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Unternehmungskrise
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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Inhaltsverzeichnis
Unternehmenskrise.
Begriff
Unterschiedlichste Phänomene im Leben einer Unternehmung, von der bloßen Störung im Betriebsablauf über Konflikte bis hin zur Vernichtung der Unternehmung, die zumindest aus Sicht der betroffenen Unternehmung als Katastrophe zu bezeichnen sind. In der neueren Literatur werden Unternehmungskrisen übereinstimmend als ungeplante und ungewollte, zeitlich begrenzte Prozesse verstanden, die in der Lage sind, den Fortbestand der Unternehmung substanziell zu gefährden oder sogar unmöglich zu machen. Dies geschieht durch Beeinträchtigung bestimmter Ziele, deren Gefährdung oder gar Nichterreichung gleichbedeutend ist mit einer Existenzgefährdung oder -vernichtung der Unternehmung. Die in dem Begriff der Unternehmungskrise enthaltene Chance zur positiven Wende - u.U. auch noch im Fall der Insolvenz - ist wesensbestimmend für den Begriff und macht die Ambivalenz der Entwicklungsmöglichkeiten (Untergang oder Sanierung) deutlich.
Verlauf
Unternehmungskrisen stellen extern und/oder intern generierte Prozesse dar, die in begrenzten Zeiträumen ablaufen. Ihr Verlauf ist in charakteristische Phasen unterteilbar, die unterschiedliche Ansätze für ein umfassendes Krisenmanagement im Hinblick auf eine Krisenvermeidung oder -bewältigung bieten.
1. Phase: Potenzielle Unternehmungskrise. Der generelle Krisenprozess findet bei umfassender Betrachtungsweise seinen Anfang in der Phase der potenziellen, d.h. lediglich möglichen und noch nicht realen Unternehmungskrisen. Diese wegen der Abwesenheit von wahrnehmbaren Krisensymptomen als Quasi-Normalzustand der Unternehmung zu bezeichnende Phase, in der sich die Unternehmung praktisch ständig befindet, markiert den (zumindest gedanklichen) Entstehungszeitraum von Unternehmungskrisen. Unter dem Merkmal der Steuerbarkeit kommt dieser Phase besondere Bedeutung zu. Hier kann durch gedankliche Vorwegnahme möglicher Unternehmungskrisen und eine darauf aufbauende Ableitung von Strategien und/oder Maßnahmen für den Fall ihres Eintritts ein wesentlicher Beitrag zur Reduktion der Krisenbewältigungsanforderungen in zeitlicher und sachlicher Hinsicht geleistet werden. Schwierigkeiten bereitet jedoch v.a. die Identifikation unternehmungsindividuell relevanter, potenzieller Unternehmungskrisen.
2. Phase: Latente Unternehmungskrise. Diese Phase des Krisenprozesses ist geprägt durch die verdeckt bereits vorhandene oder mit hoher Wahrscheinlichkeit bald eintretende Unternehmungskrise, die in ihren Wirkungen für die betroffene Unternehmung mit dem ihr zur Verfügung stehenden, herkömmlichen Instrumentarium noch nicht wahrnehmbar ist. Bei Anwendung geeigneter Methoden der Früherkennung (operative Frühwarnung, strategische Frühaufklärung) erlaubt diese Phase jedoch eine aktive Beeinflussung latent vorhandener Krisenprozesse durch präventive Strategien/Maßnahmen. Solche Aktionen werden begünstigt durch eine in dieser Phase noch in relativ großem Umfang bestehende Bandbreite von Handlungsmöglichkeiten und das Nichtvorhandensein akuter Entscheidungs- und Handlungszwänge.
