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Käufer- und Konsumentenverhalten
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Inhaltsverzeichnis
Grundbegriffe
Das Käuferverhalten umfasst das Verhalten von Nachfragern beim Kauf, Ge- und Verbrauch von wirtschaftlichen Gütern bzw. Leistungen. Hiervon abzugrenzen und enger gefasst ist das Konsumentenverhalten, welches sich auf das Verhalten von Endverbrauchern beim Kauf und Konsum von wirtschaftlichen Gütern bzw. Leistungen bezieht. Träger von Kaufentscheidungen sind also Organisationen oder private Personen (Abb. 1). Obwohl meist das Konsumentenverhalten im Mittelpunkt der Käuferverhaltensforschung steht, kommt dem organisationalen Kaufverhalten gesamtwirtschaftlich eine höhere Bedeutung zu. Hervorzuheben ist, dass durch die grundlegenden Unterschiede von organisationalem und privatem Käuferverhalten unterschiedliche Erklärungsansätze zugrunde zu legen sind. Wenngleich idealtypisch die in Abbildung 1 dargestellten vier Perspektiven abzugrenzen sind, wird der Fokus nachfolgend auf das individuelle Kaufverhalten von Konsumenten gelegt.
Obwohl die Betriebswirtschaft verstärkt durch eine kundenzentrierte Sicht geprägt wird, bleibt die inhaltliche Erklärung des sich zunehmend dynamisch entwickelnden Käuferverhaltens weiterhin eine Domäne der Marketing- bzw. der Käuferverhaltensforschung. Dabei resultieren Herausforderungen u. a. aus Änderungen der sozio-demografischen bzw. sozio-ökonomischen, technischen und politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen. Hinsichtlich der sozio-demografischen und sozio-ökonomischen Entwicklungen lassen sich für westliche Industrienationen - neben der steigenden Zahl von Doppelverdiener- und Singlehaushalten und der damit verbundenen Zeitknappheit der Konsumenten - insbesondere die zunehmende Überalterung der Bevölkerung und die steigende Zahl von Nachfragern mit Migrationshintergrund anführen (Zentes/Swoboda/Foscht 2012; Foscht/Swoboda/Schloffer 2011). Diese Veränderungen resultieren letztlich in einem Wandel des Käuferverhaltens: Während sich z. B. Konsumenten früher konsistent verhalten haben und in den 1990er-Jahren ein hybrides Verhalten zu beobachten war, sind heute Verhaltensweisen vordergründig, die durch das gleichzeitige Verfolgen mehrerer Handlungsprinzipien gekennzeichnet sind. Es liegt also ein divergierendes (multioptionales) Verhalten und teils sogar ein paradoxes Verhalten vor (Foscht/Brandstätter/Sinha 2010). Die veränderten Rahmenbedingungen bzw. die Entwicklungen im Käuferverhalten werden aber auch von einem Wandel der Perspektiven begleitet, wie von der auf einzelne Beeinflussungen/Transaktionen ausgerichteten Perspektive zu einer Fokussierung auf Kundenbeziehungen. Dies spiegelt sich in der Entwicklung der Erklärungsansätze des Konsumentenverhaltens - im Sinne eines modernen Bezugsrahmens - wider (siehe im Einzelnen Foscht/Swoboda 2011).
