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Unternehmensstrafrecht
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Inhaltsverzeichnis
Allgemein
Die Einführung eines allgemeinen Unternehmensstrafrechts in Deutschland, auch Verbandsstrafrecht genannt, war und ist immer wieder Gegenstand von Reformüberlegungen. Es geht darum, das deutsche Strafrecht auch auf Unternehmen selbst auszudehnen. Unternehmer kann eine natürliche oder eine juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft sein (§ 14 I BGB). Rechtssubjekte nach deutschem Recht sind natürliche Personen und juristische Personen (vgl. etwa §§ 1 ff. und §§ 21 ff. BGB). Natürliche und juristische Personen sind beide "rechtsfähig", können also Träger von Pflichten und Rechten sein. Juristische Personen sind allerdings bloße Fiktionen. Zwar erlangen sie als virtuelle, menschliche Kunstschöpfungen die Ausstattung und die rechtlichen Möglichkeiten, wie natürliche Personen am Rechtsverkehr teilnehmen zu können. Dieser allgemeine Gedankengang ist jedoch mit Bezug auf das geltende Strafrecht nicht vollzogen. Beim deutschen Strafrecht heutiger Konzeption steht allein der Mensch (natürliche Person) als Rechtssubjekt im Mittelpunkt. Juristische Personen als solche sind aufgrund nach wie vor gültiger richterlicher Feststellung, aufgrund des aktuell geltenden Rechtsverständnisses, nicht handlungsfähig (BVerfGE 20, 323, 335 f.; Beschluss vom 25.10.1966). Sie bedürfen, rein tatsächlich, natürlicher Personen (Menschen), die für sie handeln. Es gilt daher nach aktuellem Rechtsverständnis mit Bezug auf Bestrafung nach wie vor: "Bestraft oder mit Buße belegt werden kann die Gesellschaft als solche nicht." (BGHSt. 3, 130, 132, Beschluss vom 11.7.1952). Strafrechtliche Normen beziehen sich damit allein auf Menschen als natürliche Personen. Bei Verwirklichung kann für einen Menschen, auf Basis seiner persönlichen Schuld (nulla poena sine culpa - keine Strafe ohne Schuld), Bestrafung, auch in der Form von Freiheitsentzug im Gefängnis (§ 38 StGB), die Folge sein. Dieser persönlichkeitsbezogene Aspekt bereitet bei der Umsetzung auf juristische Personen aufgrund von deren Fiktionalität mindestens gedankliche Schwierigkeiten. Man tut sich auch rechtlich schwer damit, diesen Aspekt auf juristische Personen zu übertragen. Das wirkliche Leben, auch in unserem modernen Zeitalter, ist zudem auch noch nicht so weit, filmisch präsentierte Möglichkeiten umsetzen zu können. Weil man sog. Avatare als lebensechte Akteure für juristische Personen nicht einsetzen kann, für jene eine Gefängnisstrafe abzusitzen (für manch findigen Manager wäre die Realisierbarkeit einer solchen Möglichkeit sicher der Königsweg, den er seinem Unternehmen anraten würde), können sich Reformüberlegungen bei der Sanktionsform nur auf die Verhängung von Geldstrafe gegenüber Unternehmen beziehen.
Aktuelle Rechtslage nach dem OWiG
Auch wenn schon ohne die Neuregelung eines Unternehmensstrafrechts durch den Einsatz der bestehenden gesetzlichen Mittel nach OWiG durchaus erkleckliche Beträge erzielt werden können (siehe etwa die Geldbuße von 1 Mrd. € gegenüber VW wegen des Dieselskandals im Frühjahr 2018), wird das als unzureichend angesehen. Die Bußgeldhöhe ist gesetzlich auf nur zehn Millionen Euro begrenzt (vgl. § 30 Abs. 2 Nr. 1 OWiG). Wegen der Schwere der Schuld mitunter angezeigte Mehrbeträge, so auch im Fall Volkswagen, können nur über die Abschöpfungsvorschrift des § 29a OWiG ("Einziehung des Wertes von Taterträgen") erzielt werden. Das kann durch die Einführung einer entsprechend anders konzipierten Geldstrafe korrigiert werden. Diese Korrektur tut insbesondere auch deshalb Not, weil es das bei Verfahren nach dem OWiG geltende Opportunitätsprinzip (§ 47 Abs. 1 OWiG) nur ins pflichtgemäße Ermessen der Verfolgungsbehörde stellt, ob es überhaupt zur Bußgeldverhängung kommt oder nicht. Das ist bei Strafverfahren aufgrund von Strafvorschriften anders, hier gilt das Legalitätsprinzip, hier muss die Strafverfolgungsbehörde verfolgen, wenn hinreichender Tatverdacht vorliegt (vgl. §§ 152 Abs. 2, 170 Abs. 1 StPO).
