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Hinzurechnungsbesteuerung
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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1. Begriff: Maßnahme des deutschen Steuerrechts zur Verhinderung der Einkommensverlagerung auf ausländische Kapitalgesellschaften. Überträgt ein deutscher Steuerpflichtiger eine Einkommensquelle, aus der er (z.B.) ausländische Einkünfte bezieht, auf eine Kapitalgesellschaft, so waren diese Einkünfte vorher im Inland steuerpflichtig (inländischer Steuerpflichtiger, ausländische Einkünfte: Welteinkommensprinzip), können nachher aber nach den normalen Grundsätzen eigentlich nicht mehr erfasst werden (sie gehören jetzt nämlich einem ausländischen Steuerpflichtigen und sind ausländische Einkünfte). Wird im Staat der ausländischen Kapitalgesellschaft keine oder nur eine vergleichsweise geringe Körperschaftsteuer erhoben, würden also durch die Verlagerung von Einkommensquellen auf solche Zwischengesellschaften die Einnahmen der deutschen Besteuerung entzogen.
2. Funktionsweise: a) Grundprinzip: Durch die Hinzurechnungsbesteuerung wird formal das Einkommen der ausländischen Kapitalgesellschaft nicht selbst besteuert; sie bezieht jedoch in das inländische Einkommen des Anteilseigners einen fiktiven Einkommensbetrag (den sog. Hinzurechnungsbetrag) ein, der in seiner Höhe denjenigen Einkommensteilen entspricht, für die die ausländische Gesellschaft aus Sicht des Gesetzgebers als Zwischengesellschaft benutzt worden sein könnte. Der deutsche Steuerpflichtige kann somit durch die Einschaltung einer Zwischengesellschaft seine Steuerbelastung nicht senken.
b) Besteuerung des Hinzurechnungsbetrags: Der Hinzurechnungsbetrag zählt zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) und wird in voller Höhe der Einkommensteuer unterworfen (bzw. der Körperschaftsteuer, wenn der inländische Steuerpflichtige eine Kapitalgesellschaft ist). Da diese Besteuerung dazu dient, Vorteile aus einer Verlagerung von Einkünften auf eine ausländische Kapitalgesellschaft in einem niedrig besteuernden Land zu verhindern, wird auf den Hinzurechnungsbetrag nicht der reduzierte Steuersatz angewandt, der normalerweise für Einkünfte aus Kapitalvermögen gilt (25 Prozent, "Abgeltungsteuer"), sondern der volle individuelle Einkommensteuersatz. Im Gegenzug wird dann aber die Dividende aus der ausländischen Zwischengesellschaft später nicht mehr besteuert (einkommensteuerlich nur, soweit sie nicht über die Beträge, die schon als Hinzurechnungsbetrag besteuert wurden, hinausgeht; vgl. § 3 Nr. 41 EStG; § 8b I KStG). Auf die deutsche Steuerschuld bzw. auf den Hinzurechnungsbetrag wird die im Ausland gezahlten Steuern auf die Gewinne der Zwischengesellschaft und die Quellensteuern auf die Dividendenausschüttung angerechnet.
c) Zeitpunkt: Die Hinzurechnungsbesteuerung greift bereits in dem Jahr, in dem die ausländische Gesellschaft die Einkünfte erzielt. Sie gelten als zugeflossen, sobald das Wirtschaftsjahr der ausländischen Gesellschaft endet (also an deren Bilanzstichtag).
d) Beurteilung: Die Einschaltung einer Zwischengesellschaft ist durch die Hinzurechnungsbesteuerung unter jedem Gesichtspunkt ökonomisch nicht sinnvoll, sofern nicht wichtige außersteuerliche Gründe vorliegen.
e) Europarechtliche Aspekte: Nach der Rechtsprechung des EuGH verstößt die Hinzurechnungsbesteuerung gegen die Niederlassungsfreiheit; sie ist also gegenüber ausländischen Gesellschaften mit Sitz in der EU und im EWR nur zulässig, soweit eine ausländische Tochterkapitalgesellschaft, an der sich ein deutscher Anteilseigner beteiligt hat, nicht als "Niederlassung" im europarechtlichen Sinne angesehen werden kann. Eine "Niederlassung" ist aber bereits dann gegeben, wenn eine solche Gesellschaft in ihrem Sitzland eine eigene echte wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet. Daher wird europarechtlich die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung bei Beteiligungen an europäischen Gesellschaften nur geduldet, wenn diese Beteiligung als rein künstliche Gestaltung angesehen werden kann. Was unter einer rein künstlichen Gestaltung zu verstehen ist, ist bislang nicht ausreichend geklärt. Es genügt aber jedenfalls nicht, dass die Muttergesellschaft die Tätigkeit der Tochtergesellschaft auch selbst hätte ausüben können; denn das würde die vom EG-Vertrag garantierte Freiheit, eben auch Tochterkapitalgesellschaften gründen zu dürfen, im Kern negieren. Der deutsche Gesetzgeber hat der Problematik dadurch Rechnung getragen, dass er die Hinzurechnungsbesteuerung "insoweit" für unanwendbar erklärt, als der Anteilseigner nachweist, dass er an einer Gesellschaft in der EU oder im EWR beteiligt ist, deren Tätigkeit bestimmten Kriterien genügt (§ 8 II AStG).
f) Entwicklungsmöglichkeiten: Der EuGH hat sich bislang nur zur Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit der Niederlassungsfreiheit geäußert. Es ist jedoch denkbar, dass eine solche Besteuerung die in anderen EU-Staaten gegründeten Gesellschaften auch in ihrer Kapitalverkehrsfreiheit beschränkt, wenn ihr Sitzland nun einmal ein Niedrigsteuerland sein sollte (die Nachfrage von Eigenkapital durch solche Gesellschaften in Staaten wie Deutschland wird dadurch nämlich praktisch fast vollkommen unterbunden); die Hinzurechnungsbesteuerung für solche Fälle zu akzeptieren, würde also implizieren, dass große Teile der Kapitalverkehrsfreiheit für den Großteil der juristischen Personen in diesen Staaten auf nicht absehbare Zeit suspendiert wären. Ob der EuGH dies in einem Streitfall dulden würde, ist jedenfalls fraglich; die deutsche Regelung des § 8 II AStG trägt dieser Möglichkeit in keiner Weise Rechnung. Sollten auch in Hinblick auf die Kapitalverkehrsfreiheit die Bedenken gegen die Zulässigkeit der Hinzurechnungsbesteuerung durchgreifen, wäre das gesamte gesetzgeberische Konzept dieser Maßnahme auf lange Sicht kaum noch zu halten. Es besteht daher gegenwärtig unbestreitbar Bedarf nach grundsätzlich anderen Konzepten, wie man mit der zugrunde liegenden Problematik längerfristig erfolgreich umgehen könnte.
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