Synopse der Erklärungsansätze
Die Wurzeln der Konsumentenverhaltensforschung lagen zunächst in ökonomischen Theorien begründet. In diesem Zusammenhang sind bspw. Theorien und Ansätze der Mikroökonomie anzuführen, die i.d.R. auf Axiomen mit Prämissen, wie vollkommene Information, unbegrenzte Problemlösungskapazität und Rationalität, basieren, auf deren Grundlage optimale Entscheidungen abgeleitet und Empfehlungen für richtiges Verhalten - im Sinne eines optimalen Verhaltens - gegeben werden. Gegen diese Prämissen, wie die Annahme eines sich rational verhaltenden Homo oeconomicus, richtet sich auch die Kritik an diesen Ansätzen, welche die Basis für Weiterentwicklungen bildet, die sich von einzelnen Annahmen lösen. Informationsökonomische Ansätze gehen z. B. von unvollständiger Information und von unterschiedlich gelagerten Unsicherheitsproblemen bei der Kaufentscheidung aus. Sie nähern sich dem Konsumentenverhalten allerdings eher von einer ökonomischen bzw. kognitiv gefärbten Seite und werden erst seit einigen Jahren mit der verhaltenswissenschaftlichen Kognitions- und Gedächtnisforschung verbunden. Dabei nehmen verhaltenswissenschaftliche Theorien und Ansätze bei der Erklärung und Erforschung des Konsumentenverhaltens eine zentrale Stellung ein.
Verhaltenswissenschaftliche, deterministische Ansätze
Die Wurzeln der verhaltenswissenschaftlichen Konsumentenverhaltensforschung sind im Behaviorismus zu sehen, der direkt beobachtbare Größen analysiert. Beobachtbar sind einerseits Stimuli/Reize, die auf ein Individuum einwirken (z. B. Verkaufsförderungsaktionen) und andererseits die dadurch ausgelösten Reaktionen (z. B. der Produktkauf). Das Individuum wird in diesen Stimulus-Response-(SR)-Modellen als Black-Box aufgefasst, sodass die Frage, welche Prozesse im Individuum zum beobachtbaren Verhalten führen, auf dieser Basis nicht erklärt werden kann.
Die Einbeziehung der nicht direkt beobachtbaren Größen charakterisiert den Neo-Behaviorismus, in dem die Black-Box-Betrachtung aufgegeben wird. Die nicht-beobachtbaren, intervenierenden Variablen strukturieren Vorgänge innerhalb des Organismus, weshalb von SOR-Modellen bzw. von SIR-Modellen gesprochen wird (Abb. 2).
Abb. 2: Neobehavioristisches SOR-Modell des Konsumentenverhaltens
Quelle: in Anlehnung an Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2008; Kuß/Tomczak 2007.
Bereits in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sind auf dieser Basis komplexe Totalmodelle entwickelt worden, in denen versucht wurde, viele (bzw. möglichst alle) Determinanten des Verhaltens gleichzeitig in einem Modell zu berücksichtigen (hierzu zählen die klassischen Arbeiten von Howard/Sheth 1969 und Blackwell/Miniard 2005). Nachteilig erwies sich deren Komplexität, Starrheit und nicht zuletzt deren Messung. Deshalb wandte man sich Modellen geringerer Komplexität und Reichweite zu, die das Konsumentenverhalten in spezifischen Situationen (z. B. bei der Markenwahl, am Point-of-Sale usw.) erklären können. Darüber hinaus öffnete sich die Konsumentenverhaltensforschung zunehmend anderen Disziplinen, wie der vergleichenden Verhaltensforschung, der Tiefenpsychologie, der kognitiven Psychologie oder soziologischen Ansätzen. Seit einigen Jahren wird zur Erklärung und Erforschung des Konsumentenverhaltens auch vermehrt auf die interdisziplinäre Disziplin der Neurowissenschaft abgestellt. Den Forschungsgegenstand der sog. Consumer Neuroscience bildeten bislang bspw. Emotionen, Kaufmotive, die Markenwahrnehmung oder Markenentscheidungen (siehe im Einzelnen z. B. Raab/Gernsheimer/Schindler 2009).
Determinanten als Erklärungsgrundlage
Die Grundlage jeder verhaltenswissenschaftlicher Erklärung des Konsumentenverhaltens bilden die psychischen Determinanten des individuellen Kaufverhaltens, wie sie in Partialbetrachtungen auf situative Fragen des Kaufverhaltens bezogen werden und zur enormen Vielfalt von Determinanten, Analysen und Blickwinkeln führen oder in Totalmodellierungen gesamthaft - allerdings zu starr - verbunden werden. Die Vielfalt der Sichtweisen kann in einem Schalenmodell zusammengetragen werden, das eine didaktisch wertvolle Trennung zwischen psychischen, persönlichen sowie sozialen und kulturellen Determinanten ermöglicht (Abb. 3).