3. Phase: Akut/beherrschbare Unternehmungskrise. Diese Phase des Krisenprozesses beginnt mit der unmittelbaren Wahrnehmung der von der Krise ausgehenden destruktiven Wirkungen durch die Unternehmung, womit die in den vorangegangenen Phasen relevante Identifikations-/Früherkennungsproblematik weitgehend entfällt. Dabei verstärkt sich laufend die Intensität der realen (destruktiven) Wirkungen, was erhöhten Zeitdruck und Entscheidungszwang induziert und die (qualitativen) Anforderungen an das Auffinden wirksamer Problemlösungen (Krisenbewältigungsanforderungen) drastisch erhöht. Das Krisenbewältigungspotenzial bindet in dieser Phase immer mehr Kräfte der Unternehmung und schöpft alle für die Krisenbewältigung mobilisierbaren Reserven aus. Die Kumulation der zur Krisenbewältigung herangezogenen Potenziale/Aktionen kann in einer solchen Situation Signalwirkungen haben, wodurch die Intensität der gegen die Unternehmung gerichteten Wirkungen zusätzlich verstärkt und der Krisenprozess weiter beschleunigt wird. Dennoch ist in dieser Phase eine Bewältigung (Beherrschung) der akuten Unternehmungskrise anzunehmen, da das zur Verfügung stehende Krisenbewältigungspotenzial noch ausreichend für die Zurückschlagung der eingetretenen Krise ist.
4. Phase: Akut/nicht beherrschbare Unternehmungskrise. Gelingt es nicht, die akute Unternehmungskrise zu beherrschen, tritt der Krisenprozess in seine letzte Phase. Aus der Sicht der betroffenen Unternehmung wird damit die akute Unternehmungskrise zur Katastrophe, die sich in der manifesten Nichterreichung überlebensrelevanter Ziele dokumentiert. In dieser Phase übersteigen die Krisenbewältigungsanforderungen das verfügbare Krisenbewältigungspotenzial. Die Steuerung des Krisenprozesses mit dem Ziel seiner Beherrschung wird bes. wegen des fortlaufenden Wegfalls von Handlungsmöglichkeiten, des extremen Zeitdrucks und der zunehmenden Intensität der (destruktiven) Wirkungen unmöglich. An die Stelle der Steuerung des Krisenprozesses tritt der Versuch seiner (oft improvisierten) Beeinflussung, womit die spezifisch destruktiven Wirkungen der unausweichlich gewordenen Katastrophe gemildert werden sollen.
Ursachen
1. Quantitative Krisenursachenforschung: Übereinstimmend wurde eine hohe statistische Häufigkeit folgender Merkmalsausprägungen insolventer Unternehmungen festgestellt, die als Ursachen für Unternehmungszusammenbrüche interpretiert werden:
(1) Branchenzugehörigkeit: Die Insolvenzanfälligkeit einzelner Branchen ist erheblich unterschiedlich, wobei der Branchenverbund Baugewerbe mit mehr als einem Drittel aller Insolvenzen eine bes. starke Insolvenzgefährdung aufweist.
(2) Rechtsform: Mit zunehmender, rechtsformbedingter Haftungsbeschränkung wächst die Insolvenzanfälligkeit von Unternehmungen und weist für die GmbH und die GmbH & Co. KG die höchsten Insolvenzgefährdungen auf. AGs sind dagegen dem Anschein nach wesentlich weniger insolvenzgefährdet.
(3) Unternehmungsgröße: Gemessen an der Mitarbeiterzahl steigt die unternehmungsgrößenbedingte Insolvenzgefährdung bis zu etwa 500 Beschäftigten pro Unternehmung stetig an, sinkt allerdings bei darüber hinausgehenden Mitarbeiterzahlen wieder stark ab.
(4) Im Zeitablauf ihres Bestehens nimmt die Insolvenzanfälligkeit von Unternehmungen zunächst tendenziell ab; als bes. insolvenzgefährdet gelten junge Unternehmungen. Allerdings ist bei „alten” Unternehmungen mit einer Bestehenszeit von mehr als 70 Jahren wieder ein Anstieg der Insolvenzgefährdung zu verzeichnen.
