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öffentliche Auftragsvergabe

Definition: Was ist "öffentliche Auftragsvergabe"?

Aufträge der öffentlichen Hand für Bauvorhaben, Dienstleistungen (Verkehr, Datenverarbeitung) usw. müssen europaweit ausgeschrieben werden, wenn das Auftragsvolumen bestimmte Schwellenwerte überschreitet. Die Vergabe der Aufträge kann juristisch überprüft werden, um eine gleichmäßige und gerechte Behandlung der Bieter zu gewährleisten.

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    1. Begriff: Entgeltliche Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen und die sie am Markt erwerben.

    2. Wirtschaftliche Bedeutung: a) Bund, Länder und Gemeinden vergeben Aufträge von mehr als 360 Mrd. Euro jährlich. Dazu kommen die Aufträge öffentlicher Unternehmen, die mit mehr als 60 Mrd. Euro jährlich zu beziffern sind. In der EU betrug das Gesamtvolumen der öffentlichen Aufträge 2002 rund 1.500 Mrd. Euro, das sind 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU. Nachgefragt werden Güter und Leistungen fast aller Branchen, von Verbrauchsgütern bis zu technischen Großgeräten. Dem öffentlichen Auftragswesen kommt deshalb nicht nur im Rahmen der staatlichen Haushalts- und Finanzpolitik, sondern auch im Rahmen der Wirtschafts-, Konjunktur- und Infrastrukturpolitik ein hoher Stellenwert zu. Dies birgt nicht nur die Gefahr, ausländische Anbieter im Wettbewerb auszugrenzen, sondern das öffentliche Auftragswesen mit Zwecken zu versehen, die nicht unmittelbar auf das günstigste oder wirtschaftlichste Angebot zielen, sondern etwa auf Gesichtspunkte des Umweltschutzes. Im Interesse der Öffnung und Offenhaltung der Märkte und Schaffung gleicher Zugangsbedingungen für die Anbieter unterliegt das öffentliche Auftragswesen deshalb verstärkt der rechtlichen Regelung im Rahmen der WTO, der EU und des nationalen Vergaberechts.

    b) Infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 sind weltweit Konjunkturprogramme verabschiedet worden, die neben Bürgschaften und anderen Sicherungsformen auch Investitionen in Milliardenhöhe vorsehen. In Deutschland wurde Oktober 2008 der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) (Finanzmarktstabilisierungsfonds) geschaffen, der über 480 Mrd. Euro verfügt. Im November 2008 wurde das 15 Punkte umfassende Maßnahmenpaket „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“ („Konjunkturprogramm I“) verabschiedet, mit dem Investitionen in Höhe von 50 Mrd. Euro in Gang gesetzt werden sollen. Das im Februar 2009 verabschiedete „Konjunkturpaket II“ der Bundesregierung sieht Sonderausgaben in Höhe von 50 Mrd. Euro vor; Kernstück ist ein Investitionsprogramm in Höhe von 17,3 Mrd. Euro für Schulen, Hochschulen, Verkehrswege und andere öffentliche Gebäude.

    3. Rechtlicher Rahmen: a) Das am 1.1.1996 im Rahmen der World Trade Organization (WTO) in Kraft getretenen Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement (GPA)) verpflichtet die 27 Vertragsstaaten - wozu auch die EU gehört - auf die Grundsätze der Inländerbehandlung, der Meistbegünstigung, der Transparenz und des vergaberechtlichen Rechtsschutzes.

    b) Das neue dt. Vergaberecht wird maßgeblich geprägt durch die materiellen Vorschriften des EU-Rechts (Vergaberichtlinie (EG) 18/2004; Sektorenrichtlinie (EG) 17/2004) sowie Richtlinien zum Rechtsschutz bei der Vergabe (Überwachungs-Richtlinie 89/665/EWG und Sektorenüberwachungs-Richtlinie 92/13/EWG). Diese Richtlinien schreiben den Mitgliedsstaaten vor, dass öffentliche Aufträge zwingend europaweit ausgeschrieben werden müssen, wenn der Wert der Aufträge bestimmte Schwellenwerte überschreitet. Die Schwellenwerte sind in der Verordnung (EG) Nr. 1422/2007 festgelegt. Sofern diese Schwellenwerte nicht erreicht werden, regelt sich die Vergabe öffentlicher Aufträge nach dem jeweiligen Haushaltsrecht des Bundes und der Länder.

