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Internationalisierung der Wirtschaftsprüfung

Definition: Was ist "Internationalisierung der Wirtschaftsprüfung"?

Die Internationalisierung der Wirtschaftsprüfung begann in den 1950er-Jahren, als amerikanische Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (WPG) die Auslandsexpansion ihrer Mandanten begleiteten, teils weil diese grenzüberschreitende Prüfungs- und Beratungsleistungen erwarteten, teils weil die WPG im Ausland eigene Wachstumschancen sahen. Durch Gründungen von ausländischen Tochtergesellschaften, durch Fusionen und Kooperationen, aber auch durch das Ausscheiden einer bis dahin international führenden Gesellschaft nach Bilanzskandalen, formten sich unter maßgeblichem Einfluss der großen amerikanischen WPG nunmehr vier weltweit agierende Prüfernetzwerke.

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Inhaltsverzeichnis

    1. Grenzüberschreitende Wirtschaftsprüfungsleistungen und US-amerikanischer Einfluss
    2. Grenzüberschreitende Rechnungslegungs- und Prüfungsnormen
    3. Grenzüberschreitende öffentliche Wahrnehmung von Besonderheiten und Problemen der Abschlussprüfung
      1. Haftung des Abschlussprüfers
      2. Sicherung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers

    Grenzüberschreitende Wirtschaftsprüfungsleistungen und US-amerikanischer Einfluss

    Die Berufsstatistik der Wirtschaftsprüferkammer (WPK) weist für Mitte 2012 mehr als 14.400 Wirtschaftsprüfer (WP) und mehr als 2.700 Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (WPG) aus. Die zahlreichen Mandate dieser Mitgliedergruppen der WPK können nicht über die in der Bundesrepublik Deutschland und weltweit erhebliche Konzentration auf dem Markt für Prüfungen von Unternehmen hinwegtäuschen. So wird in Deutschland die Mehrzahl der Abschlüsse (Jahresabschlüsse und konsolidierte Abschlüsse) größerer Unternehmen von nur wenigen WPG testiert. Für die Abschlüsse der im Börsenindex DAX notierten Unternehmen sind Abschlussprüfer aus nur vier WPG sowie deren Tochtergesellschaften zuständig (Stand: Abschlüsse für 2011 bzw. 2010/2011), wobei sich die meisten dieser Mandate auf nur zwei der vier WPG verteilen. Jede der deutschen „Großen Vier“ gehört einem von vier global organisierten Verbunden oder Netzwerken an, den „Big Four. Nach dem für die Abschlussprüfung geltenden § 319b HGB liegt ein Netzwerk vor, wenn Personen bei ihrer Berufsausübung zur Verfolgung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen für eine gewisse Dauer zusammenwirken. Die jeweiligen nationalen Mitglieder (Prüfungsunternehmen) der vier globalen Netze sind zwar rechtlich und wirtschaftlich weitestgehend selbstständig; die Prüfungsunternehmen eines jeden Netzwerkes treten länderübergreifend aber so einheitlich auf, dass die Netzwerke wie auch ihre jeweiligen nationalen Mitglieder vereinfachend oft als die vier weltweiten Gesellschaften bezeichnet werden. Sie haben – insgesamt betrachtet – jeweils mehr als 140.000 Mitarbeiter und sind jeweils in mehr als 150 Ländern tätig.

    Die Internationalisierung der Wirtschaftsprüfung begann in den 1950er-Jahren, als US-amerikanische WPG die Auslandsexpansion ihrer Mandanten begleiteten, teils weil diese grenzüberschreitende Prüfungs- und Beratungsleistungen erwarteten, teils weil die WPG im Ausland eigene Wachstumschancen sahen. Durch Gründungen von ausländischen Tochtergesellschaften, durch Fusionen und Kooperationen, aber auch durch das Ausscheiden einer weiteren bis dahin international führenden WPG nach Bilanzskandalen, formten sich unter maßgeblichem Einfluss großer amerikanischer WPG (der früheren „Big Eight) die vier Verbunde. Neben den Netzwerken der heutigen „Big Four” sind zahlreiche länderübergreifende Kooperationen v.a. mittelgroßer WPG entstanden.

