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Corporate Governance

Definition: Was ist "Corporate Governance"?

Corporate Governance bezeichnet den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens. Unvollständige Verträge und unterschiedliche Interessenlagen bieten den Stakeholdern prinzipiell Gelegenheiten wie auch Motive zu opportunistischem Verhalten. Regelungen zur Corporate Governance haben grundsätzlich die Aufgabe, durch geeignete rechtliche und faktische Arrangements die Spielräume und Motivationen der Akteure für opportunistisches Verhalten einzuschränken.

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Inhaltsverzeichnis

    1. Begriff und Bedeutung der Corporate Governance
    2. Grundtatbestände der Corporate Governance
      1. Unternehmen als Netzwerke unvollständiger Verträge
      2. Kreis der Stakeholder
      3. Funktionen der Corporate Governance
      4. Unternehmensinteresse als Leitmaxime
    3. Regelungsgegenstände und Regelungsebenen der Corporate Governance
    4. Gestaltungsformen der Corporate Governance
      1. Mechanismen der Corporate Governance
      2. Prinzipien der Corporate Governance
      3. Systeme der Corporate Governance
    5. Erfolgswirkungen der Corporate Governance

    Begriff und Bedeutung der Corporate Governance

    Corporate Governance (CG) bezeichnet den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens. Im Unterschied zur Unternehmensverfassung, die primär die Binnenordnung des Unternehmens betrifft, werden unter dem Stichwort CG auch Fragen der (rechtlichen und faktischen) Einbindung des Unternehmens in sein Umfeld (wie namentlich den Kapitalmarkt) adressiert. Dabei steht insgesamt die große börsennotierte (Aktien-)Gesellschaft im Mittelpunkt des Interesses. Allerdings werden zunehmend auch andere Rechtsformen und Unternehmen mittlerer Größenordnungen aus dem Blickwinkel ihrer spezifischen Anforderungen an die CG analysiert.

    CG ist keineswegs ein neues Thema. So weist die Auseinandersetzung mit der (mangelnden) Effizienz der Führungsorgane wie namentlich dem Aufsichtsrat, aber auch die Debatte um die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Deutschland eine lange Tradition auf. In den letzten Jahren hat die Diskussion über zweckmäßige Formen der Leitung und Überwachung von Unternehmen aber sowohl national als auch international einen bislang noch nicht da gewesenen Stellenwert erlangt. Treiber dieser Entwicklung sind zum einen die bekannten zahlreichen Fälle von Missmanagement und Unternehmensschieflagen im In- und Ausland. Zum anderen verleihen die Globalisierung der Wirtschaft und die Liberalisierung der Kapitalmärkte der Diskussion um effiziente und transparente Formen der Unternehmensführung zusätzliche Schubkraft. Im Zuge der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise werden bisherige Governancemodalitäten mit besonderer Konsequenz infrage gestellt.

    Grundtatbestände der Corporate Governance

    Unternehmen als Netzwerke unvollständiger Verträge

    Unternehmen bilden Orte der Bündelung von Beiträgen verschiedener Akteure bzw. Bezugsgruppen (z.B. Anteilseigner, Gläubiger, Arbeitnehmer und Lieferanten) zur arbeitsteiligen Wertschöpfung unter Leitung eines Topmanagements. Dabei werden die Beziehungen der Bezugsgruppen zum Unternehmen in expliziten oder impliziten Verträgen geregelt. Die Governanceproblematik des Unternehmens lässt sich im Kern darauf zurückführen, dass die geschlossenen Verträge zwangsläufig bis zu einem gewissen Grade unvollständig sind und die diversen Stakeholder teils unterschiedliche Interessen verfolgen. Je nach ihren Einflussmöglichkeiten auf das Unternehmensgeschehen können die Akteure somit versuchen, die Unvollständigkeiten der Verträge zu ihren Gunsten - und damit meist zulasten anderer Bezugsgruppen - auszunutzen. Je nach ihrer psychologischen Disposition werden sie dieser Versuchung auch tatsächlich erliegen.

