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Beyond Budgeting

Definition: Was ist "Beyond Budgeting"?
Die Budgetierung ist eines der zentralen Führungsinstrumente und wird daher auch vielfach als „Rückgrat der Unternehmenssteuerung” charakterisiert. Dennoch steht die Budgetierung immer wieder in der Kritik (zu starr, zu aufwendig, ohne Strategiebezug etc.) und ist Ende der 90er Jahre erneut ins Gerede gekommen. Auslöser der damaligen Diskussion waren die Publikationen von Hope und Fraser, die auf der Basis einer Reihe von Fallstudien und ihrer Arbeit im Rahmen des Beyond Budgeting Round Table (BBRT) das Konzept des Beyond Budgeting vorgestellt haben. Der Ansatz verzichtet auf Budgets und zielt darauf ab, die traditionelle Budgetierung durch ein flexibles und dezentrale Initiative förderndes Managementmodell zu ersetzen. Dieses Modell besteht aus zwölf Prinzipien: sechs Prinzipien, die die Unternehmenskultur und den organisatorischen Rahmen betreffen, und sechs weitere Prinzipien, die sich auf den Planungs- und Steuerungsprozess selbst beziehen.

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    I. Grundsätzliche Charakterisierung

    Die Budgetierung ist eines der zentralen Führungsinstrumente und wird daher auch vielfach als „Rückgrat der Unternehmenssteuerung” charakterisiert. Dennoch steht die Budgetierung immer wieder in der Kritik (zu starr, zu aufwendig, ohne Strategiebezug etc.) und ist Ende der 90er Jahre erneut ins Gerede gekommen. Auslöser der damaligen Diskussion waren die Publikationen von Hope und Fraser, die auf der Basis einer Reihe von Fallstudien und ihrer Arbeit im Rahmen des Beyond Budgeting Round Table (BBRT) das Konzept des Beyond Budgeting vorgestellt haben. Der Ansatz verzichtet auf Budgets und zielt darauf ab, die traditionelle Budgetierung durch ein flexibles und dezentrale Initiative förderndes Managementmodell zu ersetzen. Dieses Modell besteht aus zwölf Prinzipien: sechs Prinzipien, die die Unternehmenskultur und den organisatorischen Rahmen betreffen, und sechs weitere Prinzipien, die sich auf den Planungs- und Steuerungsprozess selbst beziehen.

    Im Einzelnen sind mit Bezug auf den Planungs- und Steuerungsprozess folgende sechs Prinzipien zu nennen:

    Relativ zum internen oder externen Wettbewerb formulierte Ziele sollen selbstadjustierend sein und leistungssteigernd wirken.

    • Früherkennung und rollierende Forecasts sollen ständige Anpassungen von Strategie- und Investitionsentscheidungen an veränderte Umweltbedingungen ermöglichen.
    • Ein rollierender Strategieentwicklungs- und -durchsetzungsprozess soll die strategiegerechte Koordination der Unternehmensaktivitäten fördern. Als Instrument wird hier v.a. die Balanced Scorecard propagiert.
    • Eine flexible Ressourcenallokation soll durch die Vorgabe eines Kalkulationszinsfußes durch die Zentrale und autonome dezentrale Entscheidungen über die Investitionsprojekte erreicht werden.
    • Dezentrale Einheiten sollen sich grundsätzlich selbst kontrollieren. Die Zentrale greift subsidiär nur dann ein, wenn die dezentralen Manager ein Problem nicht lösen können oder um Hilfe durch das Top-Management bitten (Management by Exception).
    • Eine relative, teambasierte Vergütung, die den Erfolg der Geschäftseinheit mit anderen Einheiten vergleicht, soll Teamwork und Zusammenarbeit fördern.

    Auf die Unternehmenskultur und den organisatorischen Rahmen beziehen sich die verbleibenden sechs Prinzipien:
    • Führung durch geteilte Werte und klare Führungsrichtlinien soll schnelle, dezentrale Entscheidungen innerhalb festgelegter Grenzen ermöglichen.
    • Autonome Profitcenter sollen mehr Unternehmertum im Unternehmen schaffen.

      Interne Märkte zur Koordination der Profitcenter sollen Koordination durch Pläne ersetzen und schnellere Reaktionen ermöglichen.
    • Überall und unmittelbar (Real Time) verfügbare Informationen sollen zu größtmöglicher Transparenz und verteilter Kontrolle führen.
    • Handlungsfreiräume und dezentrale Ergebnisverantwortung sollen Leistung dezentraler Akteure ermöglichen und erzwingen.
    • Ein Coach & Support-Führungsstil soll die Manager dabei unterstützen.


