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Vergaberecht
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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1. Begriff: Das Vergaberecht umfasst alle Vorschriften und Regeln über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Darunter fallen alle Verträge von öffentlichen Auftraggebern mit Unternehmen über die entgeltliche Beschaffung von Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen sowie durch die Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben im April 2016 in nationales Recht auch Konzessionen. Geregelt wird jedoch nur das Verfahren der öffentlichen Auftragsvergabe, nicht, was Inhalt der Aufträge sein kann. Ein eigenständiges „Vergabegesetz“ existiert in Deutschland (anders z.B. Österreich) nicht, stattdessen gibt es eine Vielzahl von Regelungen auf europäischer sowie Bundes- und Landesebene.
2 Merkmale:Auftraggeber: Zu den Auftraggebern i.S.v. § 98 GWB zählen öffentliche Auftraggeber (§ 99) wie zum Beispiel der Bund und die Länder, Sektorenauftraggeber (§ 100 GWB) und Konzessionsgeber (§ 101 GWB).
Zweigliederung des Vergaberechts: Die Rechtsvorschriften des Kartellvergaberechts (§§ 97 ff GWB) finden nur Anwendung, wenn der Auftragswert den entsprechenden EU-Schwellenwert erreicht. Unterhalb des Wertes regelt sich die Vergabe dagegen nach dem Haushaltsrecht, den landesrechtlichen Vergabegesetzen sowie dem Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art. 3 GG) und dem Europäischen Diskriminierungsverbot, sofern der Wert nicht erreicht wird. Wie im Detail öffentliche Aufträge unterhalb dieser EU-Schwellenwerte vergeben werden, regelt zukünftig die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), die bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen die bisherige Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen - Teil A (VOL/A) ersetzt. Es handelt sich dabei um eine Verfahrensordnung, die durch Bund und Länder haushaltsrechtlich umgesetzt werden muss, um vollends in Kraft zu treten. Durch die Neuregelung sind die öffentlichen Auftraggeber zwar verfahrensrechtlich gebunden, den Bietern steht jedoch kein klagefähiges, subjektives Recht zu. Die Schwellenwerte werden in der Regel alle zwei Jahre aktualisiert.
Ausnahmen von der Vergabepflicht: Ausnahmen von der Vergabepflicht sind zum einen in § 107 GWB geregelt (z.B. Arbeitsverträge) und betreffen zum anderen die Inhouse-Vergaben. Ein vergabefreies Inhouse-Geschäft liegt vor, wenn zwar rechtstechnisch ein „entgeltlicher Beschaffungsvertrag mit einem Unternehmen“ (im Ergebnis also ein öffentlicher Auftrag) vorliegt, aber eine Gebietskörperschaft über dieses Unternehmen Kontrolle wie gegenüber einer eigenen Dienststelle ausübt, der Beauftragte im Wesentlichen (mehr als 80 Prozent) für die entsprechende Gebietskörperschaft tätig wird und grundsätzlich an der juristischen Person keine direkte private Kapitalbeteiligung besteht. Die Thematik des Inhouse-Geschäfts ist regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen, insbesondere hinsichtlich der Wahrung der Rechte der Kommunen und ihrer Unternehmen.
3. Ziele und Grundsätze: Ziel des deutschen Vergaberechts ist es zum einen, den sparsamen Umgang mit Haushaltsmitteln zu fördern, indem öffentliche Aufträge zu den wirtschaftlich besten Konditionen erteilt werden. Außerdem sollen Korruption und Vetternwirtschaft bekämpft und ein transparenter und diskriminierungsfreier Wettbewerb gewährleistet werden. Durch die Richtlinien der EU soll v.a. erreicht werden, den Zugang zu öffentlichen Aufträgen für europäische Unternehmen zu erleichtern. Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene werden daneben auch „vergabefremde Ziele“ verfolgt, z.B. sozialer und umweltpolitischer Art.
4. Entwicklung der Rechtsquellen: Bis zum Jahr 1993/94 wurde die Vergabe öffentlicher Aufträge in Deutschland v.a. im deutschen Haushaltsrecht (des Bundes, der Länder und Kommunen) geregelt. Daneben waren insbesondere die VOB/A und VOL/A relevant. Als Grundsätze dienten die Gebote der Sparsamkeit, der Wirtschaftlichkeit und der gesicherten Abdeckung. Subjektive einklagbare Rechte von Bietern waren noch nicht vorgesehen. Infolge der Umsetzung der europäischen Vergaberichtlinien in das Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) wurde in Form einer haushaltsrechtlichen Lösung ein Rechtsschutzsystem in das deutsche Vergaberecht eingeführt. Der EuGH stellte in seinem Urteil vom 11.08.1995 (Rs. C-433/93 (Kommission/Deutschland)) jedoch die Unvereinbarkeit mit dem europäischen Recht fest. Daraufhin wurde der 4. Teil des GWB eingeführt. Die Vergaberichtlinie (EG) 18/2004; Sektorenrichtlinie (EG) 17/2004) sowie Richtlinien zum Rechtsschutz bei der Vergabe (Überwachungs-Richtlinie 89/665/EWG und Sektorenüberwachungs-Richtlinie 92/13/EWG, geändert durch Richtlinie 2007/66/EG) schrieben den Mitgliedstaaten später vor, dass öffentliche Aufträge zwingend europaweit ausgeschrieben werden müssen, wenn der Wert der Aufträge bestimmte Schwellenwerte überschreitet. Alle Richtlinien wurden durch die Einführung des 4. Teils in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und später der Vergabeverordnung (VgV) in Deutschland schließlich europarechtskonform umgesetzt. Wichtige Rechtsquellen im deutschen Recht sind auch die Sektorenverordnung (SektVO) und die Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF). Hinzu kommt die Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) vom 12.04.2016, die nähere Bestimmungen über das einzuhaltende Verfahren bei der Vergabe von Bau- oder Dienstleistungskonzessionen trifft. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass der Konzessionär anstatt einer Vergütung durch den Auftraggeber das Recht zur wirtschaftlichen Nutzung und Verwertung der angebotenen Leistung erhält.
5. Verfahren und Rechtsschutz: Siehe dazu öffentliche Auftragsvergabe.
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