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Verbraucherpolitik
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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Inhaltsverzeichnis
Begriff
Alle Maßnahmen und Entscheidungen, die darauf abzielen, dem Verbraucherinteresse gegenüber den Anbietern zu einer angemessenen Durchsetzung zu verhelfen.
Konzeptionen
1. Wettbewerbsmodell: Verbraucherpolitische Probleme treten im marktwirtschaftlichen Modell lediglich als Randerscheinung auf, weil klassischer Theorie zufolge der alleinige Zweck von Produktionsakten der Konsum darstellt (Smith). Mit ihren rationalen Kaufentscheidungen steuern die Verbraucher entsprechend ihrer individuellen Präferenzordnung die Produktions- und Anbieterentscheidungen (prinzipielle Konsumentensouveränität): Informationsdefizite bei Verbrauchern und Wettbewerbsbeschränkungen durch Anbieter (Marktkonzentration; Marktmacht) sollen systemkonform durch eine aktive staatliche Wettbewerbspolitik beseitigt werden; dazu zählt auch eine Verbesserung der Markttransparenz durch verbrauchergerichtete Informationspolitik.
2. Schutz- und Gegenmachtmodell: Eine prinzipielle asymmetrische Machtverteilung zwischen Anbietern des privaten und öffentlichen Gütersektors wird unterstellt; diese strukturelle Dominanz der Anbieterinteressen kann durch Wettbewerbspolitik allein nicht neutralisiert werden. Aufgabe der Verbraucherpolitik ist es, zwischen Verbraucher- und Anbieterinteressen zu vermitteln. Einerseits sollen Verbraucher durch Einsatz des Instrumentes Verbrauchererziehung dazu gebracht werden, ihre Rolle im Markt aktiver, bewusster wahrzunehmen; dazu gehört auch die kritische Reflexion der individuellen Bedürfnisstruktur. Andererseits werden, wegen der prinzipiellen Machtvorteile der Anbieter, Rechtsnormen benötigt, die auf den Schutz der Verbraucher gerichtet sind, um Handlungsmöglichkeiten der Anbieter einzuschränken (Schutz vor irreführender Werbung; Schutz vor gefährlichen Produkten etc.). Marktungleichgewichten soll weiterhin durch eine kollektive Vertretung von Verbraucherinteressen, also durch organisatorische Gegenmachtbildung, begegnet werden.
3. Partizipationsmodell: Der auf das Marktparadigma bezogene Bedürfnisbegriff wird wegen seines rein ökonomischen Gehaltes als verkürzt kritisiert. Gefordert wird die Berücksichtigung der Entstehung und des Wandels von Verbraucherbedürfnissen sowie die Antizipation deren Folgen (ausdrückliche Beachtung externer Effekte). Dazu ist eine institutionelle Absicherung partizipativer Einflussnahmen von Verbrauchern auf die Entscheidungsprozesse öffentlicher und privater Anbieter notwendig. Die traditionelle, rein reaktive Verbraucherpolitik soll durch eine „Ex-Ante”-Verbraucherpolitik abgelöst werden, die eine frühzeitige, direkte Einflussnahme von Verbrauchern bzw. legitimierten Verbrauchervertretern auf das Güterangebot erlaubt.
Handlungsbereiche der Verbraucherpolitik
Die am Wettbewerbsmodell ausgerichtete Verbraucherpolitik in der Bundesrepublik Deutschland weist in ihren prinzipiellen Handlungsbereichen kaum Abweichungen zu anderen marktwirtschaftlich verfassten Ländern auf: Im Vordergrund stehen Maßnahmen der Verbraucherinformation, des Verbraucherschutzes und der Verbrauchererziehung.
1. Verbraucherinformation: Der Verbraucher soll möglichst aktuelle Informationen über das Güterangebot (Konsummöglichkeiten) über möglichst verschiedene Kommunikationskanäle erhalten. Dadurch sollen einseitige, verzerrte Anbieterinformationen ergänzt und richtig gestellt werden. Herstellung eines höheren Grades von Markttransparenz ist das Ziel. Wichtige Informationskanäle sind: Produktbegleitende Informationen (Gebrauchsanleitung; Dosierung; Zusammensetzung), Verbraucherberatung, Einsatz von Massenmedien (Zeitschrift „test” der Stiftung Warentest, Berlin). Von der staatlichen Verbraucherpolitik werden v.a. die Verbraucherberatung und die Arbeit der Stiftung Warentest finanziell unterstützt.
2. Verbraucherschutz: Eine Fülle von Ge- und Verboten, fixiert in zivil- und öffentlich-rechtlichen Regelungen, sollen die Stellung des Verbrauchers gegenüber den Marketing-Praktiken von Anbietern stärken. Ihrem Regelungsbereich nach lassen sie sich wie folgt untergliedern: a) Reglementierung des Anbieterhandelns auf Konsumgütermärkten (z.B. LMBG-Gesetz; UWG; GWB; AbzG; AGB-Gesetz, Mietrecht); b) Reglementierung des Handelns öffentlicher Anbieter (z.B. Informationsrechte bei der Planung öffentlicher Güter); c) Schutz individueller Rechtsgüter vor Verletzungen durch Anbieter (z.B. Produkthaftung; Haftung für Planungsfehler; Entschädigungsrecht).
3. Verbrauchererziehung: Bereits in der Schule sollen Menschen auch auf die Rolle des Konsumenten vorbereitet werden. Inhalte einer jeweils lebenszyklus-spezifischen Verbrauchererziehung könnten sein: Sozioökonomische Zusammenhänge eines Wirtschaftssystems; Struktur von Haushaltbudgetentscheidungen; Genese von Bedürfnissen; materielle und immaterielle Konsummöglichkeiten; Möglichkeiten zur Artikulation und Durchsetzung von Verbraucherinteressen.
Organisationen
In der Verbraucherpolitik der Bundesrepublik Deutschland dominiert die Fremdorganisation (sog. Verbraucherverbände); d.h., Verbraucherinteressen werden repräsentativ wahrgenommen, eine direkte, unmittelbare Einflussmöglichkeit durch einzelne Verbraucher besteht nur ansatzweise. Ergänzend kommen Dienststellen des Bundes und der Länder, die sich speziell der Verbraucherpolitik widmen, hinzu: Verbraucherreferate bei den Wirtschaftsministerien, Verbraucherbeirat beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologi e (BMWi), Verbraucherausschuss beim Bundesminister für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) etc.
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