    Verträge sind unvollständig, da und soweit sie sich auf Transaktionen in der Zukunft beziehen und nicht alle (komplexen und unvorhersehbaren) Entwicklungen im Austauschverhältnis zwischen den Vertragsparteien im Detail richtig und fair regeln können. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien lassen sich daher nur (mehr oder weniger) lückenhaft vertraglich vereinbaren. Ein typisches Beispiel bildet der (implizite) Vertrag der Aktionäre mit dem Unternehmen, Eigenkapital gegen eine angemessene Rendite zur Verfügung zu stellen. Schon aufgrund der Unsicherheit der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens lässt sich die tatsächliche Höhe der erzielbaren Rendite nicht ex ante fixieren.

    Kreis der Stakeholder

    Der Begriff der Bezugsgruppen bzw. Stakeholder wird in der Literatur nicht einheitlich verwendet, sodass auch unterschiedliche Auffassungen darüber herrschen, welche Stakeholdergruppen (neben Aktionären und Management) zu berücksichtigen sind. Nach den unternehmenstheoretischen Zusammenhängen sind zu den Stakeholdern eines Unternehmens im Prinzip alle (Gruppen von) natürlichen Personen und Institutionen zu zählen, die auf der Grundlage unvollständiger Verträge Transaktionen mit dem Unternehmen durchführen und aus diesem Grund ein (im weiten Sinne) ökonomisches Interesse am Unternehmensgeschehen haben. Dabei zielt das Interesse der Stakeholder generell darauf ab, für ihre geleisteten Beiträge zur Wertschöpfung eine adäquate Gegenleistung zu erhalten. Zu denken ist namentlich an die Anteilseigner (Eigenkapital gegen Rendite), die Fremdkapitalgeber (Kredite gegen Zinsen), die Arbeitnehmer (Arbeitsleistungen gegen Entlohnung), das Management selbst (Leitung gegen Vergütung), die Lieferanten (Zulieferungen gegen Bezahlung), die Allgemeinheit in Form des Staates (Infrastrukturen gegen Steuern) sowie die Kunden (Bezahlung gegen Produkt). Hierbei nehmen die Kunden insofern eine Sonderrolle ein, als sie neben Inputfaktoren (Finanzmittel qua Bezahlung) durch die Produktabnahme zu einem bestimmten Preis auch die Bewertung der Wertschöpfung liefern. Ohne solche Kaufakte schaffen die Beiträge der übrigen Stakeholder zum Wertschöpfungsprozess streng genommen keine marktgängigen Werte.
    Alle Stakeholdergruppen können ohne Frage Risiken aus unvollständigen Verträgen ausgesetzt sein. Neben dem schon genannten Beispiel der Aktionäre ist etwa an Gläubiger zu denken, die im Insolvenzverfahren „freiwillig“ auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Auch Arbeitnehmer können durchaus in eine Situation geraten, in der das Management ihre (Vor-)Leistungen nicht erwartungsgemäß honoriert, indem sich z.B. in Aussicht gestellte Verdienst- und Karrierechancen aufgrund späterer wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Unternehmens nicht verwirklichen. Analoge Risiken gelten nicht zuletzt auch für Kunden, die etwa nach dem Erwerb komplexer Informationssysteme gravierende Nachteile des Systems kennen lernen, aber nur zu erheblichen (oft prohibitiv hohen) Kosten in andere Systemwelten wechseln können.

    Generell gilt, dass die jeweiligen Risiken der verschiedenen Stakeholder tendenziell mit der Unternehmensspezifität ihrer Beiträge steigen. Je spezifischer Investitionen auf ein bestimmtes Unternehmen zugeschnitten sind, desto wertloser sind sie tendenziell außerhalb des Unternehmens. Ferner können sich die relativen Gewichte der einzelnen Stakeholderrisiken im Zeitablauf mit den Änderungen von (Markt-)Machtverhältnissen verschieben. Sie sind beispielsweise für Kunden auf Verkäufermärkten und Arbeitnehmer bei hoher Arbeitslosigkeit tendenziell größer als bei gesättigten Absatzmärkten und Arbeitskräftemangel.

    Die Stakeholder verfügen jeweils grundsätzlich auch über Optionen, Unvollkommenheiten ihrer Verträge mit dem Unternehmen zu ihren Gunsten zu nutzen. Beispielsweise können „räuberische Aktionäre“ Anfechtungsklagen erheben, Arbeitnehmer mangelndes Engagement zeigen (Dienst nach Vorschrift) und Großkunden in Preisverhandlungen existentielle Abhängigkeiten ihrer Lieferanten ausnutzen.