    II. Kritische Würdigung

    1. Der Kern des Beyond Budgeting

    Die Rhetorik des Konzepts setzt an den eingangs dargestellten Defiziten der traditionellen Budgetierung an und versucht diese zunächst auf einer instrumentellen Ebene v.a. dadurch zu beheben, dass die Funktionen der Budgetierung durch eine Kombination anderer Führungsinstrumente realisiert werden. So haben einige Unternehmen (z.B. Philips, Hilti) die bisherige Budgetierung durch Balanced Scorecards, Rollierende Prognosen und so genannte Strategic Value Agreements ersetzt. Ganz ähnlich nahm Borealis zeitweise eine instrumentelle Trennung von Steuerung und Finanzprognose vor. Das Vorgehen dieser Unternehmen lässt sich mit Röpke als Strategie zur Erhöhung der Eigenkomplexität durch instrumentelle Spezialisierung interpretieren und trägt dazu bei, dass interfunktionale Zielkonflikte vermieden werden: Trennt man z.B. instrumentell zwischen möglichst aktueller und objektiver Prognose auf der einen und möglichst nachhaltig motivierender Zielvorgabe auf der anderen Seite, werden viele dysfunktionale Konflikte und Anpassungsstrategien im Rahmen der Budgetierung unnötig.

    Auf der instrumentellen Ebene lässt sich damit das Entbündeln des Multifunktionsprodukts Budgetierung als konzeptioneller Kern des Beyond Budgeting charakterisieren. Hope und Fraser betonen aber zu Recht, dass eine rein instrumentelle Sicht zu kurz greift und dass es sich bei Beyond Budgeting um ein neues Managementmodell mit einem handlungsleitenden Bündel von Prinzipien handelt. Dieses zielt darauf ab, die mit der Budgetierung verbundene Command & Control-Kultur zu überwinden und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass auf Adaptivität und dezentrale Initiative zielende Instrumente ihr Potenzial voll realisieren können. An die Seite der Kritik an der Budgetierungspraxis tritt so ein zweites Argument für den Ansatz des Beyond Budgeting: Die Budgetierung ist nicht nur selbst optimierungsbedürftig, sondern blockiert auch die Realisierung des Potenzials einer Reihe von Instrumenten, die in den letzten Jahren eingeführt wurden, um die Adaptivität und die dezentrale Initiative zu stärken. Als Beispiel sei etwa die Balanced Scorecard genannt.

    Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass Führungsinstrumente nicht losgelöst von den internen Modellen des Managements implementiert und genutzt werden können. Diese bilden gewissermaßen die Brille, durch die wir blicken, und setzen so den Rahmen für unser Denken und Handeln. Sie umfassen zum einen (als „Selbstbild”) Hypothesen über die Eigenschaftsausprägungen des Akteurs und deren Nebenbedingungen; zum anderen (als handlungsrelevantes „Weltbild”) Hypothesen über die Eigenschaften der Umwelt. Interne Modelle liegen auf der Ebene einzelner Akteure im Unternehmen (Manager, Controller etc.) und auf der Ebene des Unternehmens als korporativer Akteur vor, wo sie sich u.a. in Form von organisatorischen Regeln und Routinen manifestieren.

    Interne Modelle, organisatorische Regeln und Führungsinstrumente konstituieren die handlungsleitende Ordnung im Unternehmen und müssen über einen hinreichenden „Fit” verfügen. Wer - wie Hope und Fraser - eine zielgerichtete Veränderung in Richtung Adaptivität und dezentrale Initiative anstrebt, darf sich daher nicht auf den Austausch von Instrumenten beschränken. Organisatorische Regeln, die internen Modelle der beteiligten Akteure und Führungsinstrumente müssen vielmehr aufeinander abgestimmt sein. Mit dieser Einsicht hebt sich der Ansatz wohltuend von vielen beratergetriebenen Modewellen der letzten Jahre ab und ist zwingend ein Managementthema. Controller können den Prozess fördern, unterstützen und kritisch begleiten, Beyond Budgeting darf aber nicht auf ein Instrumenten-, EDV- oder Controllerthema reduziert werden. Eine technokratische Sicht, die Instrumente ohne Berücksichtigung dieser Nebenbedingungen implementiert, greift deutlich zu kurz.


    2. Wann macht die Anwendung des Konzepts Sinn?

    Die Sinnhaftigkeit einer Anwendung der zwölf Prinzipien ist an eine Reihe von Prämissen gebunden. So unterstellen Hope und Fraser pauschal ein Zeitalter „of discontinuous change, unpredictable competition, and fickle customers”. Das muss aber nicht für jedes Unternehmen in gleichem Maße gelten. Folglich muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Annahmen hoher Dynamik und hoher Wettbewerbsintensität auch gegeben sind.