Eigene Wertungen
a) Die Einführung eines Unternehmensstrafrechts ist geboten und damit zu befürworten. Mit der Fiktionalität juristischer Personen und dem rechtlichen Nebeneinander und der rechtlichen Dualität zu dahinter stehenden natürlichen Personen gehen, soziologisch gesehen, zwar trotzdem auch Parallelitäten und (Teil-)Identitäten einher. Top-Manager, das gilt insbesondere für Vorstände, sind in der Praxis de facto oft das Unternehmen, sie sind mit ihm nach der Eigen- und nach der Fremdwahrnehmung identisch, sie verkörpern es. Das ist auch so bei kleinen Unternehmen, wie z.B. einer Einmann GmbH. Als anzustrebender Effekt ist eine solche Identifikation grundsätzlich als positiv zu begrüßen. Nimmt das ganze jedoch ungute, negative Entwicklungen, indem z.B. Manager die ihnen zukommende Rolle als Gutsverwalter für die Eigentümer (vgl. auch bei Agency-Theorie und bei Prinzipal-Agent-Theorie) mit der eines Gutsherren tauschen und sich dazu dann noch von ihnen zu verantwortende unabgestimmte, risikoträchtige Maßnahmen gesellen, läuft das unweigerlich auf das Entstehen von Zielkonflikten zu. Das spätestens dann, wenn sich das Führungsmanagement, unkontrolliert durch einen Aufsichtsrat (dieser ist nach der Agenturtheorie ebenfalls ein Agent der Eigentümer), Unkorrektheiten bis hin zu Rechtsverstößen leistet. Dann jedenfalls greift die juristische Differenzierung. Weil es natürliche Personen sind, die für juristische Personen handeln, stellen sich dann für das privatrechtliche Rechtsverhältnis zwischen beiden (etwa zu Schadensersatzansprüchen gegen den - inzwischen ausgeschiedenen - Manager, vgl. dazu die Ausführungen zur Haftung bei Aufsichtsrat) und auch im betroffenen Bereich des Strafrechts Themen. Beim Strafrecht steht, wie eh und je, der Manager in der Verantwortung. Ohne die Klaviatur der verschiedenen Straftheorien mit dem Sinn und Zweck des Strafens zu bedienen (vgl. dazu Jörg Berwanger, ZRP 2016, 56): Es muss zusätzlich zu der Strafverfolgung gegen natürliche Personen möglich sein, dass der staatliche Sanktionsanspruch auch dort eingreift, wo die durch eine Straftat erlangten Vorteile hauptsächlich entstanden sind, bei den Unternehmen selbst. Ganz abgesehen davon, dass es am Ende immer natürliche Personen sind, die dahinter stehen - beispielhaft seien hier die Aktionäre einer AG genannt - eine Strafsanktionierung von Unternehmen darf jedenfalls nicht an deren Rechtsnatur in Form von juristischen Personen scheitern. Dem Interesse der staatlichen Gemeinschaft an der Erhaltung ihrer Grundwerte und an der Bewahrung des Rechtsfriedens kann nur dadurch Rechnung getragen werden, dass die Rechtsordnung bestimmte sozialschädliche Verhaltensweisen bei Strafe verbietet (in diesem Sinne die Rechtsprechung des BVerfG, vgl. sinngemäß etwa bei BVerfGE 51, 324, 343, Beschluss vom 19.6.1979).
b) Aufsehen erregende öffentliche Skandalfälle bieten im Übrigen oft soziologisch-psychologische Fundgruben zur Abgehobenheit von Unternehmen und ihrem Führungspersonal, die - gleichsam einsamen Flugkörpern im Orbit kreisend - mit drastisch negativen Governance-Beispielen und entsprechendem Kommunikationsgehabe aufwarten. Volkswagen (und andere Dieselspezialisten) ist ein solch gravierendes Beispiel, das in der Wahrnehmung des immer wieder aufs Neue ins Staunen versetzten Publikums eine Hybris offenbart, die dem bloßen Gutsherrenfeudalstatus in Richtung eines absoluten Monarchentums entwachsen ist. Dabei hat jedes kleine Kind längst erkannt, dass der Kaiser ja gar keine Kleider trägt. Auch insofern ist die Einführung eines Unternehmensstrafrechts geboten, nicht zuletzt um die handelnden natürlichen Personen wieder zu erden und davon überzeugen zu können, dass sie ihr Management korrekt und rechtskonform betreiben müssen. Denn ansonsten drohen ihnen künftig aufgrund eines neuen Unternehmensstrafrechts, nach dessen Einführung, als Regressfolgen Schadensersatzansprüche "ihrer" Unternehmen in ganz anderen Dimensionen, als das bisher der Fall ist (vgl. hierzu die Hinweise bei Haftung beim Stichwort Aufsichtsrat).
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