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Handel als Mittler zwischen Produzent und Verbraucher

Definition: Was ist "Handel als Mittler zwischen Produzent und Verbraucher"?

Im Zuge des Transfers von Gütern vom Produzenten zum Verbraucher kommt dem Handel eine zentrale Rolle zu. Aus Sicht vieler produzierender Unternehmen und Kunden ist der Handel das wichtigste Distributionsorgan, das die akquisitorische und die physische Verteilung der produzierten Güter übernimmt. Grundsätzlich lassen sich zwei Auffassungen von Handel unterscheiden, die auch in der sprachlichen Doppeldeutigkeit des Begriffs ‚Handel’ zum Ausdruck kommen: Handel im institutionellen Sinne und Handel im funktionellen Sinne.

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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Inhaltsverzeichnis

    1. Der institutionenorientierte Ansatz
    2. Der funktionenorientierte Ansatz

    Im Zuge des Transfers von Gütern (Handelsgut) vom Produzenten zum Verbraucher kommt dem Handel eine zentrale Rolle zu. Aus Sicht vieler produzierender Unternehmen (Produzent) und Kunden ist der Handel das wichtigste Distributionsorgan (Distributionspolitik), das die Aufgaben der akquisitorischen und physischen Verteilung der produzierten Güter (Distribution) übernimmt. Grundsätzlich lassen sich zwei Auffassungen von Handel unterscheiden, die auch in der sprachlichen Doppeldeutigkeit des Begriffs ‚Handel’ zum Ausdruck kommen:

    • Handel im institutionellen Sinne meint Institutionen, deren wirtschaftliche Tätigkeit ausschließlich oder überwiegend aus dem Handel im funktionellen Sinne be­steht. In der Amtlichen Statistik wird eine Unternehmung oder ein Betrieb dann dem Handel zugeordnet, wenn aus der Handelstätigkeit eine größere Wertschöpfung resultiert als aus einer zweiten oder aus mehreren sonstigen Tätigkeiten.
    • Handel im funktionellen Sinne liegt als Tätigkeit vor, wenn Marktteilnehmer Güter, die sie in der Re­gel nicht selbst be- oder verarbeiten von anderen Marktteilnehmern (z.B. Konsum- oder Industriegüterhersteller) beschaffen und an Dritte (z.B. Industrieunternehmen, Gewerbebetriebe oder Endverbraucher) absetzen. Manipulationen wie z.B. das Sortieren, Mischen oder Abpacken von Waren gelten dabei nicht als Be- oder Verarbeitung. In der Praxis wird der Begriff im Allgemeinen auf den Austausch von Sachgütern, noch häufiger auf den Austausch von beweglichen Sachgütern begrenzt.

    Die beiden Begriffsauffassungen finden ihren Eingang in zwei unterschiedliche Forschungszweige der Handelsbetriebslehre, nämlich dem institutionenorientierten und dem funktionenorien­tierten Ansatz, die im folgenden erläutert werden.

     

    Der institutionenorientierte Ansatz

    Im Mittelpunkt des institutionenorientierten Ansatzes steht das Bemühen, empirisch vor­kommende Organisationsformen des Handels zu beschreiben und zu klassifizieren. Hierbei wird zwischen Betriebsform und Betriebstyp unterschieden.

    Die Betriebsform charakterisiert die Stellung des Handelsbetriebs in der Distributionskette (vertikale Perspektive). So lassen sich zum Beispiel Großhandel und Einzelhandel als Betriebsformen differenzieren. Für den EU-Binnenmarkt (Einheitlicher Binnenmarkt) wurde im Jahr 1990 die Systematisierung der Betriebsformen des Handels harmonisiert. Diese Systematik untergliedert den Handel in Kraftfahrzeughandel, Handelsvermittlung, Großhandel und Einzelhandel; Letzterer wird noch weiter differenziert (z.B. in stationären und ambulanten Verkaufsräumen stattfindender Einzelhandel, vgl. stationärer Handel, ambulanter Handel).