    Funktionen der Corporate Governance

    Unvollständigkeit der Verträge und Unterschiedlichkeit der Interessenlagen bieten den Stakeholdern nach den voranstehenden Überlegungen prinzipiell Gelegenheiten wie auch Motive zu dem opportunistischen Verhalten, im Eigeninteresse Vertragslücken zulasten anderer Bezugsgruppen auszunutzen. Hiermit korrespondierend unterliegen sie zugleich den Risiken des Opportunismus der übrigen Stakeholder. Das Unternehmensgeschehen stellt sich aus dieser Sicht somit als komplexes Geflecht von Austauschbeziehungen zahlreicher Akteure mit Opportunismusoptionen und Opportunismusrisiken dar. Die Realisierung dieser Optionen und Risiken bewirkt der Tendenz nach Wohlfahrtsverluste und Verteilungs­ungleichgewichte, da und soweit die Stakeholder suboptimale Beiträge zur Wertschöpfung erbringen bzw. Gegenleistungen erhalten, die ihre Beiträge (einschließlich des Opportunismusrisikos) nicht adäquat honorieren. Vor diesem Hintergrund haben Regelungen zur CG grundsätzlich die Aufgabe, durch geeignete rechtliche und faktische Arrangements die Spielräume und Motivationen der Akteure für opportunistisches Verhalten einzuschränken. Sie zielen darauf ab, unter Abwägung der Einbußen durch opportunistisches Verhalten (Opportunismuskosten) und der Aufwendungen für die Regelungen (Regulierungs- bzw. Governancekosten) möglichst günstige (Markt-)Bedingungen für eine produktive Wertschöpfung und faire Wertverteilung zu schaffen. Dabei bemisst sich die Produktivität der Wertschöpfung (und damit auch der ökonomische Unternehmenswert) letztlich nach dem Ausmaß der Fähigkeit des Unternehmens, die Ansprüche seiner Bezugsgruppen (bei gegebenen Beiträgen) nachhaltig zu erfüllen. Die Fairness der Wertverteilung kann unternehmenstheoretisch danach beurteilt werden, inwieweit sie den Relationen der Wertschöpfungsbeiträge und der Chancen bzw. Risiken aus unvollständigen Verträgen der einzelnen Stakeholder folgt.

    Unternehmensinteresse als Leitmaxime

    Regelungen der CG können Spielräume und Motivationen zu opportunistischem Verhalten zwar eindämmen, aber nicht alle denkbaren Konfliktfälle zwischen den Bezugsgruppen vorab lösen. Erforderlich ist daher eine übergeordnete Leitmaxime, die dem Topmanagement als Inhaber der obersten Verfügungsmacht im Unternehmen im Einzelfall eine Handlungsorientierung bietet. Angesprochen ist damit die - als Konsequenz der aktuellen Krise gerade gegenwärtig wieder lebhaft diskutierte - Kernfrage der CG, in wessen Interesse das Unternehmen zu führen ist.

    Die diversen Bezugsgruppen eines Unternehmens haben im Grundsatz übereinstimmend Interesse an einer nachhaltigen wirtschaftlichen Prosperität des Unternehmens, da letztlich nur ein profitables Unternehmen ihre Ansprüche bedienen kann. Im Einzelnen verfolgen sie allerdings gruppenspezifische Zielsetzungen, die verschiedenartig und zumindest teilweise auch konträr zueinander sind. In bestimmten Teilen des Schrifttums wird zwar bestritten, dass zwischen den Interessen der unterschiedlichen Bezugsgruppen Zielkonflikte möglich sind. Bei Lichte besehen kann aber kein Zweifel bestehen, dass hohe Zielerreichungen bestimmter Bezugsgruppen zumindest teilweise die Interessen anderer Gruppen beeinträchtigen. So senken großzügige Lohnzugeständnisse des Topmanagements an die Arbeitnehmer c.p. die Gewinnansprüche der Aktionäre - und festigen unter (namentlich Mitbestimmungs-)Umständen zugleich die Position des Managements im Unternehmen. Die Möglichkeit (und Wahrscheinlichkeit) von Zielkonflikten wird im Übrigen nicht zuletzt auch durch den Tatbestand unterstrichen, dass selbst die Stakeholder einer Gruppe häufig verschiedene und nicht selten auch konfliktäre Einzelinteressen aufweisen. Zu denken ist beispielsweise an ordentliche und „räuberische“ Aktionäre oder an gesicherte und ungesicherte Gläubiger.

