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Doppelbesteuerung
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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1. Begriff: D. ist gegeben, wenn mehrere selbstständige Steuerhoheitsträger (Staaten) aufgrund desselben Steuertatbestandes dieselben Steuerpflichtigen für den gleichen Zeitraum zu einer gleichartigen Steuer heranziehen. Definitionsmerkmale sind somit:
(1) Erhebung von Steuer durch verschiedene Staaten sowie die vier Identitätsmerkmale:
(2) Steuerobjektidentität,
(3) Steuersubjektidentität im juristischen oder wirtschaftlichen Sinn,
(4) Zeitraumidentität und
(5) Steuerartenidentität.
Anders: Wirtschaftliche Doppelbelastung.
2. Arten: a) Reale oder virtuelle D.:
(1) Reale D. ist eine tatsächlich eintretende D.
(2) Virtuelle D. ist eine theoretisch mögliche, aber aufgrund der vorhandenen Steuergesetze und/oder ihrer Auslegung nicht real eintretende D.
b) Juristische oder wirtschaftliche D.:
(1) Juristische D. liegt vor, wenn neben den unter I angeführten übrigen Merkmalen die Steuersubjektidentität im juristischen Sinn gegeben ist.
(2) Wirtschaftliche D. tritt ein, wenn zwar keine Steuersubjektidentität im juristischen, wohl aber im wirtschaftlichen Sinn vorliegt (z.B. bilden die verschiedenen rechtlich selbstständigen Gesellschaften eines Konzerns ein Steuersubjekt im wirtschaftlichen Sinn).
c) Formelle oder materielle D.:
(1) Bei der formellen D. erstreckt sich die D. auf formelle Steuerpflichten,
(2) bei der materiellen D. dagegen auf die Erfüllung materieller Steuerpflichten.
3. Ursachen: a) Die Steueransprüche der beteiligten Staaten überschneiden sich objektiv, da der juristisch oder wirtschaftlich identische Steuerpflichtige für den gleichen Zeitraum einer gleichartigen Besteuerung bezüglich des gleichen Steuerobjekts (z.B. Einkommen, Vermögen) unterliegt. Folgende Kombinationen von Steuerpflichten kommen vor:
(1) Staat X: Unbeschränkte Steuerpflicht, Staat Y: Beschränkte Steuerpflicht;
(2) Staat X: Unbeschränkte Steuerpflicht, Staat Y: Unbeschränkte Steuerpflicht;
(3) Staat X: Beschränkte Steuerpflicht, Staat Y: Beschränkte Steuerpflicht. Die Kombination
(1) tritt am häufigsten auf.
b) Die Steueransprüche der beteiligten Staaten sind zwar bei Vorhandensein eines Doppelbesteuerungsabkommens so gegeneinander abgegrenzt, dass Überschneidungen nicht mehr vorkommen sollten; dennoch kommt es in einzelnen Fällen zur D., nämlich bei:
(1) Überschneidungen bei der Ermittlung der jedem Staat zustehenden Bemessungsgrundlagen (z.B. Einkommen, Vermögen) oder
(2) positive Qualifikationskonflikten (Fälle, in denen Regeln zur Vermeidung der D. bestehen, aber beide Staaten sich aus ihrer Sicht nach diesen Regeln für qualifiziert halten, eine Besteuerung vorzunehmen).
4. Relevante Steuerarten: D. können prinzipiell bei allen Steuerarten vorkommen. Die Staatenpraxis zeigt aber, dass D. bei der Gruppe der Verkehrsteuern selten sind, da sich hier eine Begrenzung des Steueranspruchs auf das eigene Staatsgebiet von vornherein anbietet. Dagegen sind D. bei den Steuern vom Einkommen und Vermögen der Regelfall.
5. Ökonomische Wirkungen: a) Betriebswirtschaftlich verringert D. die Rentabilität einer Investition. Auslandsinvestitionen müssen daher i.d.R. eine wesentlich höhere Rentabilität vor Steuern aufweisen als vergleichbare Inlandsinvestitionen.
b) Volkswirtschaftlich wirkt die D. wettbewerbsverzerrend und hemmt die Mobilität der Produktionsfaktoren sowie die internationale Arbeitsteilung. Da die betriebswirtschaftlich notwendigen erhöhten Ausgangsrentabilitäten häufig nicht gegeben sind, unterbleiben dann volkswirtschaftlich wünschenswerte Direktinvestitionen im Ausland.
c) Finanzwirtschaftlich führt die D. bei kurzfristiger Betrachtung zu einer Erhaltung inländischer Besteuerungssubstanz. Langfristig überwiegen jedoch die negativen Aspekte in Form eines geringeren gesamtwirtschaftlichen Wachstums und damit geringerer besteuerungsfähiger Erträge. Die Finanzwissenschaft unterscheidet von der D. die Doppelbelastung (besser: Mehrfachbelastung), d.h. die mehrfache steuerliche Belastung desselben Besteuerungsgutes durch verschiedene Steuerarten desselben Hoheitsträgers.
6. Konsequenzen: Die D. gehört zu den wichtigsten Hemmnissen einer internationalen wirtschaftlichen Betätigung. Da dies aus betriebswirtschaftlicher, volkswirtschaftlicher und finanzwirtschaftlicher Sicht gleichermaßen negativ zu beurteilen ist, haben nicht nur die Steuerpflichtigen, sondern auch die beteiligten Staaten ein elementares Interesse an der Vermeidung der D. durch geeignete Maßnahmen.