    Diese historische Entwicklung deutet an, dass die Internationalisierung der Wirtschaftsprüfung bisher nicht als gleichgewichtige gegenseitige Beeinflussung verschiedener Staaten verstanden werden kann. Angelsächsische Länder, v.a. die USA als die größte Wirtschafts- und Handelsnation und als Staat mit dem bedeutendsten Kapitalmarkt, haben erheblich die Entwicklung von Prüfungsnormen und Prüfungsusancen geprägt. So haben die nationalen amerikanischen Prüfungsstandards des American Institute of Certified Public Accountants (AICPA) die von der International Federation of Accountants (IFAC) herausgegebenen internationalen Normen wesentlich beeinflusst.

     

    Grenzüberschreitende Rechnungslegungs- und Prüfungsnormen

    In vielen Ländern, so in Deutschland, werden die für WP maßgeblichen nationalen Normen durch internationale Institutionen geprägt. Viele Harmonisierungen der Rechnungslegung und Prüfung folgen auch aus wichtigen Rechtsakten der Europäischen Union. Zu prüfen sind zahlreiche Abschlüsse, die nach den Rechnungslegungsvorschriften der International Financial Reporting Standards (IFRS) aufgestellt sind. Nach näherer Bestimmung des § 315a HGB müssen oder können Konzernabschlüsse nach denjenigen IFRS aufgestellt werden, die von der EU-Kommission übernommen („freigegeben”) worden sind. Speziell zum Zwecke der Offenlegung im elektronischen Bundesanzeiger ist auch die Aufstellung eines Einzelabschlusses nach IFRS möglich; vgl. § 325 IIa HGB.

    Neben den – zunehmend Einfluss gewinnenden – IFRS sind weltweit die amerikanischen Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) bedeutsame Bilanzierungsnormen. Für viele Rechnungslegende erscheinen inzwischen global einheitliche Bilanzierungsstandards für kapitalmarktorientierte/international tätige Unternehmen erstrebenswert.

    Neben die Rechnungslegungsnormen sind länderübergreifend akzeptierte Prüfungsnormen getreten, die International Standards on Auditing (ISA) der IFAC. Die IFAC ist ein Zusammenschluss von mehr als 160 mit dem Rechnungs- und Prüfungswesen befasster Berufsorganisationen aus rund 130 Staaten. Anstelle einer Weiterentwicklung seiner früheren einschlägigen Fachgutachten und Stellungnahmen zum Prüfungswesen hat das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) bereits seit Ende der 1990er-Jahre die ISA, unter Berücksichtigung deutscher Besonderheiten, in nationale Prüfungsstandards transformiert.

    Als einflussreiche europäische Harmonisierungsquelle für die Prüfung ist vor allem die Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen (geändert durch die Richtlinie 2008/30/EG vom 11.3.2008) zu nennen. Diese bis zum Jahre 2010  in allen EU-Mitgliedsländern jeweils in nationales Recht umgesetzte „Abschlussprüferrichtlinie“ strebt unter anderem EU-weite Vereinheitlichungen bei der Zulassung und den zu beachtenden Berufsgrundsätzen von Abschlussprüfern, beim Qualitätssicherungssystem und bei der öffentlichen Aufsicht über Abschlussprüfer an. Besondere Bestimmungen gelten für die Abschlussprüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse. Diese Bestimmungen enthalten erweiterte Unabhängigkeits- und Qualitätssicherungs­anforderungen. Zudem hat der Prüfer dieser Unternehmen auf seiner Website einen jährlichen Transparenzbericht zu veröffentlichen. Ein Unternehmen von öffentlichem Interesse muss über einen Prüfungsausschuss verfügen.

    Nachdem viele Forderungen der „Abschlussprüferrichtlinie“ in der Bundesrepublik zuvor bereits berufsüblich bzw. Bestandteil deutschen Rechts waren oder in den vergangenen Jahren zu nationalem Recht geworden sind, setzte das BilMoG im Jahre 2009 verbliebene Anforderungen der Richtlinie – teilweise durch differenzierte Einzelregelungen – in nationales Recht um. So besitzen nach § 317 V HGB diejenigen ISA, welche von der EU-Kommission übernommen („freigegeben“) werden, unmittelbare Geltung. Nach deutschem Recht (§ 317 VI HGB) können die ISA jedoch durch Rechtsverordnung erweitert werden oder es kann eine Nichtanwendung von Teilen dieser Standards verfügt werden. Aufgrund der unmittelbaren Geltung ändert sich zukünftig auch die Bedeutung der IDW-Prüfungsstandards, die fortan primär nur für nicht in den ISA geregelte Sachverhalte (dies betrifft etwa den Prüfungsbericht nach § 321 HGB) sowie für Erläuterungen Bedeutung haben.