    Auf der Basis der zuvor dargelegten unternehmenstheoretischen Zusammenhänge lässt sich zunächst feststellen, dass die Interessen sämtlicher Stakeholder zumindest insoweit fraglos beachtet werden müssen, als sie vertraglich und gesetzlich fixiert sind. Offen ist damit allenfalls die Frage, inwieweit aufgrund von Regelungslücken offenstehende Opportunismusoptionen vom Management (mehr oder weniger) konsequent im Interesse der Anteilseigner ausgenutzt werden sollen.

    Nach geltendem Recht sind Vorstand und Aufsichtsrat zur Wahrung des Unternehmensinteresses verpflichtet. Dabei ergibt sich das Unternehmensinteresse aus der angemessenen Berücksichtigung der diversen Einzelinteressen aller Bezugsgruppen. Die juristische Bindung der Führungsorgane der AG an das Unternehmensinteresse ist nicht nur de lege lata zu beachten, sondern durch die dargelegten unternehmenstheoretischen Zusammenhänge auch gut begründet. Geht man von der oben formulierten Zielsetzung von Governanceregelungen aus, effiziente Rahmenbedingungen für eine nachhaltig produktive Wertschöpfung und faire Wertverteilung zu etablieren, so ergibt sich zwanglos, dass eine strikt opportunistische Shareholder-Orientierung auf längere Sicht kontraproduktiv und unfair sein wird. Je mehr sich die anderen Stakeholder derartigen Verhaltensweisen des Managements (und mittelbar der Aktionäre) ausgesetzt sehen, umso eher werden sie selbst eigene Opportunismusoptionen aufbauen und ausüben. Infolgedessen sprechen gute ökonomische Gründe dafür, dass das Management Vertragsrisiken der Stakeholder nicht einseitig, sondern ausgewogen zur Steigerung des nachhaltigen Unternehmenswertes im oben umschriebenen Sinne handhabt.

    Regelungsgegenstände und Regelungsebenen der Corporate Governance

    Aus Sicht der betriebswirtschaftlichen Anforderungen guter Unternehmensführung müssen sich Regelungen zur CG auf die folgenden vier Gestaltungsfelder erstrecken: a) die Festlegung der übergeordneten Zielsetzung des Unternehmens, die dem Topmanagement eine Handlungsmaxime bietet, um Interessenkonflikte zwischen den Bezugsgruppen im Einzelfall zu bewältigen,

    b) die Strukturen, Prozesse und Personen der Unternehmensführung, mit denen diese Zielsetzung erreicht werden soll,

    c) die regelmäßige Evaluation der Führungsaktivitäten zur Bestandsaufnahme und kontinuierlichen Verbesserung der Modalitäten der Unternehmensführung sowie

    d) die proaktive Unternehmens­kommunikation, um durch Herstellung von Transparenz das Vertrauen und damit die letztlich existenznotwendige Unterstützung der relevanten Bezugsgruppen des Unternehmens zu gewinnen und zu festigen.

    Regelungen zur CG können auf drei verschiedenen Regulierungsebenen angesiedelt werden. Zunächst lassen sich gesetzliche Vorschriften und untergesetzliche Governancestandards unterscheiden. Gesetzliche Vorschriften sind das Ergebnis eines parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens und für alle Adressaten des betreffenden Gesetzes verbindlich. Untergesetzliche Governancestandards („soft law“) füllen die jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften aus und sollen qua (mehr oder weniger freiwilliger) Selbstbindung der Unternehmen wirksam werden. Innerhalb der Gruppe untergesetzlicher Governancestandards kann nach ihrer Geltungsreichweite zwischen generellen Regelwerken für eine bestimmte, größere Gruppe von Unternehmen (z.B. Kodizes wie der Deutsche Corporate Governance Kodex) und unternehmensindividuellen Leitlinien unterschieden werden.

