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Interdependenz der Ordnungen
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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Inhaltsverzeichnis
Allgemein
1. Begriff: Verschiedene Teilordnungen der Gesellschaft (etwa Wirtschaft, Recht, Politik, Kultur) befinden und entwickeln sich in wechselseitiger Abhängigkeit.
2. Theoriebildungen: Diese in abstrakter Form leicht einsichtige Aussage findet sich in unterschiedlichen Konkretisierungen in verschiedenen Bereichen der Sozialwissenschaften. In den modernen Sozialwissenschaften erscheint die Vorstellung einer Interdependenz der Ordnungen auch als Theorie der Wechselbeziehungen teilautonomer gesellschaftlicher Subsysteme (z.B. Luhmann) oder institutionell geprägter sozialer Handlungssysteme (z.B. Coleman). Analysen einer Wechselbeziehung zwischen wirtschaftlichen und politischen Institutionen und Abläufen finden sich auch bei Ökonomen wie Schumpeter (1950) und Olson (1985) sowie in den Werken von Hayek.
Ordnungsökonomik
Der Begriff Interdependenz der Ordnungen wurde von Eucken (1952/1990) geprägt, in enger Beziehung zu einem „Denken in Ordnungen”, welches die Freiburger Schule der Ordnungsökonomik kennzeichnet. Im Mittelpunkt der Arbeiten der Freiburger Schule steht das Problem sozialer Macht. Dieses wurde in zwei interdependenten Dimensionen betrachtet: Wirtschaftliche Macht als Folge von Kartellierungen oder anderen Formen der Wettbewerbsbeschränkung lässt sich häufig auf staatliche Initiativen bzw. wettbewerbspolitische Unterlassungen zurückführen. Wirtschaftliche Machtgruppen wiederum stellen auch einen politischen Machtfaktor dar, sobald es ihnen gelingt, Privilegien über den politischen Prozess zu erhalten und zu bewahren. Machtkontrolle wird deshalb im Bereich der Wirtschaft und des Staates zu einer Aufgabe der Rechtsordnung.
1. Beziehungen zur Wirtschaftsordnung: Hinsichtlich der Möglichkeiten wirtschaftlicher Machtausübung wurde bes. auf die kontrollierenden Wirkungen des Wettbewerbs verwiesen (Wettbewerbstheorie). Offene Märkte, Privateigentum, Vertragsfreiheit und Haftung bilden den Ordnungsrahmen für die Ausübung und Kontrolle wirtschaftlicher Macht (Eucken, 1952/1990). Dadurch, dass in einer solchen Wettbewerbsordnung wirtschaftliche Macht tendenziell gering und instabil gehalten wird, ist die Privatautonomie des einzelnen vor privater Willkür bereits weitgehend geschützt. Die Wettbewerbsordnung baut auf rechtlichen Voraussetzungen auf („Privatrechtsgesellschaft”, Böhm, 1966), zu deren Durchsetzung der Staat als eine mit Zwangsgewalt ausgestattete Instanz benötigt wird. Hiermit taucht das Machtproblem in seiner zweiten Dimension auf: Individuelle Handlungsfreiheit verlangt neben dem Schutz durch den Staat auch den Schutz vor dem Staat. Dem Schutz der Privatautonomie vor Akten hoheitlicher Willkür dient die Bindung aller Staatsgewalten an die Verfassungsregeln der Rechtsstaatlichkeit.
2. Beziehungen zur politischen Ordnung: Die „Entsprechungszusammenhänge zwischen Staatsverfassung und Wirtschaftsordnung” (Böhm, 1950) lassen sich normativ dahingehend zusammenfassen, dass im Dienste einer freiheitlichen und prosperierenden Gesellschaft die Grundsätze sowohl der Rechtsstaatlichkeit als auch der Marktmäßigkeit gewährleistet sein sollen. Positiv gewendet kann die Interdependenz von politischer und wirtschaftlicher Ordnung als Hypothese formuliert werden, wonach eine funktionierende Wettbewerbsordnung und bestimmte Mindeststandards freiheitlich-rechtsstaatlicher Staatsordnungen (bes. Garantie individueller Freiheitsrechte, Gewaltenteilung, Willkürverbot) notwendig koexistieren. Zumindest als Komplementarität ist diese Beziehung empirisch recht gut nachzuweisen. Noch deutlicher dürfte die Unvereinbarkeit freiheitlicher Rechtsstaatsprinzipien mit den Anforderungen zentralverwaltungswirtschaftlicher Wirtschaftssysteme empirisch bestätigt worden sein.
3. Beziehungen zur Werteordnung: Ein weiterer Aspekt der Interdependenz der Ordnungen betrifft die Beziehungen formal-rechtlicher Arrangements der Staats- und Wirtschaftsverfassung zu den gesellschaftlich vorherrschenden Werthaltungen, Sitten und Konventionen. Die Bedeutung einer solchen kulturellen Ordnung aus tradiertem Rechtsempfinden und informellen Institutionen für die Legitimität, Entstehung bzw. Wirksamkeit der offiziellen Rechtsordnung ist etwa von Weber (1921/72), Hayek (1969) bzw. North (1990) analysiert worden. Diese Aspekte dürften nicht zuletzt im Verlauf institutioneller Umbruchprozesse, wie etwa der Systemtransformationen in Mittel- und Osteuropa von erheblicher Bedeutung sein (Mummert, 1995; Voigt, 1993).
4. Wettbewerbsordnung und Demokratie: Zwischen demokratischen Entscheidungsverfahren der Politik und marktwirtschaftlichen Koordinations- und Kontrollprozessen lassen sich sowohl Komplementaritäten als auch Konflikte begründen und beobachten. So wird im Rahmen der Ordnungsökonomik argumentiert, Demokratie könne nur dann als Bindung staatlichen Handelns an gesellschaftlich geteilte Zielvorstellungen und als Schutz individueller Handlungsfreiheit wirken, wenn sie als rechtsstaatlich beschränkte Demokratie verfasst sei (Hayek, 1944; Weede, 1990). Ansonsten könnten wirtschaftliche Machtgruppen bzw. Verteilungskoalitionen ihren politischen Einfluss geltend machen, um auf dem Wege privilegierender Interventionen die allg. Regeln der Wettbewerbsordnung zu unterlaufen. Dies wiederum verringere die Anpassungs- und Entwicklungspotenziale des Systems und damit das Wirtschaftswachstum (Olson, 1985).
Ordnungspolitische Konsequenzen: Dass jeder Staat Gefahr läuft, zum Spielball der Gruppeninteressen zu werden, haben bereits die Gründer der Freiburger Schule des Ordoliberalismus erkannt. So legt etwa Eucken (1952/1990) mit seinen konstituierenden und regulierenden Prinzipien der Wirtschaftsverfassung zwei staatspolitische Grundsätze zugrunde, „damit ein unabhängiger Staat entsteht, der selbst eine ordnende Potenz werden kann”. Demnach ist zum einen der Einfluss wirtschaftlicher Machtgruppen so weit wie möglich zu beschränken, während der Einfluss der Politik auf die Wirtschaft einem strikten Primat allg. Ordnungspolitik vor intervenierender Wirtschaftslenkung unterworfen werden soll. Nur so sei der Staat in der Lage, als Hüter einer freien Wirtschaftsordnung zu wirken.
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