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Advanced Enterprise Planning (AEP)

Definition: Was ist "Advanced Enterprise Planning (AEP)"?

AEP steht für eine Klasse von Softwaresystemen, die eine vollständige Integration aller Teilpläne der leistungswirtschaftlichen Ebene (Absatz-, Produktions-, Kapazitäts-, Beschaffungs- und Bestände-Planung) mit der finanzwirtschaftlichen Ebene (Erfolgs-, Finanz- und Bilanzrechnung) ermöglichen soll.  

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    1. Begriff: AEP steht für eine Klasse von Softwaresystemen, die eine vollständige Integration aller Teilpläne der leistungswirtschaftlichen Ebene (Absatz-, Produktions-, Kapazitäts-, Beschaffungs- und Bestände-Planung) mit der finanzwirtschaftlichen Ebene (Erfolgs-, Finanz- und Bilanzrechnung) ermöglichen soll.

    Ganzheitlich integrierte Planungsmodelle unterscheiden sich von herkömmlichen (integrierten) Planungsmodellen insbesondere im Hinblick auf die Vollständigkeit der einbezogenen Unternehmensfunktionen. Inhaltlich erfolgt eine komplette Integration der Verkaufs-, Beschaffungs-, und Produktions-Teilpläne. Die konventionellen Ansätze der integrierten Unternehmensplanung basieren in der Regel auf einer integrierten Buchungslogik, die meist ausschließlich die Finanz-Sphäre des Unternehmens umfassen. Dabei werden überwiegend die monetären Aspekte der operativen Unternehmensplanung als reine Werteplanung in den Vordergrund gestellt. Die Integration wird demzufolge ausschließlich finanzorientiert vorgenommen d.h. ausgehend von einer Umsatzplanung werden die umsatzabhängigen Kosten über relative Beziehungen (bspw. Materialeinsatz in % vom Umsatz) abgeleitet.

    Integrierte Planungsrechnungen liegen jedoch genaugenommen erst dann vor, wenn die leistungswirtschaftliche Ebene lückenlos mit der finanzwirtschaftlichen Ebene verbunden wird. Die Teilpläne des leistungswirtschaftlichen Bereiches repräsentieren die Realgütersphäre und sind ausgedrückt in Mengen- und Zeitmaßen. Hierzu zählen bspw. die Absatz-, Produktions-, Kapazitäts-, Beschaffungs- und Bestände-Planung.

    Die finanzwirtschaftliche Ebene beinhaltet lediglich eine monetäre Bewertung und Aggregation der Leistungswirtschaft in Form von Erfolgs-, Finanz- und Bilanzplänen. Daraus folgt, dass im Kontext der Planung auf der finanzwirtschaftlichen Ebene nur Sekundär-Pläne vorliegen. Hingegen bestehen die Primär-Pläne aus den o.g. mengenbasierten Teilplänen. Die Instrumente der monetären Finanz- und Erfolgsplanung und der innerbetrieblichen Kosten- und Leistungsrechnung sind heute weit entwickelt und finden in vielen Unternehmen Anwendung. Die große Mehrheit der Unternehmen konzentriert seine Planungs-Prozesse bis heute überwiegend auf die finanzwirtschaftliche Ebene, ohne eine umfassende Integration der leistungswirtschaftlichen Ebene. Diese Trennung zeigt sich auch in den zur Erstellung der Planungsrechnung eingesetzten Software-Systemen. Die Leistungswirtschaft ist die Domäne der ERP- und PPS-Systeme. Die Finanzwirtschaft hingegen wird dominiert von Tabellenkalkulationssoftware und dedizierten Finanzplanungsapplikationen.