    Zusätzliche Prämissen ergeben sich aus der von Hope und Fraser implizit unterstellten Sinnhaftigkeit einer Strategie, die der Dynamik durch eine hohe Dezentralisierung und eine hohe Flexibilität bzw. Adaptivität der Unternehmung gerecht wird. Dabei wird u.a. vorausgesetzt, dass

    • die Menschen in den dezentralen Einheiten in ausreichendem Maße willens und in der Lage sind, die gewachsene dezentrale Verantwortung auch zu realisieren;
    • Verbunde und damit potenzielle Synergien zwischen den dezentralen Einheiten nicht oder nur in beschränktem Maße vorliegen bzw. auch durch horizontale Koordination der Einheiten hinlänglich realisierbar sind und
    • das Unternehmen größere Flexibilitätspotenziale auch in ausreichendem Maße realisieren kann, d.h. dass bei Bedarf relevante Produktionsfaktoren kurzfristig hinzugewonnen, anderweitig ein- oder freigesetzt werden können.

    Weiter gilt es, nicht die Prämissen der einzelnen Prinzipien zu vernachlässigen. So setzen z.B. wettbewerbsbezogene, relative Ziele voraus, dass ein benchmarkfähiger Wettbewerb vorhanden ist und dass dieser ausreichend gute Leistungen erbringt. Schließlich muss geprüft werden, ob der erwartete Nutzen des Ansatzes die Kosten (v.a. der Implementierung) rechtfertigt. Dies wird aber bei weitem nicht immer der Fall sein, denn der Ansatz impliziert einen erheblichen Implementierungsaufwand. Es geht nicht um ein einzelnes Instrument, sondern um einen grundlegenden Veränderungsprozess im Management, auch mit Blick auf die Kultur des Unternehmens.

    Zudem findet das Konzept bis heute nur bei wenigen Unternehmen Anwendung, was angesichts der Radikalität des Ansatzes und der Komplexität der Unternehmenssteuerung wenig überrascht. Zudem sind die meisten Prinzipien (bei aller Plausibilität) vergleichsweise abstrakt und wenig operationalisiert: Beyond Budgeting ist kein einfach und gedankenlos umsetzbares Patentrezept, sondern der vor die Klammer gezogene kleinste gemeinsame Nenner der vom BBRT untersuchten Unternehmen. Dies zeigt sich auch in der Heterogenität der von den Befürwortern des Ansatzes i.d.R. angeführten Beispiele und ist per se nicht negativ zu werten

    im Gegenteil „One Size fits all” kann kaum nachhaltige Wettbewerbsvorteile für Unternehmen begründen.


    3. Gibt es pragmatische Alternativen?

    Beyond Budgeting zielt neben der Verlagerung der Budgetierungsfunktionen auf andere Instrumente auf eine grundlegende Veränderung der handlungsleitenden Ordnung: Instrumente, interne Modelle und organisatorische Regeln müssen den veränderten Anforderungen angepasst werden. Der Weg dorthin ist aber schwierig und kann

    wie viele organisatorische Veränderungsprozesse zuvor

    scheitern. Dies legt die Suche nach pragmatischen Alternativen nahe. Geht die Kritik an der Budgetierung im Wesentlichen dahin, dass diese zu starr und zu zeitaufwändig ist, wird es häufig ausreichend sein, im Rahmen der etablierten handlungsleitenden Ordnung den Budgetierungsprozess zu verkürzen, Budgets flexibel zu gestalten und die Planungsinhalte zu fokussieren. Hierauf zielen u.a. die Anregungen von P. Horváth und das Konzept des Better Budgeting: Das bestehende Budgetierungssystem soll durch ein Bündel von (altbekannten) Maßnahmen zur Fokussierung der Planungsinhalte und zur Verkürzung des Budgetierungsprozesses optimiert werden. Better Budgeting stellt somit

    anders als der Ansatz des Beyond Budgeting

    die internen Modelle der Akteure nicht grundlegend in Frage. Wenn aber die Prämissen einer budgetbasierten Koordination nicht mehr erfüllt sind, das eigentliche Problem in den Köpfen steckt und statt Effizienzgewinnen in der Budgetierung eine Veränderung der handlungsleitendenden Ordnung gefragt ist, greift der Ansatz zu kurz. Für die Praxis gilt es daher, viel Zeit und Mühe in die Analyse der Ausgangssituation zu investieren.

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