    Gestaltungsformen der Corporate Governance

    Mechanismen der Corporate Governance

    CG-Regime können mit internen Kontrollen durch Unternehmensorgane und externen Kontrollen durch den Markt auf zwei prinzipiell unterschiedliche Mechanismen zurückgreifen, um Risiken aus unvollständigen Verträgen einzudämmen. Bei den - oft auch synonym als interne CG bezeichneten - Organkontrollen erhalten Stakeholder bestimmte Informations-, Überwachungs- und Entscheidungs­rechte, die sie in die Lage versetzen, solche Risiken (besser) zu erkennen und im Rahmen ihrer Kompetenzen zu reduzieren. Ein prototypisches Beispiel bildet der Aufsichtsrat der AG, der es den dort vertretenen Bezugsgruppen (Aktionäre, Arbeitnehmer im Mitbestimmungsfall, ggf. Kreditgeber etc.) erlaubt, den Vorstand zu kontrollieren. Marktkontrollen hingegen setzen - als externe CG - auf die ‚freiwillige’ Koordination unterschiedlicher Interessen durch das Spiel der Marktkräfte von Angebot und Nachfrage. Im Zentrum diesbezüglicher Governanceüberlegungen steht hier bislang der (Eigenkapital-)Markt für Unternehmenskontrolle, der unbefriedigende Leistungen des Topmanagements durch die idealtypische Sequenz von Aktienverkäufen, Kursrückgängen, feindlicher Übernahme und Auswechselung des Managements sanktioniert. Die Marktkontrolle ist als Governancemechanismus allerdings keineswegs auf den Markt für Eigenkapital beschränkt. Sie kann vielmehr durchaus auch auf anderen Märkten und damit zugunsten weiterer Stakeholder funktionieren. Zu denken ist nicht zuletzt an den Markt für Reputation, der maßgeblich von den Medien gestaltet wird.

    Prinzipien der Corporate Governance

    Ausgehend von den Ursachen der Governanceprobleme (unvollständige Verträge mit Informations­asymmetrien, unterschiedliche Interessen der Bezugsgruppen und opportunistisches Verhalten der Akteure) lassen sich bestimmte Gestaltungsprinzipien der CG identifizieren, welche die produktive Wertschöpfung und faire Wertverteilung fördern (sollen). Zu den wichtigsten Governanceprinzipien zählen die Gewaltenteilung, die Transparenz, die Reduzierung von Interessenkonflikten sowie die Sicherstellung der Qualifikation und die Motivation der Organmitglieder zu wertorientiertem Verhalten.

    Durch Gewaltenteilung werden Verfügungsrechte auf mehrere Akteure verteilt und qua Etablierung von „checks and balances“ Machtmonopole abgebaut, die anderenfalls zu opportunistischem Verhalten missbraucht werden könnten. Die Förderung der Transparenz des Unternehmensgeschehens zielt darauf ab, Informationsasymmetrien zwischen den verschiedenen Akteuren zu reduzieren. Im Mittelpunkt der Eindämmung von Interessenkonflikten steht bislang das Topmanagement, das aufgrund seiner privilegierten Verfügungsmacht besonders vielfältige Gelegenheiten hat, eigene Interessen über das Unternehmensinteresse zu stellen. Daneben werden aber auch andere Konfliktlagen wie etwa die von Aufsichtsratsmitgliedern und Abschlussprüfern adressiert. Eine hohe fachliche Qualifikation ist unabdingbare Voraussetzung für die kompetente Wahrnehmung der Leitungs- und Überwachungs­aufgaben. Organmitglieder müssen aufgrund eigener Kenntnisse und Erfahrungen zu einer fundierten Auseinandersetzung mit den zu erörternden Sachfragen der jeweiligen Gremien beitragen können. Die Motivation der Akteure soll ihren (eventuellen) Präferenzen für opportunistische Verhaltensweisen entgegenwirken und kann an den verschiedenen Faktoren der intrinsischen und extrinsischen Motivation (z.B. materielle Anreize) anknüpfen. Nicht zuletzt zählen hierzu auch die diversen Haftungsvorschriften zivil- und strafrechtlicher Natur, die vertrags- und gesetzwidrige Formen des Opportunismus mit entsprechenden Sanktionen belegen.

    Systeme der Corporate Governance

    Systeme der CG bestehen aus diversen markanten Elementen rechtlicher und faktischer Natur, die unterschiedliche Ausprägungen annehmen können. Die jeweilige Kombination dieser Elemente führt zu spezifischen Arrangements institutioneller Regelungen und marktlicher Gegebenheiten, die insgesamt die Möglichkeiten der verschiedenen Stakeholder zur Einflussnahme auf das Unternehmensgeschehen bestimmen. Zu den wichtigsten rechtlichen Systemelementen zählen die maßgebliche übergeordnete Zielsetzung des Unternehmens (Shareholder- oder Stakeholder-Orientierung), Strukturmerkmale wie beispielsweise eine monistische (Board-System) oder dualistische (Two-Tier-System) Verfassung und eine direktoriale (CEO) oder kollegiale (Vorstand) Leitungsorganisation, die Verankerung der Arbeitnehmer (Partizipation durch Mitbestimmung oder Ausübung externen Arbeitsmarktdrucks) und die primäre Ausrichtung von Publizität und Prüfung nach dem Marktwert- oder dem Vorsichtsprinzip (US-GAAP bzw. IFRS/IAS vs. HGB). Die faktischen Systemelemente umfassen namentlich Indikatoren des Kapitalmarkts wie etwa die Aktionärsstrukturen (Anteilskonzentrationen oder Streubesitz), das Verhältnis von Eigen- und Fremdfinanzierung der Unternehmen, die Rolle der Banken (Universalbank- oder Trennungsprinzip) und die Existenz personeller Verflechtungen zwischen den Unternehmen. Von Bedeutung sind aber auch generellere sozio-kulturelle Faktoren wie beispielsweise die ‚Governanceatmosphäre’, die governancerelevante Werthaltungen der jeweiligen Gesellschaft beinhaltet und z.B. bestimmt, welche Managementvergütungen noch als angemessen und inwieweit opportunistische Verhaltensweisen als verwerflich angesehen werden.

    In der Realität lassen sich charakteristische Kombinationen dieser Elementausprägungen identifizieren, die als sog. Systemtypen oder Governancemodelle grundlegende Alternativen des Umgangs mit dem CG-Problem markieren. Besondere Bedeutung kommt dabei der Gegenüberstellung des angelsächsischen und des kontinentaleuropäischen Modells zu. Derartige Kontrastierungen alternativer Systemtypen laufen naturgemäß Gefahr, holzschnittartig zu überzeichnen und notwendigen Nuancierungen nicht gerecht zu werden. Sie werfen gleichwohl die interessante Frage auf, welche Governancelösung effizienter ist und sich im globalen Systemwettbewerb möglicherweise durchsetzt. Die Beantwortung dieser Frage ist - was häufig übersehen wird - ein komplexes Unterfangen, da die ökonomische Effizienz alternativer Governancesysteme von zahlreichen Faktoren abhängt wie namentlich der Komplementarität der Systemelemente und ihrer Einpassung in das jeweilige wirtschaftliche, rechtliche und sozio-kulturelle Umsystem. Hinzu kommt, dass nicht allein die ökonomische Effizienz, sondern auch andere Faktoren wie namentlich politische (Macht-)Verhältnisse darüber entscheiden, ob und welche Governancesysteme sich international durchsetzen.

    Erfolgswirkungen der Corporate Governance

    Die Governancedebatte geht grundsätzlich davon aus, dass Unternehmen mit guter CG erfolgreicher sind als solche mit unzulänglichen Führungsmodalitäten. Die Annahme eines positiven Zusammenhangs zwischen CG und Unternehmenserfolg ist zwar durchaus plausibel, empirisch aber nur schwer nachzuweisen. Die Probleme, verlässliche Aussagen zu den Erfolgswirkungen alternativer Formen der CG zu treffen, beruhen zum einen darauf, dass Governancesysteme aus zahlreichen Systemelementen bestehen, die ihrerseits ein hohes Maß an Komplexität aufweisen und miteinander in vielfältigen Wechselwirkungen stehen. Zum anderen ist zu beachten, dass der Unternehmenserfolg keineswegs ausschließlich von den Governancemodalitäten beeinflusst wird, sondern von zahlreichen weiteren Faktoren wie z.B. den Geschäftsfeld- und Wettbewerbsstrategien des Unternehmens. Die heute noch unsicheren Erkenntnisse über die Erfolgskonsequenzen der CG mahnen somit zur Vorsicht bei entsprechenden Effizienzaussagen. Sie sprechen allerdings in Anbetracht der schwierigen Beweisführung auch nicht per se gegen die Formulierung und Einhaltung von Governancestandards. Soweit die Standards plausibel sind und bereits von zahlreichen Unternehmen (ohne erkennbaren Schaden) praktiziert werden, dürfen sie als ‚Best Practice’ eine gewisse Effizienzvermutung für sich beanspruchen.

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