erhebungsform von Verbrauchsteuern hat trotz seiner vorteilhaften Möglichkeiten bei der Versorgungspolitik und Steuerkontrolle heute in den westlichen Industrieländern kaum noch die Bedeutung wie früher (Branntweinmonopol).
VI. Steuersystematik:
1. Einzelverbrauchsteuern: Für das Steuersystem der Bundesrepublik Deutschland vgl. Verbrauchsteuern. Es gibt weniger als 20 Einzelverbrauchsteuern, daneben zahlreiche Zölle. Nicht alle denkbaren Verbrauchstatbestände werden steuerlich belastet, sodass ein „System” in der Verbrauchsbesteuerung nicht zu erkennen ist.
2. Kaskadenwirkung: Da die Verbrauchsteuern bei der Berechnung der Wertschöpfung je Tauschstufe in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer eingehen, wird „Mehrwertsteuer von der Verbrauchsteuer” erhoben.
3. Steuerlicher Dualismus: Die Verbrauchsbesteuerung belastet das persönliche Einkommen des Steuerpflichtigen neben der Einkommensteuer auch noch anlässlich seiner Verwendung. Das erlaubt einerseits, das durch den Einkommensteuertarif hergestellte Belastungsniveau niedriger zu halten, als es ohne die „ergänzende” Verbrauchsbesteuerung möglich wäre; steuerpsychisch ein Vorteil, da stark progressive Einkommensteuersätze leistungslähmend und steuervermeidend wirken können. Andererseits gelingt es mithilfe der Verbrauchsbesteuerung, solche Personen zu besteuern, die trotz vorhandener Leistungsfähigkeit von der Einkommensteuer legal nicht erfasst werden oder sich ihr illegal entziehen konnten.
4. Ausgabensteuer: a) Eine völlige Abkehr vom Dualismus wäre die Erhebung einer Ausgabensteuer. Ausgestaltung und Wirkungsweise werden in der Finanzwissenschaft unter dem Aspekt diskutiert, ob Ausgaben nicht der bessere Indikator der Leistungsfähigkeit eines Menschen sind als sein Einkommen. Dann aber müsste die Ausgabensteuer als „allgemeine persönliche” eingerichtet werden mit Freibeträgen (und evtl. vergleichbarer Progression) wie bei der Einkommensteuer. Mehrwert- und Verbrauchsteuern könnten entfallen, was eine Vereinfachung des Steuersystems wäre.
b) Einen anderen Sinn erhält der Begriff Ausgabensteuer unter dem Aspekt der Steuerklassifikation nach der Richtung von Zahlungsströmen aus dem bzw. in das Budget eines Steuerpflichtigen (Ausgabensteuer): Ausgabensteuern sind Verbrauchsteuer, Mehrwertsteuer, Grunderwerbsteuer etc., Einnahmensteuern sind Einkommensteuer, Kirchensteuer, die Ertragsteuern etc.
5. Die Verbrauchsbesteuerung erfüllt zugleich die Funktion einer „Alternativbesteuerung”, die anstelle der „Normalbesteuerung” für den Fall erhoben wird, dass die Einkommensbesteuerung nicht angewendet wird, weil ein offensichtliches Missverhältnis zwischen dem Verbrauch und dem Einkommen besteht. Anhand der Höhe des Verbrauchs werden eine steuerliche Leistungsfähigkeit und das entsprechende Einkommen unterstellt. Die Höhe des tatsächlichen Einkommens wird indirekt erfasst. Es handelt sich um eine Verbrauchsbesteuerung des Einkommens, die bis 1981 nach § 48 EStG als „Besteuerung nach dem Verbrauch” durchgeführt wurde.
VII. Steuerharmonisierung in der EU:
Art. 9 EGV sieht die Harmonisierung der Verbrauchsteuern vor. Steuerverursachte Wettbewerbsverzerrungen sollen verhindert werden. Gegenwärtig gilt die Anwendung des Bestimmungslandprinzips beim grenzüberschreitenden Warenverkehr für die Verbrauchsbesteuerung als die systemgerechte Regel. Die nationalen Steuersätze differieren so stark, dass eine weitergehende Harmonisierung, die den völligen Abbau der Steuergrenzen wie bei den Zöllen bedeuten würde, nicht machbar erscheint.
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