7. Vermeidung der D.: a) Unilaterale Maßnahmen: Autonome Maßnahmen des Wohnsitzstaates eines Steuersubjektes, die durch einseitigen Steuerverzicht dieses Staates eine D. im juristischen und/oder wirtschaftlichen Sinn vermeiden oder mildern. In der Bundesrepublik Deutschland existieren unilaterale Maßnahmen bei allen relevanten Steuerarten.
Methoden:
(1) Freistellungsmethoden (Exemption Systems): (a) Volle Freistellung: Das Besteuerungsrecht liegt ausschließlich beim Quellenstaat. Im Wohnsitzstaat bleiben die ausländischen Einkünfte bzw. Vermögensteile bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage und des Steuersatzes außer Betracht. (b) Freistellung mit Progressionsvorbehalt: Die ausländischen Einkünfte bzw. Vermögensteile bleiben im Wohnsitzstaat nur bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage außer Ansatz, werden aber bei der Ermittlung des Steuersatzes berücksichtigt.
(2) Anrechnungsmethoden (Tax Credit Systems): Die ausländischen Einkünfte bzw. Vermögensteile werden bei der Ermittlung der inländischen Steuerbemessungsgrundlage und des Steuersatzes berücksichtigt. Auf die inländische Steuer werden allerdings die im Ausland gezahlten Steuern angerechnet. (a) Direkte Anrechnung: Angerechnet werden die von demselben juristischen Steuersubjekt im Ausland gezahlten Steuern: (aa) Volle Anrechnung: in voller Höhe, also auch über die inländische Steuer hinaus, so dass es theoretisch zu einer Erstattung ausländischer Steuer durch den inländischen Fiskus kommen kann. (ab) Begrenzte Anrechnung: Wie (aa), der Wohnsitzstaat rechnet jedoch nicht in unbegrenzter Höhe an, sondern begrenzt die Anrechnung auf den Steuerbetrag, der im Inland auf die ausländischen Einkünfte bzw. Vermögensteile entfällt. Die Begrenzung kann für alle ausländischen Einkünfte bzw. Vermögensteile gemeinsam gelten (Over-All-Limitation) oder pro Land, aus dem ausländische Einkünfte bezogen werden, erfolgen (Per-Country-Limitation). (ac) Fiktive Anrechnung: Wie (aa), jedoch wird im Wohnsitzstaat nicht die tatsächlich im Ausland entrichtete Steuer angerechnet, sondern eine fiktive Steuer. Diese Methode wird vorzugsweise zur Erhöhung des Anrechnungspotenzials bei niedrig besteuernden Quellenstaaten, bes. Entwicklungsländern, angewandt. (b) Indirekte Anrechnung: Angerechnet werden die von dem wirtschaftlich identischen Steuersubjekt im Ausland entrichteten Steuern (z.B. die von der ausländischen Tochtergesellschaft im Ausland entrichtete Körperschaftsteuer). Die Ausgestaltung der indirekten Anrechnung kann in der gleichen Weise erfolgen wie die Ausgestaltung der direkten Anrechnung.
(3) Pauschalierungsmethode: Die ausländischen Einkünfte bzw. Vermögensteile werden im Quellenstaat und Wohnsitzstaat voll besteuert. Der Wohnsitzstaat wendet auf die ausländischen Einkünfte bzw. Vermögensteile jedoch nicht den normalen Steuersatz an, sondern einen i.d.R. niedrigeren Pauschalsteuersatz.
(4) Abzugsmethode: Die ausländischen Einkünfte bzw. Vermögensteile werden im Wohnsitzstaat und Quellenstaat voll besteuert. Der Wohnsitzstaat erlaubt lediglich den Abzug der im Ausland gezahlten Steuern von der inländischen Bemessungsgrundlage.
b) Bilaterale Maßnahmen sind Abkommen zur Vermeidung der D., die zwischen zwei selbstständigen Staaten zur Vermeidung oder Milderung der D. abgeschlossen werden (Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)). In den DBA werden je nach Einkunftsart und Vermögensart die Freistellung mit Progressionsvorbehalt oder die direkte Anrechnung, mit einer Begrenzung pro Land, angewandt. Im Verhältnis zu Entwicklungsländern kommt auch die direkte fiktive Anrechnung vor.
c) Multilaterale Maßnahmen: DBA, die nicht nur von zwei, sondern von einer Vielzahl von Staaten unterzeichnet werden. Multilaterale Abkommen sind bis heute wegen des schwierigen Interessenausgleichs und der unterschiedlichen Steuersysteme weitgehend ungebräuchlich. In Deutschland werden folgende Methoden je nach Steuerart und der Erfüllung sonstiger Bedingungen angewandt:
(1) Volle Freistellung (selten);
(2) direkte Anrechnung mit einer Begrenzung der Anrechnung pro Land (Regelfall);
(3) bei Dividendeneinkünften von Kapitalgesellschaften, die an ausländischen Tochtergesellschaften beteiligt sind, Freistellung, wenn keine Hinzurechnungsbesteuerung erfolgt;
(4) unter bestimmten Voraussetzungen die Pauschalierungsmethode;
(5) soweit die anderen Methoden unter
(1) bis
(4) nicht anwendbar sind: die Abzugsmethode.
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