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Bevölkerungspolitik
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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1. Begriff: Gesamtheit zielgerichteter, staatlich-administrativer Maßnahmen, um eine Bevölkerung in ihrer Größe oder inneren Zusammensetzung zu verändern.
2. Maßnahmen: Sie gliedern sich in solche mit
(1) direktem Bevölkerungsbezug, mit
(2) indirektem Bevölkerungsbezug und in
(3) Maßnahmen mit bloßer Bevölkerungsrelevanz. Die Übergänge zwischen (2) und (3) sind fließend. Sie sind nicht Bevölkerungspolitik i.e.S., beeinflussen aber den Bevölkerungsprozess in Form von Gesundheits-, Sozial- und Familienpolitik und mit Maßnahmen der Regional- und Siedlungspolitik. Sie haben Auswirkung auf Familiengründung, Kindererziehung, Lebenserwartung, sowie auf die räumliche Verteilung der Bevölkerung (Siedlungsdichte).
a) Indirekte Maßnahmen legen ein bestimmtes demografisches Verhalten nahe. Familienlastenausgleich, Bevorzugung von Paaren mit Kindern in Sozial- und Steuerpolitik, Politik zur Vereinbarkeit von Familie und Berufsleben für beide Elternteile, Erziehungsgeld, Erziehungsurlaub etc.
b) Direkte Bevölkerungspolitik bedeutet die Absicht eines Staates, sich zur Beeinflussung des Bevölkerungsprozesses zu bekennen. Dabei soll die Bevölkerungsgröße, je nach Staatsziel, vermehrt oder verringert werden. Bevölkerungsvermehrung ist über Einwanderung und/oder Anhebung des Geburtenniveaus (pronatalistische Politik, z.B. die Familienpolitik Frankreichs) möglich. Bevölkerungsverringerung, eigentlich Senkung der jährlichen Zuwachsrate bzw. der Geborenenüberschüsse, ist über Familienplanungsprogramme zu erreichen, die die Paare überzeugen wollen, ihren Nachwuchs entsprechend der gesunkenen Kindersterblichkeit und den Chancen erhöhter Familieneinkommen zu senken (antinatalistische Politik, z.B. in Indien und bes. die Ein-Kind-Politik der Volksrepublik China).
3. Bevölkerungspolitik im liberalen Rechtsstaat europäischer Prägung: Diese Staatsform (Wohlfahrts- und Sozialstaat) hat Staatsziele, die sich mit der Bevölkerungsstruktur, ihrer Quantität und Qualität verknüpfen. Hier ist es die Sorge um den Erhalt des Erwerbspotenzials, das sich nur mehr aus geburtenschwachen Jahrgängen speist und einem starken internationalen Wettbewerb gegenübersteht, sodann die Sorge um die Funktion der sozialen Sicherungssysteme angesichts wachsender Ansprüche bei rückgängigen Zahlen der Beitrags- und Kostenträger. Bevölkerungspolitik weckte in Deutschland lange die Erinnerung an die mißbräuchliche Verwendung des Wortes für negative Eugenik und Rassenpolitik. Im liberalen und sozialen Rechtsstaat ist sie nur im Rahmen verfassungsmäßig garantierter Persönlichkeits- und Freiheitsrechte denkbar. Hier sind es Familienpolitik und Zuwanderung, die Maßnahmen mit bevölkerungspolitischer Intention beinhalten.
4. Bevölkerungspolitik in Entwicklungsländern: Darunter versteht man weitgehend eine quantitative, antinatalistische Politik der Familienplanung. Bevölkerungen der Entwicklungsländer stecken i.d.R. in der mittleren Wachstumsphase des demografischen Übergangs, der umgangssprachlich als Bevölkerungsexplosion bezeichnet wird (Bevölkerungswachstum). Die einzelnen Staaten begründen ihre Maßnahmen auf unterschiedliche Weise:
(a) mit direkten bevölkerungspolitischen Zielen,
(b) mit Gesundheit für Mutter und Kind und Familienplanungsprogrammen, die im Gesundheits- und Erziehungswesen installiert werden. Sodann
(c) mit der Erfüllung eines Menschenrechts (Deklaration von Teheran 1967): Die Eltern haben danach das Recht, die Zahl ihrer Kinder und den Zeitpunkt ihrer Geburt zu bestimmen. Der Staat muss die Umsetzbarkeit dieses Rechts ermöglichen. Dieses Menschenrecht wirkt geburtensenkend. Eine Politik der Bevölkerungskontrolle unterstellt, dass starkes Bevölkerungswachstum ein Hemmschuh für wirtschaftliche Entwicklung wäre. Ohne eine Geburtenminderung wäre der Teufelskreis der Armut nicht zu durchbrechen. Bes. das südliche Zentralasien (Indischer Subkontinent) und Afrika sind Regionen, die sich mit ihrer hohen Fertilität in demografisch-induzierten Problemlagen befinden. Ostasien dagegen hat sich mit Geburtensenkung und gleichzeitigen Investitionen aus dem Armutskreislauf weitgehend befreit. Die Entwicklungserfolge Asiens werden auf eine demografische Dividende zurückgeführt: Ihr liegt das Kalkül zugrunde, dass mit verminderten Jugendjahrgängen Staat und Familien nun Mittel in die Hand bekämen, die für Bildungs- und Entwicklungsinvestitionen verwendet werden können. Die Erfahrungen der Entwicklungsländer selbst zeigen, dass nur dort ein Erfolg sich einstellte, wo nicht einseitig auf Bevölkerungskontrolle oder Wirtschaftsinvestitionen gesetzt wurde, sondern eine planerische Integration beider Handlungsbereiche vorgenommen wurde. Diese Feststellung wurde schon auf der Weltbevölkerungskonferenz von Bukarest 1974 vorgebracht („Botschaft von Bukarest“). Heute hat sich durchgesetzt, dass dem exorbitanten Wachstum im demografischen Übergangsgeschehen nur mit eindämmender Familienplanung beizukommen sei und dass erst in seiner stationären Endphase mit wirtschaftlichem Aufschwung gerechnet werden könne.
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