    Der Betriebstyp zeichnet eine Variante von Handelsbetrieben, die auf einer Wirtschaftsstufe auftritt und sich durch gleiche oder ähnliche Kombinationen von Merkmalen auszeichnet, die über einen längeren Zeitraum beibehalten werden (horizontale Perspektive). Bei der Wahl des Betriebstyps handelt es sich um eine strategi­sche Entscheidung, bei der ein Handelsbetrieb seine Struktur, sein Leistungsspektrum und seinen Marktauftritt festlegt.

    1. Großhandel

    Zum Großhandel sind solche Handelsbetriebe zu zählen, die Güter, die sie in nicht selbst be- oder verarbeiten (Handelswaren), von Herstellern oder anderen Lieferanten beschaffen und vornehmlich an Wiederverkäufer (z.B. Einzelhandel), Weiterverarbeiter (z.B. Industriebetriebe), gewerbliche Verwender (z.B. Behörden, Bildungsstätten) oder an sonstige Institutionen (z.B. Kantinen, Vereine), soweit es sich nicht um private Haushalte handelt, absetzen. Die Betriebstypen des Großhandels lassen sich u.a. anhand der regionalen Ausrichtung, der Dienstleistungs- und Logistikintensität, des Schwer­punkts der Markttätigkeit sowie der Sortimentsdimensionierung (Sortiment) differenzieren. Beispiel­haft seien folgende Betriebstypen angeführt:

    – Binnengroßhandelsbetriebe (Binnengroßhandel), deren Aktivitäten sich auf ein Land beschränken, die mithin innerhalb nationaler Grenzen eines Staates angesiedelt sind, und die sowohl auf der Beschaffungs- als auch auf der Absatzseite ausschließlich mit inländischen Marktpartnern zusammenarbeiten,

    – Außengroßhandelsbetriebe (Außengroßhandel), deren Aktivitäten sich zwischen Ländern abspielen und damit über die nationalen Grenzen eines Staates hinausreichen:

    • Exporthandelsbetriebe (Ausfuhrhandel): Einkauf im Inland, Absatz im Ausland,
    • Importhandelsbetriebe (Einfuhrhandel): Einkauf im Ausland, Absatz im Inland,
    • Transithandelsbetriebe (Transithandel): Einkauf und Absatz im Ausland,
    • Globalhandelsbetriebe (Außengroßhandelsbetriebe, die mehr als die Hälfte ihres Umsatzes im Ausland beschaffen und gleichzeitig absetzen).

    – Kollektierender Großhandel (Schwerpunkt: Beschaffungsseite):

    • Detailkollekteur (z.B. der Schrotthandel als Aufkaufgroßhandel),
    • Grossokollekteur (z.B. landwirtschaftlicher Aufkaufhandel in großen Partien mit spezifischen Manipulationen wie Sortierung und Reinigung).


    – Distribuierender Großhandel (Schwerpunkt: Absatzseite),

    – Grossierer als Großhandelsbetrieb, der an Einzelhandelsbetriebe, gewerbliche Verwen­der und Großverbraucher absetzt,

    – Zentralgrossierer als Großhandelsbetriebe, die an zentralen Marktplätzen ansässig sind und vornehmlich an andere Großhandelsbetriebe absetzen (z.B. die Zentralen der Handelsgruppen im Lebensmittelhandel).

    Ein weiterer Betriebtyp des Großhandels ist der Cash-&-Carry-Großhandel, bei dem die Kunden nach dem Selbstbedienungsprinzip die gewünschten Produkte in einem Markt selbst zusammenstellen, bezahlen und abtransportieren. Das Leistungsangebot richtet sich ausschließlich an gewerbliche Kunden und Großverbraucher (z.B. Gastronomie, Großküchen und Kantinen, Krankenhäuser, soziale Einrichtungen). Metro Cash&Carry gilt als Weltmarktführer in diesem Segment.