    Im Oktober 2010 veröffentlichte die Europäische Kommission das Grünbuch (Diskussionspapier, das Beratungen entfachen und zu späteren EU-Rechtsakten führen soll) „Weiteres Vorgehen im Bereich der Abschlussprüfung: Lehren aus der Krise“. Federführend für den Bereich Wirtschaftsprüfung innerhalb der Europäischen Kommission ist die General­direktion Binnen­markt und Dienstleistungen (GD MARKT), speziell deren Referat Wirtschaftsprüfungswesen. Das Grünbuch beabsichtigt, als Lehre aus der im Jahre 2007 begonnenen Finanzkrise zahlreiche neue Reformen im Wirtschaftsprüfungswesen anzustoßen. Der höchst kontrovers geführten Diskussion zum Grünbuch folgten im November 2011 ein Verordnungsvorschlag sowie ein Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission mit den Titeln „Vorschlag für Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse“ und „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen“. Diese modifizierten Reformvorschläge, die im Vergleich zu den zunächst durch das Grünbuch intendierten weniger weitreichend sind, werden ebenfalls kontrovers diskutiert. Zentrale EU-Entwicklungen zu den Reformbestrebungen sind auf den die Abschlussprüfung betreffenden Webseiten der Generaldirektion ersichtlich. Die Einschätzungen der Berufsorganisationen der Prüfer in Europa zu den beabsichtigten EU-Vorschlägen sind z.B. über die Webseiten der FEE (Fédération des Experts-comptables Européens, Brüssel), des  Zusammenschlusses der Berufsorganisationen der Prüfer aus mehr als 30 Europäischen Ländern (einschließlich aller EU-Länder), aufrufbar. 

    Grenzüberschreitende öffentliche Wahrnehmung von Besonderheiten und Problemen der Abschlussprüfung

    Die öffentliche Wahrnehmung zum Wirtschaftsprüfungswesen, so zum tatsächlichen oder vermeintlichen Fehlverhalten in der Berufsausübung des Abschlussprüfers, endet nicht mehr an Ländergrenzen. Da die Medien über spektakuläre Fehlverhaltensfälle bekannter multinationaler Unternehmen berichten, werden auch in Deutschland inzwischen Bilanzierungs- und Prüfungsprobleme, die in anderen Staaten auftreten, so intensiv wahrgenommen, als wären sie im Inland vorgekommen. In anderen Staaten zur Verbesserung der Prüfungsqualität gezogene oder vorgeschlagene Konsequenzen führen unmittelbar zur Diskussion, inwieweit ihre Übernahme in der Bundesrepublik sinnvoll sein könnte.

    Wissenschaftliche Tagungen, auf denen Probleme der Wirtschaftsprüfung erörtert werden, sind ebenfalls zunehmend international geprägt (vgl. z.B. European Accounting Association, European Auditing Research Network, American Accounting Association und ihre Auditing Section, International Symposium on Audit Research [ISAR]).

    Alle wichtigen Rechnungslegungs- und Prüfungsprobleme sowie Lösungsansätze werden heute grenzübergreifend diskutiert, so die Gestaltung der Rechnungslegung nach internationalen Normen, die Zusammenarbeit zwischen dem Abschlussprüfer und dem Überwachungsorgan des Unternehmens unter Berücksichtigung international unterschiedlicher Unternehmensverfassungen sowie die Fragen, welches der Inhalt einer gesetzlichen Abschlussprüfung sein sollte und wie die Qualität der Wirtschaftsprüfung gesichert werden kann. Traditionell dient die Abschlussprüfung der Prüfung der Ordnungs- und der Rechtmäßigkeit der Rechnungslegung. Darüber hinausgehende Aufgaben können z.B. die Aufdeckung von Unterschlagungen und bestimmter anderer Delikte, die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung, die Identifikation ungewöhnlich risikobehafteter Geschäfte oder Geschäftsbereiche oder die Fortführungsprognose für das Unternehmen sein. Neben diesen Themenbereichen gehören die nachfolgend angeführten Probleme zu den zentralen Diskussionspunkten. Insgesamt ist in der öffentlichen Diskussion der Trend festzustellen, die Aufsicht über die WP-Arbeit zu intensivieren. Zugunsten staatlicher Vorschriften und Lenkungsmaßnahmen wird dabei der Umfang der Selbstregulierungsmöglichkeit des Berufsstandes der WP tendenziell eingeschränkt.