Hierbei entsprechen die psychischen Determinanten, die sich weiter in aktivierende und kognitive Prozesse bzw. Zustände unterscheiden lassen, den Kernüberlegungen der SOR-Modelle. Hinzu kommen mit der Kundenzufriedenheit und der Loyalität Konstrukte, die in der Marketingforschung in der Vergangenheit eine herausragende Bedeutung erlangt haben. Darüber hinaus sind Umweltdeterminanten für das Kaufverhalten relevant, die in persönliche, soziale und kulturelle Determinanten differenziert werden können. Bei den letzten beiden könnte auch von der näheren und der weiteren Umwelt der Konsumenten gesprochen werden. Bezugsgruppen (z. B. Primär- und Sekundärgruppen), Familie und Rolle/Status stellen - diesem Verständnis entsprechend - Ausprägungen der näheren Umwelt eines Konsumenten dar, während (Landes-) Kultur, Subkultur und soziale Schicht die weitere Umwelt bilden. Eine Kurzcharakterisierung der einzelnen Determinanten, Prozesse und Zustände findet sich in Abbildung 4.
Für die Erklärung des Konsumentenverhaltens kommt insbesondere den aktivierenden Prozessen und Zuständen eine zentrale Bedeutung zu.
Kaufentscheidungstypen
Eine zweite Basis in modernen Konzeptionen des Konsumentenverhaltens bilden Kaufentscheidungstypen. Traditionell ist damit die Systematisierung der komplexen Verhaltensweisen bei individuellen Kaufentscheidungen in Abhängigkeit vom Grad der kognitiven Steuerung gemeint. Zu betrachten sind Entscheidungen mit stärkerer kognitiver Kontrolle (extensiv und limitiert) sowie Entscheidungen mit geringer kognitiver Kontrolle (habituell und impulsiv) (Abb. 5).
Aus Sicht der heute vorherrschenden, psychologisch geprägten Konsumentenverhaltensforschung werden - neben der kognitiven Steuerung - weitere Determinanten für das Auftreten einzelner Kaufentscheidungstypen betrachtet. Mögliche Einflussgrößen bilden die Art des auszuwählenden Produktes (z. B. Gebrauchs- und Verbrauchsgüter, Convenience-, Shopping- und Specialty-Goods), die Kaufsituation (z. B. der emotionale Reizwert der Situation, die Neuartigkeit der Situation, der Zeitdruck) oder Prädispositionen des Entscheiders wie die Risikoneigung oder das kognitive und emotionale Involvement. Durch die Berücksichtigung ergänzender Determinanten wird das konkrete (Entscheidungs-) Verhalten letztlich aus einer kombinierten Zugrundelegung sowohl aktivierender als auch kognitiver Determinanten erklärt.
Konsumentenverhalten in Kundenbeziehungen
Einen jüngeren Entwicklungszweig zur Erklärung des Konsumentenverhaltens bilden Ansätze, die sich der Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und Loyalität - bzw. allgemeiner: dem Kundenbeziehungsmanagement - widmen. Dabei resultiert die Fokussierung auf Kundenbeziehungen daraus, dass belegt wurde, dass langfristige Geschäftsbeziehungen profitabler sind als kurzfristige und, dass Menschen sich nicht nur im privaten Bereich immer weniger binden (lassen wollen), sondern auch in Beziehungen zu Unternehmen häufig sogar bewusst nach Abwechslung suchen (sog. Variety Seeking). Die Ansätze des Kundenbeziehungsmanagements ergänzen die „Beeinflussungsperspektive“ der SOR-Modelle, indem sie nicht nur die Wirkungen, sondern auch Interaktionen und Potenziale in langfristigen Kundenbeziehungen hervorheben.