    Der Zustellgroßhandel beliefert in regelmäßigen Abständen selbstständige Lebensmitteleinzelhändler mit einem Food- und Non-Food-Sortiment. Der Großverbraucher-Zustelldienst versorgt turnusmäßig Großverbraucher mit einem Spezialsortiment (Nahrungsmittel, Gastronomie- und Anstaltsbedarf).

    Einen weiteren Betriebstyp des Großhandels repräsentiert der Produktionsverbindungshandel. Hierbei handelt es sich um Großhandelsbetriebe, die Produktionsbetriebe mit Investitionsgütern, Roh-, Hilfs- oder  Betriebsstoffen beliefern.

    2. Einzelhandel

    Der Einzelhandel beschafft Güter, die er nicht selbst be- oder verarbeitet (Han­delswaren), von anderen Marktteilnehmern und setzt vornehmlich an private Haushalte ab. Zur Systematisierung der Betriebstyp des Einzelhandels bieten sich u.a. folgenden:

    Die Charakterisierung der einzelnen Betriebsty­pen bezieht sich nicht auf sämtliche, sondern nur auf die jeweils konstituierenden Merkmale. Wegen Überschneidungen ist es nicht möglich, sämtliche derzeit existierenden Be­triebstypen eindeutig zu klassifizieren. Probleme ergeben sich u.a. dort, wo ein Betriebstyp durch mehrere Merkmale gekennzeichnet ist. Auf einer oberen Gliederungsebene wird zwischen Betriebstypen des Einzelhandels mit festem Standort (stationärer Handel), solchen mit beweglichen Standorten (ambulanter Handel wie Hausierhandel, Markt- oder Messehandel (Messe), Straßenhandel) und dem Versandhandel unterschieden. Wichtige Betriebstypen des Einzelhandels sind Fachgeschäft, Spezialgeschäft, Warenhaus, Kaufhaus, Gemischtwarenladen, Verbrauchermarkt, Supermarkt, SB-Geschäft, Discounter, Fachmarkt, Einkaufszentrum, Automatenverkauf und Katalogschauraum. In Tab. 1 finden sich die Profile ausgewählter Betriebstypen des Einzelhandels.

    Tab. 1: Profile ausgewählter Betriebstypen des Einzelhandels
    (Quelle: Institut für Handels­forschung an der Universität Köln 2006; Metro Group 2008).

    Betriebstyp/Vertreter

    Ausgewählte Charakteristika

    Convenience Store

    Betriebstyp, der durch ein eng begrenztes Sortiment an Waren des täglichen Bedarfs und Dienstleistungen bis hin zu einem kleinen Gastronomiebereich charakterisiert ist. Die Öffnungszeiten überschreiten häufig die üblichen Ladenschlusszeiten. Typische Vertreter sind bspw. Nachbarschaftsmärkte und Tankstellen-Shops.

    Discounter (Lebensmittel)

    Aldi, Lidl, Penny, Netto, Norma

    Betriebstyp mit eng begrenztem sowie flachem Sortiment von Waren (i.d.R. zwischen 780 und 1.600 Artikel) mit hoher Umschlagshäufigkeit; geringer Aufwand für Warenprä­sentation oder Ladeneinrichtung und Service sowie Beratung. Charakteris­tisch ist die aggressive Niedrigpreispolitik. Zumeist ein mittelflächiger Betrieb mit Verkaufsflächengrößen von max. 1.000 m². Die Spezialform Harddiscounter zeichnet sich durch bes. starke Einschränkungen bez. Warensortiment (rund als 1.000 Produkte im Sortiment) sowie hohe Preisaggressivität aus.

    Einkaufszentrum bzw.
    Shop­ping-Center oder -Mall

    Breuningerland/Stuttgart, CentrO/Oberhausen,
    ElbeParkDresden,
    Olympia-Einkaufszentrum/München,
    Rhein-Neckar-Zentrum/Viernheim,
    Weserpark/Bremen

    Ein Einkaufszentrum ist eine im Zeitablauf gewachsene (dann auch als Geschäftszentrum bezeichnet) oder als Ein­heit geplante Konzentration von Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben, die als zusammengehörig wahrgenommen werden. Die als Einheit geplanten Einkaufszentren können in Wohn-, Gewerbe- oder Mischgebieten oder am Rande und außerhalb von Wohngebieten bzw. an sonstigen Standorten errichtet sein.

    Innerstädtische Einkaufszentren können als große über­dachte Gebäudekomplexe, Passagen, Galerien oder offene Ladenstraßen konzipiert sein. Sie ergänzen das in den etablierten Einkaufslagen vorhandene Einzelhandelsange­bot.

    Einheitlich geplante Einkaufszentren, zumeist an Verkehrsströmen ausgerichteten Solitärstandorten oder in Stadtteilzentren, verfü­gen über eine breite Mischung von Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben (z.B. Gaststätten, Kreditinstitute, Reisebüros, Kinos; sog. Branchen-Mix). Leitbetriebe sind sowohl Warenhäuser, Kaufhäuser oder SB-Warenhäuser als auch große Fachge­schäfte. Die Eigentümer und Träger geplanter Einkaufs­zentren sind bestrebt, das äußere Erscheinungsbild und die Marketing-Strategie durch ein zentrales Management zu gestalten (sog. Center-Management).

    Ein Factory-Outlet-Center (FOC) repräsentiert eine spezielle Form eines Einkaufszentrums, in dem Geschäfte angesiedelt sind, die jeweils nur eine Marke führen. FOCs finden sich im Regelfall auf der grünen Wiese und werden einheitlich geplant, finanziert, erstellt und gemanagt. Typischerweise finden sich hier Geschäfte aus den Branchen Mode/Textilien, Lederwaren, Schuhe, Accessoires und Schmuck. Im Wesentlichen werden Zweite-Wahl-Artikel, Produktionsüberhänge, Auslaufmodelle oder Musterkollektionen mit deutlichen Preisreduktionen angeboten.

    Fachgeschäft

    Spirituosen-, Textilfachgeschäft

    Einzelhandelsbetrieb, der Waren einer Branche bzw. eines Branchenbereichs (spezielles Fachsortiment wie z.B. Sportartikel) oder für eine Bedarfsgruppe überwiegend mittlerer und hoher Qualität meist nach dem Bedienungsprinzip (qualifizierte Beratung durch fachkundiges Personal) anbietet. Es überwiegen kleine und mittlere Verkaufsflächen mit i.d.R. unter 1.000 m². Das Angebot wird durch diverse Serviceleistungen (etwa Montageservice) er­gänzt.

    Fachmarkt

    Schlecker, dm, Rossmann, Müller, Ihr Platz

    Media Markt, Saturn, Red Zac

    OBI, Praktiker, Bauhaus, Hornbach, Toom, Hagebau

    Ein nach Warenbereich (Ware, z.B. Bekleidungsfachmarkt, Schuhfachmarkt), Bedarfsbereich (z.B. Sportfachmarkt, Baufachmarkt) oder Zielgruppenbereich (z.B. Möbel- und Haushaltswarenfachmarkt für designorientierte Kunden) spezialisierter Ein­zelhan­delsbetrieb, der im Regelfall ebenerdig auf größeren Verkaufsflächen (i.d.R. ab 1.000 m², Ausnahme: Drogerie-, Schuh- und Tex­tilmärkte, die sich öfters auch in Innenstadtlagen befinden) bei tendenziell niedrigem bis mittlerem Preisniveau in übersichtlicher Präsentation ein breites und oft auch tiefes Sortiment anbietet. Standort meist autokundenorientiert entweder isoliert oder in gewachsenen und geplanten Zentren mit großem Parkplatzangebot.

    Je nach Sortiment sind im Vergleich zu anderen Betriebstypen im Einzelhandel vergleichsweise häufig neben privaten Abnehmern auch gewerbliche Kunden (z.B. Handwerker beim Sanitär- und Fliesenfachmarkt und beim Installationsfachmarkt) oder Dienstleistungsbetriebe (z.B. Gaststätten beim Drogeriemarkt und beim Getränkefachmarkt) anzutreffen.

    Die Verkaufsmethoden sind Selbstbedienung und Vorwahl, meist mit der Möglichkeit einer fachlichen und sortimentsspezifischen Beratung auf Wunsch des Kunden. Im Fachmarktbereich sind auch Franchisesysteme anzutreffen.

    Serviceorientierte Fachmärkte bieten neben einem Warensortiment auch eine Vielfalt sortimentsbezogener und selbständig vermarktbarer Dienstleistungen (z.B. Reise-, Versicherungsleistungen). Discountorientierte Fachmärkte verzichten oft auf jegliche Beratung und Dienstleistung zugunsten niedriger Preise. Der Spezialfachmarkt führt Ausschnittssortimente (z.B. Fliesenfachmarkt, Holzfachmarkt) aus dem Programm eines Fachmarktes (z.B. Baumarkt).

    Kaufhaus

    C&A

    H&M

    SinnLeffers

    Größerer Einzelhandelsbetrieb (ab ca. 1.000 m² Verkaufs­fläche), der – zumeist Bedienungs- und Selbstbedienungs­prinzip kombinierend – Waren aus einer oder wenigen Branchen, davon wenigstens aus einer Branche in tiefer Gliederung, anbietet. Am stärksten verbreitet sind Textil- und Bekleidungskaufhäuser. Standortlage in Innenstädten, Nebenzentren oder Shopping-Centern.

    Eine Sonderform, die mittlerweile vom Aussterben bedroht ist und die sich durch eine Positionierung im unteren Preisniveau auszeichnet, ist das Billigkaufhaus (Woolworth; früher Kaufhof-Tochter Kaufhalle, Hertie-Ableger Bilka).

    Supermarkt (von lat.: super =
    über, mercatus = Handel)

    E aktiv markt, Edeka Markt,
    E neukauf, Ihre Frische,
    Kaiser´s, Marktfrisch,
    Markant, Tengelmann

    Ein Selbstbedienungsgeschäft, das überwiegend Nahrungs- und Genussmittel einschließlich Frischwaren (Obst, Gemüse, Südfrüchte, Fleisch, Molkereiprodukte) sowie be­stimmte Ver- und Gebrauchsgüter anbietet und heutzutage weitgehend die Funktion eines Nachbarschaftsladens übernimmt. Das Sortiment umfasst zwischen 7.000 und 12.000 Artikeln. Die Verkaufs­fläche reicht von 400 m² bis ca. 1.500 m², wobei der Anteil der Fläche für Nonfood im Regelfall unter 25 Prozent liegt.

    Verbrauchermarkt oder
    SB-Warenhaus

    Real, Extra, Marktkauf, E center, Kaufland, KaufMarkt, Toom, Minimal, Globus

    Zumeist preispolitisch aggressiver, großflächiger Einzel­handelsbetrieb (1.500 – 4.999 m² Verkaufsfläche), der vor allem Nahrungs- und Genussmittel in Selbstbedienung anbietet. Mit zuneh­mender Größe verlagert sich der Schwerpunkt zu den Sor­timenten der aperiodischen Bedarfsdeckung, sofern sie für die Selbstbedienung geeignet sind und rasch umgeschlagen werden können. Das Sortiment umfasst zwischen 21.000 und 40.000 Artikeln und damit deutlich mehr als Supermärkte und Discounter. Dieser Betriebstyp findet sich häufig an verkehrsgünstigen Randlagen, verfügt über ein großzügi­ges Parkplatzangebot und verzichtet meist auf kostspielige Serviceleistungen.

    SB-Warenhäuser sind zwar den Verbrauchermärkten planungsrechtlich gleichzustellen, verfügen aber im Gegensatz zu diesen über 5.000 m² Ver­kaufsfläche. Sie bieten zwischen 33.000 und 63.000 verschiedene Artikel überwiegend in Selbstbedienung an. Neben Lebensmitteln werden auch Gebrauchs- (= längerfristig nutzbar wie z.B. Haushaltsgeräte) und Verbrauchsgüter (etwa Bekleidung).

    Warenhaus/Kleinpreiskaufhaus

    Karstadt

    Kaufhof

    Hertie

    Überwiegend mehrgeschossiger Einzelhandelsgroßbetrieb in zentraler Lage, der Waren aus zahlreichen Branchen – Hauptrichtung Bekleidung, Textilien, Hausrat, Wohnbe­darf – teilweise auch Nahrungs- und Genussmittel anbietet. Die Verkaufsmethode kombiniert das Bedienungs- mit dem Selbstbedienungsprinzip, wobei das Bedienungsprin­zip bei beratungsintensiven Warengruppen die Regel ist. Häufig ist ein eigenes Parkhaus angegliedert.

     

    Eine wesentliche unternehmerische Entscheidung für stationär arbeitende Handelsbetriebe ist die Auswahl eines geeigneten Standorts. Häufig siedeln sich Handelsbetriebe bei Unternehmen der gleichen (branchengleiche Agglomeration) oder anderer Branchen (branchenungleiche Agglomeration) an. Eine solche räumliche Konzentration wird als Agglomeration bezeichnet. Durch die große Auswahl an Produkten und Dienstleistungen erhöht sich die Attraktivität eines derartigen Standorts, was sich in erhöhter Kundenfrequenz und damit einem größeren Absatzpotenzial für das einzelne Unternehmen niederschlägt. Typische Beispiele für eine Agglomeration sind Fußgängerzonen, in denen sich unterschiedliche Betriebstypen des Handels mit differierenden Sortimenten zusammen mit Gastronomiebetrieben, Telekommunikationsanbietern, Kinos etc. in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander ansiedeln. Eine branchengleiche Agglomeration bedeutet, dass die Konzentration von ähnlich strukturierten Einzelhandelsbetrieben miteinander im Wettbewerb steht. Branchenungleiche Agglomeration heißt, dass in einem Shopping-Center unterschiedliche Branchen und Betriebsformen des Einzelhandels sowie sonstige Dienstleistungsbetriebe räumlich zusammengefasst werden.

    Dem institutionenorientierten Ansatz haftet die Kritik mangelnder Aktualität aufgrund einer statisch-deskriptiven Perspektive an, da die meisten Betriebsformen und -typen im Zeitablauf einem Wandel unterliegen. Theoretisch untermauert wird dieser Vorwurf durch die Theorie von der Dynamik der Betriebstypen (sog. „Wheel of Retailing“; [vgl. Barth 1988, S. 117 – 121]), die Gesetzmäßigkeiten über die Entwicklung von Handelsbetrieben aufstellt. Diesem Konzept folgend durchläuft jeder Betriebstyp vier Phasen, die durch die in Tab. 2 angeführ­ten Besonderheiten charakterisiert sind.

    Tab. 2: Dynamik der Betriebstypen
    (Quelle: in Anlehnung an Nieschlag/Kuhn 1980, S. 85 ff.)

    Phase

    Charakteristika

    Entstehung

    • Aggressive Preisstrategie
    • Reduziertes Leistungsangebot (Auffinden preisgünstiger Bezugsmöglichkeiten, keine Bedienung/Beratung, drastische Reduzierung bzw. vollständiger Verzicht auf Serviceleistungen und zusätzliche Dienstleistungen, gezielte Sortimentsbegrenzung und Konzentration auf Schnelldreher [Artikel bzw. Produkte mit hoher Umschlagshäufigkeit], einfache Ladenausstattung, rationeller Einsatz der übrigen Betriebsmittel (etwa Kasse, Lager, Fuhrpark etc.) etc.

    Aufstieg

    • Marktanteilsgewinne
    • Umsatzexpansion bei günstiger Gewinnentwicklung

    Reife

    • Stagnation von Umsatz und Gewinn (Ursache: Imitatoren, neue Betriebstypen, verändertes Konsumentenverhalten), Einsetzen von „Store Erosion“ (= konzeptioneller Verschleiß eines Betriebstyps)
    • Trading-up durch verstärkten Einsatz von Nicht-Preisparame­tern (Sortimentsausweitung, Intensivierung des Kunden­dienstes etc.)

    Assimilation

    • Verlust der preispolitischen Flexibilität aufgrund erhöhter Be­triebskosten
    • Annäherung des neuen Betriebstyps an konventionelle Be­triebstypen
    • Dadurch Einstiegspotenzial für neue Betriebstypen

     

    Wenn die Theorie des „Wheel of Retailing“ auch ausschließlich auf das Preis-­Leistungs­verhältnis fokussiert und die Entstehung des Erlebnishandels als Gegenbeispiel gelten kann, bleibt doch unbestritten, dass die meisten Betriebsformen und -typen im Zeitablauf einem Funktionswandel unterliegen.

     

    Der funktionenorientierte Ansatz

    Die funktionenorientierte Handelsbetriebslehre, die zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts entwickelt wurde, begegnet der Kritik am institutionenorientierten Ansatz und verfolgt dabei das Ziel, den Vorwurf von der im Vergleich zur Industrie scheinbaren Unproduktivität des Handels und der Ausbeutung des Verbrauchers durch überhöhte Handelsspannen zu entkräften.

    Ausgangs­punkt war die Erkenntnis, dass zwischen Produktion und Konsum räumliche, zeitliche, quantitative und qualitative Spannungen bestehen, die sich auf die Handelsobjekte (Waren (Handelswaren), Dienstleistungen, Rechte (Immaterialgüterrechte) sowie Abfall), Entgeltobjekte (Zahlungsmittel, -ansprüche und -ver­bindlichkeiten, Steuern, Gebühren) sowie Daten und Informationen beziehen (vgl. Tab. 3).

    Tab. 3: Systematik der Distributionsfunktionen des Handels
    (Quelle: Treis 2001, S. 563 – 569; in Anlehnung an Ahlert 1996, S. 12)

    Prozess-
    beziehungen

    Dimensionen

    Raum

    Zeit

    Quantität

    Qualität

    Realgüter-
    strom

     

     

     

     

     

     

    Warentransporte von Ort zu Ort

    Vorratshaltung

    Sammeln, Auf­teilen, Umpa­cken, Kommis­sionieren

    (Aus-)Sortieren, Manipulieren (z.B. Mischen, Abpacken), Markieren, Sortimen­tieren, Zusatz­leistungen

    Nominalgüter-
    strom

     

     

     

     

     

     

     

    Übermitteln der Zahlungsmittel von Ort zu Ort

    Vorfinanzieren des Herstellers, Kreditieren des Verbrauchers

    Sammeln, Auf­teilen der Zah­lungsbeträge und
    -belege

    Umwandeln der Zahlungsmittel (z.B. im interna­tionalen Waren­verkehr) und Si­cherungsformen

    Informations-
    strom

     

     

     

     

     

    Übermitteln von Informationen von Ort zu Ort

    Speichern, Vor­disponieren

    Sammeln von Informationen, Aufteilen von Kommunikati­onsmitteln (z.B. bei Werbekos­tenzuschüssen)

    Verdichten, Kommentieren, Interpretieren, Ergänzen, Prog­nostizieren

     

    Die Funktionen des Handels können am Beispiel des Realgüterstroms verdeutlicht werden:

    1. Abbau räumlicher Spannungen

    Ursache für solche Friktionen ist die räumliche Trennung zwischen Herstellung und Gebrauch bzw. Verbrauch von Gütern. Der Handel löst dieses Problem durch seine Be­schaffungs- und Transportsysteme und erreicht dadurch, dass die Ware vom Ort der Pro­duktion zum Ort des Konsums gelangt.