    Haftung des Abschlussprüfers

    Die Haftung bei Pflichtprüfungen, aber auch bei sonstigen Tätigkeiten des WP, ist in den verschiedenen Staaten unterschiedlich geregelt. Manche Länder kennen bei Pflichtprüfungen keine Haftungsbegrenzung und praktizieren eine weitreichende Dritthaftung.

    Demgegenüber besagt die zentrale Schadenersatzregelung des § 323 I HGB in Deutschland Folgendes: Bei einer gesetzlichen Abschlussprüfung haftet der Prüfer bei einer Pflichtverletzung zwar der Kapitalgesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen, nicht aber Dritten (etwa Aktionären) gegenüber. Die Haftung gilt bei vorsätzlich oder fahrlässig begangenen Pflichtverletzungen; § 323 II HGB begrenzt bei Fahrlässigkeit die Höhe der Ersatzpflicht für eine Prüfung. Neben § 323 HGB zur Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers bestehen weitere Anspruchsgrundlagen, z.B. aus Deliktsrecht, die auch eine Haftung gegenüber Dritten begründen können. Die Normen stellen aber zumeist kein großes Haftungsrisiko dar, z.B. weil in praxi eine vorsätzliche Aktionärsschädigung kaum nachweisbar ist. In der Erhöhung der Haftungssumme und einer Ausweitung der Haftung auf Vermögensschäden Dritter sehen manche Stimmen einen Ansatzpunkt zur Verbesserung der Prüfungsqualität in Deutschland. Haftungsvorschriften nehmen auch Einfluss darauf, ob für WP eine Berufshaftpflichtversicherung vorgeschrieben ist und zu welchen Konditionen eine solche abgeschlossen werden kann. Große, nicht oder nur zu hohen Prämien versicherbare Haftungsrisiken können für ein prüfungspflichtiges, in der Krise befindliches Unternehmen zu der Schwierigkeit führen, ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen zu finden, das bereit ist, das Mandat zu übernehmen.

    Sicherung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers

    Vom WP wird ein unabhängiges, durch persönliche oder wirtschaftliche Bindungen nicht beeinträchtigtes berufliches Urteil erwartet. Die Gewährleistung unabhängiger Urteilsfindung streben nationale und internationale Normgeber an, indem sie – in unterschiedlicher Schwerpunktsetzung – einerseits berufsethische Grundsätze formulieren und andererseits präzise Gebote und Verbote für Tätigkeiten des Abschlussprüfers vorgeben. Durch welche Maßnahmen der Berufsgrundsatz der Unabhängigkeit zu sichern ist, unterliegt einer langjährigen, facettenreich geführten Diskussion.

    Diskutiert wird im Schrifttum verschiedener Länder u.a. die Frage, welche Nicht-Prüfungsleistungen der Abschlussprüfer und seine Gesellschaft für Mandanten erbringen dürfen, v.a., ob und inwieweit die gleichzeitige Abschlussprüfung und Beratung möglich sein darf. Zur Beratung zählt auch die Steuerberatung. Unstrittig ist zwar, dass ein Abschlussprüfer im Rahmen eines Mandats die eigene Tätigkeit nicht selbst beurteilen darf; strittig ist jedoch, wie eng dieses Selbstprüfungsverbot im Detail auszulegen ist. Strittig ist darüber hinaus, inwieweit vom Selbstprüfungsverbot nicht berührte sonstige Tätigkeiten des WP – etwa Beratungsleistungen, die auf den Jahresabschluss keine Gestaltungswirkung ausüben – Beschränkungen unterliegen sollen.

    Für die handelsrechtliche Pflichtprüfung in Deutschland konkretisiert § 319 HGB detailreich die Auswahl der Abschlussprüfer und die diese betreffenden Ausschlussgründe. Für Unternehmen von öffentlichem Interesse sind die Ausschlussgründe für die Tätigkeit als Abschlussprüfer deutlich erweitert (§ 319a HGB). Z.B. darf bei Unternehmen von öffentlichem Interesse ein WP, der Abschlussprüfer sein will, nach näherer Bestimmung des § 319a I HGB keine Steuerberatungsleistungen signifikanter Art erbringen. Liegt ein Prüfernetzwerk vor, so ist ein WP/eine WPG von der Abschlussprüfung ausgeschlossen, wenn bestimmte Ausschlussgründe für ein Netzwerkmitglied gelten (§ 319b HGB).

    Einen wichtigen Dauerdiskussionspunkt stellen auch die in verschiedenen Staaten divergierenden Auffassungen zur Pflichtrotation dar, d.h. zur Frage, ob ein WP ein bestimmtes Mandat zeitlich unbegrenzt oder zeitlich nur begrenzt betreuen darf, und welchen Bedingungen der Abschlussprüferwechsel unterliegt. Z.B. kann es bei grundsätzlicher Pflicht zum Prüferwechsel erlaubt sein, an die Stelle des bisherigen WP einen anderen Abschlussprüfer der gleichen WPG treten zu lassen (im Fall einer praxisintern zulässigen Rotation). Für die handelsrechtliche Pflichtprüfung besteht nach näherer Bestimmung des § 319a I HGB eine Rotationspflicht des WP nur hinsichtlich der Abschlussprüfung eines Unternehmens von öffentlichem Interesse nach sieben Prüfungsfällen, es sei denn, seit der letzten Beteiligung des WP an der Abschlussprüfung seien zwei oder mehr Jahre vergangen („Cooling-off-Periode“). In praxi bedeutet die Norm insbesondere (nur) die Notwendigkeit zur internen Rotation des Unterzeichners des Bestätigungsvermerks/des von der WPG für die Durchführung einer Abschlussprüfung als vorrangig verantwortlich bestimmten WP.

    3. Honorierung von Abschlussprüferleistungen

    Der Diskussionspunkt der Honorierung betrifft die Frage, nach welchen Grundsätzen WP für ihre Leistungen vom Mandanten zu entgelten und welche weiteren Regelungen zu beachten sind, ob etwa Abschlussprüfer-Honorare einer Veröffentlichungspflicht unterliegen. Die Entgeltregelung darf die Unabhängigkeit des WP nicht gefährden; sie muss den Abschlussprüfer auch in die Lage versetzen, die notwendige Prüfungsqualität zu erbringen. Deshalb ist z.B. diesen Zielen widersprechendes Honorardumping bei Erstprüfungen, aber auch bei Folgeprüfungen zu verhindern. Die Honorarerörterung ist in Verbindung mit der Diskussion zu sehen, welche weiteren Tätigkeiten für den Mandanten potenziell erbracht werden können: Eine – im Vergleich zum dem WP entstehenden Aufwand – unzureichende Honorierung begünstigt die Annahme weiterer Tätigkeiten zur Honorarkompensation und damit die Gefahr, die prüferische Urteilsfreiheit und die zu erbringende Prüfungsqualität zu beeinträchtigen.

    Grundlegende Alternativen sind freies Aushandeln von Honorarvereinbarungen zwischen den Vertragspartnern oder staatliche Gebührenordnungen. Eine Gebührenordnung für Pflichtprüfungen bestand zeitweise auch in Deutschland. Die Wirtschaftsprüferordnung (WPO) sieht inzwischen keine Ermächtigung für das Bundeswirtschaftsministerium zum Erlass einer Gebührenordnung mehr vor. Jedoch sind die Vergütungsvereinbarungen des WP der Beachtung von Gesetzesvorschriften unterstellt; nach den §§ 55, 55a WPO darf die Vergütung z.B. nicht vom Ergebnis der Tätigkeit des WP abhängig gemacht werden, abgesehen von besonderen Ausnahmen, die die Beratungstätigkeit und die Interessenwahrung betreffen, in engen Grenzen auch die Hilfeleistung in Steuersachen.

    In der Diskussion zur Reform der Abschlussprüfung im Jahre 2012 befürwortete die Wirtschaftsprüferkammer zunächst den Erlass einer Gebührenordnung für gesetzliche Abschlussprüfungen, dann nur die Einführung von "qualitätssichernden Entgeltregelungen" i.S. der Vorgabe von für das Mandat zu leistenden Mindeststundenzahlen bei gesetzlichen Abschlussprüfungen in Abhängigkeit von Eigenarten der jeweils prüfungspflichtigen Unternehmen.