In diesen Ansätzen werden die u. a. aus dem organisationalen Kaufverhalten bekannten Kaufphasen auf die Konsumentenverhaltensforschung übertragen. Entsprechende Phaseneinteilungen orientieren sich oft an den Stufen eines eher kognitiven, „rationalen“ Entscheidungsprozesses. Sie unterscheiden bspw. nachstehende Phasen: Prozessanregungs-, Such-, Vorauswahl-, Bewertungs- und Auswahl-, Realisierungs- und Nachkaufphase. Ein deartig detailliertes Phasenraster kann jedoch nicht auf alle Kaufsituationen bzw. Kundenbeziehungen angewandt werden, weshalb folgende reduzierte Unterscheidung wertvoll erscheint: Vorkaufphase, Kaufphase und Nachkaufphase. Diese Dreiteilung entspricht einem Buying Cycle, wobei die letzte Phase bei einem Folgekauf bzw. bei der wiederholten Inanspruchnahme einer Unternehmensleistung erneut eine Vorkaufphase einleiten kann (Abbildung 6).
Bei der konkreten Evaluation des Konsumentenverhaltens sind Variationen dieses Prozesses anzunehmen. Dennoch - und dies ist eine Herausforderung - ist es möglich, die in der jeweiligen Phase besonders relevanten Determinanten des Kaufverhaltens, die Kaufentscheidungstypen usw. zu betrachten. Abbildung 7 fasst dies insofern zusammen, als darin verdeutlicht wird, dass je nach Kaufsituation in den drei Phasen alle psychischen Prozesse, weitere Determinanten, Kaufentscheidungstypen oder Marketing-Instrumente relevant sein können.
Eine derartige Betrachtung eröffnet mehrere Vorteile. Erstens berücksichtigt der Buying Cycle die zunehmende Notwendigkeit, Austauschbeziehungen mit Konsumenten ganzheitlich zu beachten. Für das Marketing ergibt sich aus einer Phasendifferenzierung die Möglichkeit, auf die spezifischen Bedingungen der einzelnen Phasen einzugehen. Zweitens lenkt der Buying Cycle den Blick verstärkt auf das Nachkauf-Marketing, d.h. nicht nur auf Prozesse vor und während des Kaufvorgangs, sondern auch auf solche danach. Deshalb werden im Rahmen des Kundenbindungsmanagements bspw. nicht nur Kundenbindungsprogramme thematisiert, sondern auch Instrumente des Nachkauf-Marketings, des Nachkauf-Service oder der Nachkauf-Kommunikation (z. B. Nachkaufberatung, Kundenschulung, Kundenkarten und -clubs, Beschwerdemanagement). In diesem Zusammenhang spielt ferner die Betrachtung des Kundenwertes während der gesamten Kundenbeziehung eine zunehmend wichtigere Rolle.
Entwicklungsperspektiven
Insgesamt lässt sich heute ein moderner Bezugsrahmen des Konsumentenverhaltens durch ein Streben nach Traditionalität, Prozessualität und Ganzheitlichkeit charakterisieren. Traditionell bilden die im Kontext der SOR-Modelle stehenden psychischen und sozialen Determinanten des Konsumentenverhaltens die Basis der Erklärung. Insbesondere im Zusammenhang mit den psychischen Determinanten bzw. Prozessen können in nächster Zeit weitere Erkenntnisse, die auf der Berücksichtigung der neurowissenschaftlichen Perspektive und der Übertragung von Forschungsmethoden aus der Neurowissenschaft beruhen, erwartet werden. Einen zweiten Ansatzpunkt zur Erklärung bzw. Systematisierung von Verhaltensweisen liefern Kaufentscheidungstypen und einen dritten die Kaufentscheidungsphasen, die bei entsprechender Betrachtung als Buying Cycle, den Gedanken eines integrativen und prozessualen Gesamtmarketings zum Ausdruck bringen.
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