    2. Abbau zeitlicher Spannungen

    Während der Hersteller den sofortigen Absatz seiner Produktion präferiert, tendiert der Nachfrager zu einem zeitlich versetzten Beschaffungsverhalten. Der Handel baut diese Spannung durch seine Vorratshaltung ab.


    3. Abbau quantitativer Spannungen (Mengenausgleichsfunktion)

    Indem der Handel die Waren durch Aufteilen, Umpacken und Kommissionieren (Kommissionierung) men­genmäßig aufteilt, gleicht er zwischen der Herstellung in großen und damit betriebswirt­schaftlich stückkostensenkenden Mengen durch die Industrie und der Verwendung in kleinen, ge- oder verbrauchsgerechten Mengen durch den Verbraucher aus.


    4. Abbau qualitativer Spannungen (Qualitätsfunktion)

    Die Vorstellungen von Nachfragern und Herstellern über Nutzen und Verwendungsfä­higkeit von Versorgungsobjekten können voneinander abweichen. Die hieraus resultie­renden Spannungen versucht der Handel durch (Aus-)Sortieren, Manipulieren, Markie­ren, Sortimentieren sowie das Angebot von Zusatzleistungen abzubauen.

    Der Realgüterstrom fließt jedoch nicht nur vom Produzenten zum Verbraucher, sondern auch in umgekehrter Richtung (sog. Redistribution). Auch hier erfüllt der Handel eine wichtige Funktion, z.B. beim Flaschenpfandsystem. Insbesondere dem Lebensmitteleinzelhandel stellt sich das Problem einer effizienten Redistribution im Zusammenhang mit defekten (in der Garantiezeit), zurückgegebenen oder nicht abverkauften (im Falle entsprechender Rücknahmevereinbarungen mit den Lieferanten) Aktionsartikeln, die dezentral in den Vorratslägern der Filialen oder zentral (etwa im Logistikzentrum) gesammelt und zum festgelegten Abholungstermin an den Lieferanten zurückgegeben werden.

    Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass in der Literatur noch eine Kreditfunktion sowie eine Werbefunktion angeführt wird. Sie entsprechen im Wesentlichen den in Tab. 3 angeführ­ten Funktionen des Handels zur Steuerung des Nominalgüter- und Informationsstroms. Dieser Ansatz wird in jüngerer Zeit durch Sozialfunktionen erweitert: Hierzu zählen das Einkaufen als Freizeitbeschäftigung sowie Handelsbetriebe als Ort menschlicher Kontakte. Diesem Bedürfnis versucht besonders der Erlebnishandel gerecht zu werden.

    Den Überlegungen des funktionalen Erklärungsansatzes folgend bezieht der Handel seine Existenzberechtigung dadurch, dass es je nach Betriebsform bzw. -typ mehr oder minder stark zum Abbau der skizzierten Spannungen beiträgt. Bezieht man die vorliegenden Er­kenntnisse auf die Frage nach der Wahl des Vertriebsweges, so wird ein Hersteller diejeni­gen Absatzmittler wählen, welche die von ihm gewünschten Handelsfunktionen am besten er­füllen.

    Der Handel wirkt als Transaktionskostenminimierer: Produzenten und Konsumenten sind immer dann bereit, Handelsbetriebe in der Wertschöpfungskette zu nutzen, wenn ihre Transaktionskosten dadurch sinken.

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