    c) (1) Diese Richtlinien sind in Deutschland schließlich umgesetzt worden im vierten Teil des GWB (§§ 97 ff. GWB) und der auf § 97 VI GWB gestützten Vergabeordnung (VgV) i.d.F. vom 11.2.2003 (BGBl I 169) m.spät.Änd. Der Schwellenwert, deklaratorisch aufgeführt in § 2 VgV, beträgt bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen im Bereich der Trinkwasser- oder Energieversorgung und im Verkehrsbereich 412.000 Euro, für Aufträge der Bundesbehörden 135.000 Euro, für alle anderen Liefer- und Dienstleistungsaufträge 211.000 Euro, für Bauaufträge 5,278 Mio. Euro, für Auslobungsverfahren, die zu einem Dienstleistungsauftrag führen, dessen Schwellenwert. Ferner sind für die Teil- und Fachlose von Dienstleistungsaufträgen und Bauaufträgen je nach Wert bes. Schwellenwerte vorgesehen.
    (2) Zum Kreis der öffentlichen Auftraggeber, die den Regelungen der §§ 97 ff. GWB und der Vergabeverordnung unterfallen, gehören nicht nur die Gebietskörperschaften und deren Sondervermögen, sondern auch natürliche und juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts, sofern sie überwiegend öffentlich finanziert oder mehrheitlich kontrolliert im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art erfüllen oder im Bereich der Daseinsvorsorge tätig sind, oder wenn mit dem Auftrag eine Baukonzession verbunden wird (vgl. § 98 GWB).
    (3) Die Vergabe von öffentlichen Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträgen erfolgt im Wege von offenen, nicht offenen oder Verhandlungsverfahren. Offene Verfahren sind Verfahren, in denen eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Aufgabe von Angeboten, während bei den nichtoffenen Verfahren eine beschränkte Anzahl von Unternehmen zur Angebotsaufgabe aufgefordert wird. Öffentliche Auftraggeber haben grundsätzlich das offene Verfahren anzuwenden, sofern nicht aufgrund der Bestimmungen des GWB etwas anderes gestattet ist. Dazu bestimmt die Vergabeordnung, für welche Arten von öffentlichen Aufträgen welche Arten der Ausschreibung nach welchen Kriterien Anwendung finden können (§§ 4–8 VgV). Die Vergabeverordnung verweist hierzu wiederum auf die Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A) für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen, auf die Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) für die Vergabe freiberuflicher Dienstleistungen und auf die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) für die Vergabe von Bauleistungen. Aufgrund dieser komplizierten Verweisungstechnik vom GWB auf die Vergabeverordnung und von dort auf die Verdingungsordnungen (sog. Kaskadenprinzip) erlangen die Verdingungsordnungen, die an sich von privaten Gremien erstellte Regelwerke mit AGB-Charakter darstellen, die Geltung von Rechtsnormen.

    d) Rechtsschutz: Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, die wegen des Überschreitens der Schwellenwerte europaweit auszuschreiben sind, unterliegen der Nachprüfung durch Vergabekammern (§ 102 GWB). Damit wird den Mitbietern in diesen Fällen ein Rechtsanspruch auf Einhaltung des Vergabeverfahrens eingeräumt (vgl. § 107 GWB). Die Vergabekammer entscheidet, ob der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist und trifft die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern (§ 114 GWB). Ein bereits erteilter Zuschlag kann nicht aufgehoben werden. Die Entscheidung der Vergabekammer ergeht durch Verwaltungsakt (§ 114 I, II GWB). Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig, über die das für den Sitz der Vergabekammer zuständige Oberlandesgericht entscheidet (§ 116 GWB). Bund und Länder können den Verfahren vor der Vergabekammer ein Vorverfahren vorschalten, in dem eine Vergabeprüfstelle die Einhaltung der Vergabevorschriften überprüft (§ 113 GWB).

    4. Sofern der öffentliche Auftrag den Schwellenwert nicht erreicht, regelt sich die Vergabe des Auftrags nach dem Haushaltsrecht. Dieses bindet zwar die öffentlichen Auftraggeber, eröffnet aber den konkurrierenden Bietern grundsätzlich keine eigenen Rechte. Die Bundeshaushaltsordnung (§ 55) und die Landeshaushaltsordnungen sehen lediglich vor, dass Lieferungen und Leistungen grundsätzlich öffentlich auszuschreiben sind, damit die Haushaltsmittel wirtschaftlich und sparsam verwendet werden. Von dem Gebot der öffentlichen Ausschreibung kann ausnahmsweise abgesehen werden, sofern die Natur des Geschäfts oder bes. Umstände dies rechtfertigen. Zur Wahrung der Chancengleichheit aller Anbieter ist beim Abschluss von Verträgen nach einheitlichen Richtlinien, v.a. nach den oben genannten VOB, VOL und VOF vorzugehen. Aus der Nichtbeachtung der Verwaltungsvorschriften durch die Behörden erwächst den unterlegenen Mitgliedern jedoch kein Anspruch wie im Vergabeverfahren nach dem GWB.

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