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Satzungsdurchbrechung
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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1. Allgemein: In der Praxis kommt es vor, dass Gesellschafter, ohne eine förmliche Satzungsänderung (vgl. dazu bei Satzung) beschließen zu wollen, durch organschaftliches Verhalten, insbes. per Beschlussfassung, vom Inhalt ihrer Satzung abweichen. Dies kann unbewusst oder bewusst, nur punktuell bzw. einmalig oder auf einen Wiederholungscharakter angelegt geschehen. Trotz unterschiedlicher Begriffe in der jur. Literatur zur Einordnung von Einzelfällen werden solche Vorgehensweisen als Satzungsdurchbrechung und ein solcher Beschluss wird als satzungsdurchbrechender Beschluss bezeichnet.
2. Rechtliche Bewertung: Die rechtliche Einordnung ist abhängig von den Gegebenheiten des Einzelfalls. Insbes. die Qualität und Wichtigkeit der "ignorierten" Satzungsvorschrift, die zeitliche Reichweite und damit die Bedeutungsschwere der beschlossenen Abweichung ist maßgebend. Neben der Frage, welchen Formalvorgaben (Einladung, Tagesordnung, notarielle Beurkundungspflicht, bestimmtes Abstimmungsquorum) bei einem solchen Beschluss Genüge getan werden muss, sind alle materiell-rechtlichen denkbaren Rechtsfolgen zumindest theoretisch im Angebot: Rechtliche Zulässigkeit, Anfechtbar-und Unwirksamkeit bzw. gar die Nichtigkeit solcher Beschlüsse stehen in Frage.
3. Einzelheiten: Sofern nun die Gesellschafter per Beschluss vom Inhalt ihrer Satzung abweichen, wird zwischen der inhaltlichen Satzungsdurchbrechung (z.B. von der Satzung abweichende Gewinnverwendung) und der (einmaligen) Nichtbefolgung von Verfahrens- und Kompetenzvorschriften (z.B. die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung – anstelle des nach der Satzung hierfür vorgesehenen Aufsichtsrats) unterschieden.
Bei inhaltlichen Durchbrechungen wird man mangels Eingreifens eines der Nichtigkeitsgründe des § 241 AktG (mit Bezug auf GmbHs gilt die Norm analog) keine Nichtigkeit annehmen können. Jedoch kann eine Unwirksamkeit einer solchen inhaltlichen Durchbrechung vorliegen, wenn der Beschluss darauf abzielt, einen satzungswidrigen Zustand auf Dauer herbeizuführen. Ob ein Beschluss auf Dauer angelegt ist oder ob er nur punktuell wirkt und wie in Zweifelsfällen die Einordnung zu treffen ist, bzw. überhaupt, ob es auf die Unterscheidung punktuell/dauerhaft ankommt (so die h.M.) oder nicht, ist in der Juristerei allerdings umstritten. Eine lediglich punktuelle Durchbrechung wird von der h.M. angenommen, wenn sich die Wirkung eines Beschlusses und das Abweichen von der Satzung auf einen konkreten Einzelfall beschränkt und darin erschöpft. Dauerwirkung entfaltet er hingegen, wenn auch ein von der Satzung abweichender rechtlicher Zustand begründet werden soll. So schon der BGH im Jahr 1993 (vgl. NJW 1993, 2246). Ein aktuelleres Beispiel bietet das OLG Dresden (NZG 2012, 507): Von der Satzung abweichende Gewinnverwendungsbeschlüsse entfalteten im entschiedenen Fall Dauerwirkung, mangels Einhaltung der §§ 53 f. GmbHG (notarielle Beurkundung und Eintragung ins Handelsregister) waren sie daher nach Meinung des OLG Dresden unwirksam.
Wenn sich jedoch die Gesellschafter in einem Fall der von ihnen erzeugten Dauerwirkung einig sind, kann ein unwirksamer Gesellschafterbeschluss trotz der fehlenden förmlichen Satzungsänderung in der Praxis immerhin doch Geltung erlangen. Dieses Ergebnis kann durch Umdeutung in eine schuldrechtliche Gesellschafterabrede erzielt werden (vgl. etwa BGH NJW 2010, 3718). Überhaupt besteht in Rechtsprechung und Lehre Einigkeit, dass bei weitgehendem Konsens bzw. gar bei Einstimmigkeit im Gesellschafterkreis vieles im Ergebnis praktisch möglich ist. Trotz der vorliegenden materiell-rechtlichen Unwirksamkeit der abweichenden Beschlüsse gilt dann nämlich der Satz „Ohne Kläger kein Richter“. Von den Gesellschaftern nicht beachtete Förmlichkeiten und die Unwirksamkeit bleiben mangels Anfechtung des Beschlusses in der Praxis so oft folgenlos. Immerhin hat der BGH aus Überlegungen des Schutzes des Rechtsverkehrs auch in einem solchen Fall die Unwirksamkeit des Beschlusses bei einer GmbH betont (BGHZ 123, 19). Bei einer AG ist insoweit wegen der hier gegebenen besonderen Förmlichkeiten (§§ 181 Abs. 3, 130 Abs. 1 S. 1 AktG, notarielle Beurkundungspflicht von HV-Beschlüssen) grundsätzlich an der Unwirksamkeit festzuhalten.
Auch die einmalige Nichtbefolgung von Verfahrens- und Kompetenzvorschriften per Beschluss kann einzelfallabhängig auf dessen Unwirksamkeit, regelmäßig mindestens aber auf die Anfechtbarkeit dieses Beschlusses hinauslaufen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn bei der Beschlussfassung ein satzungsmäßiges Beschlussfähigkeitsquorum nicht erfüllt ist oder Verstöße gegen Einberufungsvorschriften vorliegen. Anders in der Praxis auch hier, wenn sich alle Gesellschafter einig sind und zustimmen oder auf die Anfechtung verzichtet haben bzw. Anfechtungsfristen haben verstreichen lassen.
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