2. Qualitative Krisenursachenforschung: Überwiegend wird eine Trennung zwischen endogenen, der Einflusssphäre der Unternehmung unterliegenden, und exogenen, von ihr nicht beeinflussbaren Krisenursachen, vorgenommen.
(1) Häufigste endogene Krisenursachen: (a) Führungsfehler (Missmanagement, Fehler der Betriebsleitung): Führungsfehler als krisenverursachende Faktoren meinen Fehler der Führung als Institution und Prozess. Insgesamt können Führungsfehler als die zentrale insolvenzverursachenden Faktoren nach den Erkenntnissen der bisher vorliegenden Untersuchungen dahingehend interpretiert werden, dass die Führung die ihrer Entscheidungsgewalt bzw. Einflussnahme unterliegenden Abläufe und Strukturen in der Unternehmung nicht den Handlungserfordernissen entsprechend plant, steuert und kontrolliert. Deutlich wird dabei neben Mängeln in der kurzfristigen Planung und Kontrolle auch das Fehlen oder die mangelnde Effizienz strategischer Planungen und deren Realisation. (b) Unzureichende Eigenkapitalausstattung: Die Eigenkapitalausstattung von Unternehmungen in der Bundesrepublik Deutschland hat sich seit Jahren beständig verschlechtert, wobei zwischen den einzelnen Wirtschaftszweigen und Rechtsformen erhebliche Unterschiede bestehen. Eine zu geringe Eigenkapitalausstattung bedeutet dabei den Verzicht auf ein wesentliches „Krisenpolster” und setzt unterkapitalisierte Unternehmungen einem erhöhten Verschuldungsdruck aus. Indes ist eine zu geringe Eigenkapitalausstattung als Insolvenzursache trotz der zunächst plausibel erscheinenden Verknüpfung zwischen Insolvenz und Finanzierungsproblematik kritisch zu beurteilen, da nachweisbar selbst eine gute Eigenkapitalausstattung keineswegs vor Unternehmungskrisen schützen muss.
(2) Häufigste exogene Krisenursachen: (a) Konjunkturelle Fehl-Entwicklungen: Zweifellos wirken konjunkturell bedingte Rezessionen krisenauslösend, wie statistisch belegt werden kann. Dennoch bleibt die Frage offen, ob konjunkturelle Fehlentwicklungen nicht lediglich als Symptome von Unternehmungskrisen zu werten sind. Schließlich sind Krisen auch in Phasen günstiger konjunktureller Entwicklungen anzutreffen, und ebenso überstehen ansonsten „gesunde” Unternehmungen i.Allg. auch konjunkturelle Rezessionen. (b) Strukturelle Veränderungen im gesamtwirtschaftlichen Umfeld der Unternehmung erscheinen bedeutsamer, die allerdings als solche weniger in den jeweiligen Untersuchungen genannt werden, dennoch aber inhaltlich große Bedeutung haben. Strukturelle Veränderungen meinen dabei hauptsächlich (diskontinuierliche) technologische Entwicklungen, die strukturverändernd wirken, wie z.B. der Übergang von der Mechanik auf die Elektronik im Bereich der Uhrenindustrie, der diesen Industriezweig im europäischen Raum in krisenhafte Entwicklungen führte. Im Bereich der neuen Bundesländer sowie Osteuropa wird durch die vollzogenen politischen Veränderungen zugleich eine neue Dimension struktureller Veränderungen deutlich, die Krisenerscheinungen bisher nicht bekannten Ausmaßes erkennen lässt.
(3) Zusammenwirkung endogener und exogener Faktoren der Krisenverursachung: Endogene und exogene Faktoren der Krisenverursachung sind - anders als dies in vielen Untersuchungen den Anschein erweckt - nur schwer voneinander zu trennen. Sie bilden vermutlich gemeinsam die zwei Elemente individueller Krisenverursachung, die mit jeweils unterschiedlichen Anteilen zu überlebenskritischen Prozessen der Unternehmung beitragen.
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