    2. Merkmale: AEP-Systeme zeichnen sich durch folgende Merkmale aus:
    1) Planung von Absatz-, Produktions-, Material- und Bestandsmengen in einem integrierten Mengenfluss-Modell mit automatischem Kapazitätsabgleich
    2) Systematische Bestandsplanung von Material und Erzeugnissen auf Basis realitätsnaher Dispositionsverfahren (Dynamische Disposition, Multi-Echelon)
    3) Analytische Bedarfs- und Bestandsplanung der Potenzialfaktoren Beschäftigte und Maschinen
    4) Automatisch abgeleitete Produkt-Kalkulationen zur Herstellkostenermittlung der Erzeugnisse mit Lagerdurchfluss-Modell sowie Bereitstellung von Informationen zu kostenbasierten Preisindikationen. Kalkulationen auf Teil- und Vollkostenbasis, Deckungsbeitragsrechnung, Umsatz- und Gesamtkostenverfahren, differenzierte Vollkostenrechnung, Einzelkostenrechnung und Grenzkostenrechnung. Alternative Methoden der Kosten- und Leistungsrechnung sind somit integraler Bestandteil des Systems.
    5) Ausweis von Leerkosten sowie Einstellungs- und Investitionsbedarfen
    6) Produktions- und Kostenfunktionen sind integraler Systembestandteil (Stücklisten, Arbeitspläne, Einsatzpreise, Kostentarife etc.)
    7) Flexible Abbildung eines Multi-Einflussgrößen-Modells
    8) Vertriebsplanungsmodell (Absatzmengen, Verkaufspreissystem, Konditionensystem)
    9) Dynamisierung im Rahmen der Kapazitäts- und Finanzplanung (Vor- und Nachlauf-Effekte, Dynamik der Produktion, Zahlungsziele)
    10) Berücksichtigung vorhandener Restriktionen bei jeder Parameter-Änderung (Produktions-Kapazitäten, Lager-Kapazitäten, Liquidität etc.)
    11) Multidimensionale Abbildungen (Produkte, Kunden, Organisation, Werke, Zeit etc.)
    12) Das Doppik-System (Buchhaltungsmatrix) ist integraler Bestandteil und fest „verdrahtet“ mit leistungswirtschaftlichen Planungsebenen
    13) Integrierte Abweichungsrechnung mit frei wählbaren Szenarien (Erfolgs-, Finanz- und Bilanzrechnung) und differenziertem Ausweis von Mengen-, Verbrauchs-, Preis- und Struktureinflüssen getrennt nach den Phasen der Leistungserstellung und Leistungsverwertung.
    14) Parallele Berechnung unterschiedlicher Szenarien
    15) Ein-Schritt-Rechenmodell mit Antwortzeiten im Sekundbereich d.h. nach einer Parameter-Änderung wird das gesamte Modell in einem einzigen, unterbrechungsfreien Schritt neu berechnet.
    16) Konsistenzprüfung aller Daten aus Vorsystemen (Master-Data-Management)
    17) Standard-Schnittstellen zu allen gängigen ERP- und PPS-Systemen
    18) Offene Schnittstellenstandards für Referenzmodelle im Industrie 4.0-Kontext (z.B. RAMI 4.0, I40–Komponenten) und Produktions-Simulationssysteme (z.B. Pro Sense)
    19) Integration von Office-Softwarelösungen (als GUI, für Reports etc.)
    20) Flexible Anbindung von Systemen zur strategischen Planung, Simulations-Tools auf Basis von System Dynamics, Spezial-Lösungen (Transport-Optimierung und Transport-Kostenplanung, mitarbeiterbezogene Personalkostenplanung, Personaleinsatzplanung etc.), Vertragsdatenbanken und DMS-Systemen (automatisierte Fixkostenplanung auf Basis bestehender Verträge).

    3. Unterscheidung von anderen, ähnlichen Begriffen: Der Begriff AEP ist in Anlehnung an die sogenannten Advanced Planning and Scheduling–Systeme (APS) entstanden. Aufgrund der Unzulänglichkeiten des MRP II-Ansatzes (MRP) zur Produktionsplanung und -steuerung wurden Ende der 1990er-Jahre neue Ansätzen wie bspw. „Advanced Planning and Scheduling“ (APS) entwickelt. APS-Systeme sollen die Planungsfunktionen der ERP-Systeme (MRP II) unterstützen und erweitern. So sollen bspw. mit dem Einsatz von sogenannten „Finite Capacity Scheduling (FCS)“–Modellen simultane Planungen von Ressourcen (Material, Maschinen, Personal und Werkzeugen) und Produktionsstartterminen ermöglicht werden. In ähnlicher Weise wie der APS-Begriff für die Erweiterung der Planungsfunktionen von PPS-Systemen steht, beschreibt AEP die Erweiterung der finanzgetriebenen Unternehmensplanung um die produktionsgetriebenen Planungsfunktionen des MRP II/APS–Ansatzes in einem einzigen Planungsmodell.

    Die Darstellung der ökonomischen Auswirkungen auf die Erfolgs- und Liquiditätssituation im Rahmen alternativer Produktionsplanungen ist nicht Bestandteil von MRP II und APS. Diese Lücke soll mithilfe von AEP-Systemen geschlossen werden.

    4. Ziele: AEP–Systeme sollen die integrierte Planung der leistungs- und finanzwirtschaftlichen Ebenen in einem voll integrierten und durchgängigen Modell erlauben. Das Hauptziel von AEP besteht darin, die Mängel der konventionellen Unternehmensplanungsrechnung zu beseitigen. Diese können laut diverser Studien (BARC, CapGemini, BearingPoint, Deloitte, IBI) wie folgt zusammengefasst werden:
    -Unverhältnismäßig hoher Zeitaufwand für den Planungsprozess. Die Kosten für Planungsprozesse belaufen sich in vielen Unternehmen auf 1-2% vom Umsatz. Die Dauer des operativen Planungsprozesses (operative Planung) beträgt in der Regel 3-4 Monate.
    -Zeit- und ressourcenintensive Abstimmprozesse
    -
    Einsatz von mehreren Softwaresystemen zur Unterstützung des Planungsprozesses
    -Fehlende oder unzureichende Integration der betrieblichen Teilpläne im Rahmen der operativen Planung
    -Fehlende Integration von operativer und strategischer Planung
    -Fehlende Reaktionsmöglichkeiten auf veränderte Aktualität der Planungsprämissen
    -Fehlende bzw. unzureichende Möglichkeiten für die Erstellung von Szenarien/Simulationen
    -
    Die Planung ist überwiegend absatzmengenorientiert ausgerichtet. Eine Planungs-Integration erfolgt, wenn überhaupt, meist nur in der Finanz-Dimension und fokussiert sich kosten- und liquiditätsseitig fast ausschließlich auf den Absatz als Mengen- und Werttreiber.
    -Die Produktionsplanung ist demzufolge nicht integriert. Die Produktion wird, wenn überhaupt, nur im Rahmen eines (vertriebsmengenorientierten) Grob-Kapazitätsabgleichs einbezogen.

    Diese Mängel sollen durch ein vollständig integriertes Planungsmodell beseitigt werden. Neben der Integration aller relevanten Mengen-, Zeit-, Preis- und Werttreiber ist aufgrund der enormen Datenmengen eine extrem hohe Rechengeschwindigkeit erforderlich. AEP-Systeme ermöglichen Rechenzeiten von wenigen Sekunden selbst bei großen Datenmengen (bspw. mehrere zehntausend, Erzeugnisse, Stücklisten, Arbeitspläne etc.).

    Damit sollen AEP-Systeme eine Integration mit Simulations-Systemen im Rahmen von Industrie 4.0 ermöglichen. Die technische Echtzeitsteuerung der Produktion wird damit ergänzt durch eine ökonomische Echtzeitsteuerung, die die Auswirkungen geänderter Produktionssteuerungen ohne Zeitverzug in der monetären Sphäre (Erfolgs- und Finanzrechnung) sichtbar macht.      

      

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