    4. Die Abschlussprüfung ergänzende Maßnahmen zur Sicherung der Rechnungslegungsnormen sowie der Prüfungsqualität

    Maßnahmen zur Sicherung der Qualität der Rechnungslegung und Abschlussprüfung sind zahlreich denkbar. Nachfolgend werden zwei in Deutschland übernommene Vorgehensweisen der Qualitätssicherung erörtert. In vielen Staaten sind Prüfstellen für Rechnungslegung zur Stärkung des Vertrauens in veröffentlichte Jahres- und Konzernabschlüsse eingerichtet. Die Prüfstellen sind in manchen Ländern staatliche Behörden, in anderen Ländern privatwirtschaftliche Organisationen. Der Ansatzpunkt ihrer Tätigkeit ist folgender: Angenommen, ein Bilanzierender verstößt gegen zentrale Rechnungslegungsvorschriften. Sodann versagen der Gewährleistung der Rechnungslegungsqualität dienende Sicherungsinstanzen, wie der Aufsichtsrat und der WP. Aktionäre oder andere Dritte erkennen die Rechnungslegungsverstöße; ihnen steht jedoch – so sei schließlich angenommen – kein Rechtsanspruch auf Beseitigung der Rechnungslegungsmängel zu, oder ein Gerichtsverfahren würde zu keiner zügigen Entscheidung führen. Für eine derartige Situation ist eine von den Rechnungslegern und den Sicherungsinstanzen unabhängige Prüfstelle nützlich, deren Aufgabe die zügige Geltendmachung oder Durchsetzung (Enforcement) der bestehenden Vorschriften ist. Die Prüfstelle nimmt sich Eingaben in ihren Rechten Betroffener oder Eingaben aus der Öffentlichkeit an. Sie kann auch selbstständig tätig werden mit dem Ziel der Überprüfung vermuteter Rechnungslegungsverstöße und deren Abhilfe, gegebenenfalls auch mit dem Ziel einer generellen Stichprobenüberprüfung von Unternehmen im Hinblick auf die Einhaltung von Rechnungslegungsnormen. Die Einrichtung eines „Enforcement-Verfahrens” für die Rechnungslegung bedeutet i.d.R. zugleich die fallweise Qualitätskontrolle der Arbeit des Abschlussprüfers und mögliche berufliche Konsequenzen für diesen, z.B. bei einer nachfolgenden Ahndung festgestellter Pflichtverstöße durch die Berufsaufsicht.

    In der Bundesrepublik Deutschland gilt das „Enforcement-Verfahren“ für bestimmte Abschlüsse und zugehörige Lageberichte von Unternehmen, deren Wertpapiere i.S.d. § 2 I S. 1 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) an einer inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind. Das Verfahren ist zweistufig eingerichtet. Prüfungsträger sind die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung DPR e.V. und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die DPR ist privatrechlich organisiert; mit ihr müssen Unternehmen nicht kooperieren. Vgl. §§ 342b bis 342e HGB zur DPR. Die BaFin ist dagegen mit hoheitlichen Mitteln ausgestattet. Vgl. §§ 37n bis 37u WpHG zur Prüfung der Bundesanstalt.

    Während die Überwachung der Rechnungslegung nur eine indirekte Überwachung des Abschlussprüfers bedeuten kann, dienen externe, von Dritten vorgenommene regelmäßige Qualitätskontrollen der generellen Qualitätsbeurteilung und Qualitätssteigerung der prüferischen Arbeit. Das Peer Review, das in Deutschland ebenfalls nach Vorbildern in anderen Ländern eingerichtet wurde, stellt eine Qualitätskontrolle des prüferischen Vorgehens durch andere Berufsangehörige, die Peers (engl. für Gleiche, Ebenbürtige), dar. Peer Reviews dienen im Kern der Selbstregulierung des Berufsstandes; sie können dabei einer gewissen staatlichen Aufsicht und Reglementierung unterliegen (für die Bundesrepublik vgl. die für die Durchführung gesetzlich vorgeschriebener Abschlussprüfungen geltenden Vorschriften der §§ 57a bis 57h WPO). Die Kontrolle der Prüfungstätigkeit ist in den verschiedenen Staaten nicht einheitlich geregelt. In der Bundesrepublik Deutschland gilt die nach einem erfolgreichen Peer Review ausgestellte Qualitätskontrollbescheinigung der WPK z.B. für sechs Jahre (im Falle von gesetzlichen Abschlussprüfungen für Unternehmen von öffentlichem Interesse drei Jahre); der zu kontrollierende Prüfer wählt innerhalb der von der WPO bestimmten Grenzen seinen Peer aus dem Kreis hierzu registrierter Prüfer selbst aus. Dagegen ist das Public Company Accounting Oversight Board (PCAOB) als Aufsichtsgremium in den USA für seine teils jährlichen, teils maximal dreijährlich stattfindenden Inspektionen Herr des Verfahrens einer berufsfremden Beaufsichtigung.

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