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Finanzrückversicherung
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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Structured Reinsurance, Non-traditional Reinsurance, Limited Risk Reinsurance, Financial Reinsurance, Finite Risk Reinsurance.
1. Begriff: Sehr individuelle Ausgestaltung der Instrumente klassischer Rückversicherung. Wirtschaftliche Hauptzwecke sind die Finanzierungsfunktion (Risikofinanzierung) und die Realisierung finanz- und erfolgswirtschaftlicher Effekte (Jahresabschlusspolitik). Bilanzielle oder liquiditätsrelevante Belastungen sollen gezielt durch erfolgswirksame Zahlungen aus dem Rückversicherungsvertrag ausgeglichen und/oder auf mehrere Jahre verteilt werden (Risikoausgleich über die Zeit).
2. Merkmale: a) Der versicherungstechnische Risikotransfer auf den Rückversicherer ist begrenzt und von untergeordneter Bedeutung.
b) Neben einem begrenzten versicherungstechnischen Risikotransfer finden auch nichtversicherungsspezifische Risiken, wie das Bonitätsrisiko und/oder das Zinsänderungsrisiko sowie Wechselkursrisiken Eingang.
c) Verträge, die über mehrere Jahre laufen, erlauben eine Berücksichtigung des „Zeitwerts“ von Prämien und Versicherungsleistungen.
d) Kapitalanlageerträge finden bei der Berechnung der Rückversicherungsprämien eine explizite Berücksichtigung.
e) Die Vereinbarung eines Experience Account schafft Optionen für eine Ergebnisteilung zwischen Erst- und Rückversicherer.
3. Abgrenzung: Aufgrund ihrer bes. Zielsetzung wird die Finanzrückversicherung teilweise auch als alternative Rückversicherung bezeichnet bzw. dem alternativen Risikotransfer (ART) zugeordnet.
4. Ziele: Je nach Ausgestaltung von Risikofinanzierungs- bzw. Risikotransferelementen lassen sich verschiedene finanzwirtschaftliche bzw. erfolgswirtschaftliche Ziele verfolgen: a) Überbrückung von Kapazitätsengpässen und Abkoppelung von Preiszyklen in der traditionellen Rückversicherung,
b) Optimierung von Selbstbehalten und Rückversicherungsstrukturen,
c) Bilanzentlastung und Liquiditätsunterstützung durch Glättung von Schwankungen der schadenbedingten Zahlungsströme,
d) Schutz der finanzwirtschaftlichen Kennzahlen, z.B. des Verhältnisses zwischen den Nettoprämien bzw. den Netto-Schadenrückstellungen und den Eigenmitteln (leverage ratio),
e) Verbesserung der Solvabilität (Erhöhung der Solvabilitätsmarge) und damit eine Erhöhung der Zeichnungskapazität,
f) Unterstützung bei der Finanzierung erhöhter Aufbaukosten bei neu aufgenommenen oder bes. stark wachsenden Versicherungssparten bzw. Geschäftsfeldern,
g) Unterstützung von Akquisitionen, Fusionen und Neuausrichtungen durch Absicherung von unbekannten Altschäden und damit Gewährleistung von Planungssicherheit.
5. Arten: a) Nach Zeitbezug der Deckung lassen sich Konzepte der Finanzrückversicherung in zwei Kategorien einteilen:
(1) Prospektive Deckungsformen und
(2) Retrospektive Deckungsformen.
b) Je nach Gestaltung der Zahlungsströme überwiegen Vor- bzw. Nachfinanzierungselemente.
(1) Bei einer reinen Vorfinanzierung seitens des Erstversicherers erfolgt eine jährliche oder einmalige Zahlung der Prämie.
(2) Bei einer Nachfinanzierung zahlt der Erstversicherer die übernommenen Schadenleistungen bzw. den negativen Saldo des Experience Account über einen bestimmten Zeitraum an den Rückversicherer zurück.
(3) Kombinationen mit beiden Finanzierungselementen sind häufig.
6. Entwicklung: Elemente der Finanzrückversicherung finden bereits in den 1960er-Jahren als Sonderverträge in der Rückversicherung eine erste Erwähnung. Höhe und Fälligkeit der Zahlungen seitens des Rückversicherers wurden ex ante in einem Auszahlungsplan determiniert („Structured Settlements“, z.B. Time and Distance Cover). Es erfolgte i.d.R. keine Übernahme von versicherungstechnischem Risiko. Kapazitätsengpässe auf dem traditionellen Rückversicherungsmarkt durch die Haftpflichtkrise in den USA sowie eine steigende Nachfrage nach Katastrophendeckungen zu Beginn der 1990er-Jahre führte zu einem verstärkten Einsatz von Finanzrückversicherung mit keinem oder nur sehr geringem Risikotransfer. Fehlende aufsichtsrechtliche Regelungen begünstigten eine fehlerhafte und/oder intransparente Bilanzierung. Die Finanzrückversicherung stand sodann unter dem Verdacht des Missbrauchs. Stärkere Regulierungstendenzen und strengere Bestimmungen seitens der Aufsichts- und Steuerbehörden sowie die Rechnungslegungsvorschriften diverser Gremien (insbesondere in den USA, z.B. FAS 113) führten zur vermehrten Berücksichtigung versicherungstechnischer Risikokomponenten, um die jahresabschlusspolitische Anerkennung der Finanzrückversicherung als Rückversicherungsvertrag zu gewährleisten. Zur Abgrenzung der Konzepte mit begrenztem, aber substantiellem Risikotransfer wurde der Begriff Finite Risk Reinsurance geprägt und häufig als Synonym für Finanzversicherung verwendet.
7. Abgrenzung: Die Grenzen zwischen traditioneller Rückversicherung und nichttraditioneller Rückversicherung im Sinne der Finanzrückversicherung sind fließend. Die Zeichnungsabsicht des Erstversicherers und der Umfang des versicherungstechnischen Risikotransfers bestimmen die Zuordnung der Konzepte. Mit Unterstützung eines Risikotransfertests wird das Ausmaß an transferiertem versicherungsspezifischem Risiko bestimmt. Verträge ohne oder mit nicht hinreichendem Risikotransfer sind bilanziell wie Finanzierungsverträge zu behandeln und entsprechend beim Erst- und beim Rückversicherer zu verbuchen.
8. Aktuelle Entwicklungen: Deutschland setzte mit Inkrafttreten des 8. Gesetzes zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) (8. VAG Novelle) zum 2.6.2007 die Europäischen Richtlinie 2005/68/EG vom 16.11.2005 über die Rückversicherung ins nationale Recht um und führte gesetzliche Regelungen zur aufsichtsrechtlichen Behandlung der Finanzrückversicherung sowie Berichtspflichten für die Finanzrückversicherung ein (§ 121e VAG).
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon