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Ingerenz
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Form einer Garantenpflicht aus einer bestehenden Garantenstellung beim strafrechtlichen unechten Unterlassungsdelikt, durch das tatsächliche Herbeiführen einer Gefahrenlage. Strafrechtliches Verhalten und seine daraus resultierende Täterhaftung (durch seine Bestrafung aufgrund von Strafvorschriften) ist in der Realität regelmäßig auf ein aktives Tun des Täters zurückzuführen. Es geht im Strafrecht um "Taten" des Täters - es geht um Handlungen. Während sich im allgemeinen Sprachgebrauch eine Tat bzw. eine Handlung vom Wortsinn her exklusiv auf ein aktives Tun fokussiert, meint das Strafrecht und seine Begriffsverwendung von "Tat" (vgl. § 12 StGB) neben dem aktiven Tun auch das Unterlassen einer Handlung. Der Gesetzgeber hat es nämlich für notwendig befunden, in bestimmten Fällen auch Unterlassungen eines Rechtssubjekts als strafwürdig anzusehen, vgl. bei Unterlassungsdelikt. Beim sog. unechten Unterlassungsdelikt wird Untätigsein vom Unrechtsgehalt her grundsätzlich dem aktiven Tun gleichgestellt und damit ebenfalls als strafwürdig klassifiziert, wenn dem Täter vorwerfbar ist, wonach er "rechtlich dafür einzustehen hat" (§ 13 I StGB), dass ein Erfolg nicht eintritt, dass er abgewendet werden muss. Er hat ihn also gefälligst abzuwenden. Diese mit dem juristischen Fachwort der Garantenstellung, mit der daraus für den Einzelfall zu bejahenden Garantenpflicht, fixiert die besondere Pflichtensituation des "unechten" Unterlassungstäters (es gibt daneben auch noch die sog. echten Unterlassungsdelikte). Zur Entstehung einer Garantenstellung gibt es verschiedene in der Juristerei anerkannte und herausgebildete Fallgruppen (vgl. dazu etwas näher die Ausführungen bei Garantenstellung). Eine davon ist die Ingerenz. Das sind Fallkonstellationen, bei denen das vorherige tatsächliche Herbeiführen einer Gefahrenlage des Täters zum Problem (Schadenseintritt) geführt hat. Es geht also um den Zauberlehrling, der die Geister gerufen hat und deshalb in die strafrechtliche Pflicht gerät, sie auch bändigen zu müssen. Die Gefahr kann durch Tun oder Unterlassen herbeigeführt werden, das kann verschuldet oder unverschuldet geschehen sein. Nach herrschender Meinung wird eine Garantenstellung aus vorangegangenem Verhalten nur bei pflichtwidrigem Vorverhalten begründet. So hat beispielsweise die Rechtsprechung entschieden, dass die Verletzung eines Angreifers in Notwehr den Angegriffenen in der Regel nicht zum Garanten für das Leben des Angreifers macht. Eine bloße allgemeine Mitverursachung des Vorverhaltens reicht zur Bejahung einer Ingerenz nicht aus, wohl aber dann, wenn das Vorverhalten zu einer Gefahrenerhöhung für das Opfer führte: Ein Unterlassungstäter verhindert nicht, dass sein Mittäter bei einer gemeinschaftlich begangenen Körperverletzung weiter macht und gegenüber dem Opfer zu tödlichen Angriffen ansetzt. Die Fälle, die das Leben schreibt, sind sehr vielfältig und stets einzelfallabhängig zu beurteilen: Vom Ausheben einer Baugrube über den übermäßig Alkohol ausschenkenden Gastwirt an den offenbar betrunkenen Autofahrer bis hin zu Fällen der zivilrechtlichen Produkthaftung (wird der Hersteller mangelhafter Produkte insoweit auch strafrechtlich zum Rückruf verpflichtet?) kann alles auf den Prüfstand der Strafjustiz gelangen.
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