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Verkehrspolitik

Definition: Was ist "Verkehrspolitik"?

Verkehrspolitik ist eine spezielle Wirtschaftspolitik (sektorale Strukturpolitik), die sich mit dem Transport von Personen, Gütern und Nachrichten und den damit verbundenen Dienstleistungen (Logistik) befasst. Sie umfasst materialwirtschaftlich-technische, juristische und ökonomische Fragestellungen. In jüngerer Zeit hat sich der Transport von Nachrichten als eigenständige Disziplin immer stärker verselbstständigt, er bleibt deshalb ausgeklammert.

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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Inhaltsverzeichnis

    1. Begriff
    2. Begründung für staatliche Einflussnahme
    3. Ziele
    4. Instrumente
    5. Ausblick

    Begriff

    Verkehrspolitik ist eine spezielle Wirtschaftspolitik (sektorale Strukturpolitik), die sich mit dem Transport von Personen, Gütern und Nachrichten und den damit verbundenen Dienstleistungen (Logistik) befasst. Sie umfasst materialwirtschaftlich-technische, juristische und ökonomische Fragestellungen. In jüngerer Zeit hat sich der Transport von Nachrichten als eigenständige Disziplin immer stärker verselbstständigt, er bleibt deshalb ausgeklammert. Die folgenden Ausführungen beschränken sich weiterhin auf die landseitigen Verkehrsträger Eisenbahn, Binnenschifffahrt und Kraftverkehr, weil ihnen vom Aufkommen sowohl im nationalen als auch im internationalen Verkehr die größte Bedeutung zukommt. Seeschifffahrt und Luftfahrt gewinnen durch die internationale Arbeitsteilung sowie räumliche und zeitliche Nachfragestrukturveränderungen zwar stetig an Gewicht, stellen aber wegen ihrer Internationalität spezielle Anforderungen an die Verkehrspolitik, während der Rohrleitungsverkehr nur geringe ordnungspolitische Fragen aufwirft, weshalb diese drei Verkehrsträger hier nicht weiter berücksichtigt werden.

    Begründung für staatliche Einflussnahme

    Die Bedeutung des Verkehrs für die Durchsetzung staatlicher Machtansprüche, für die Entwicklung der Volkswirtschaften, den internationalen Handel, die militärische Expansion und Absicherung, die gesellschaftliche Entwicklung und den kulturellen Austausch haben ihn schon immer zu einem Gegenstand besonderen Interesses staatlicher Institutionen gemacht. Die großen Reiche der Vergangenheit konnten sich nur herausbilden und halten, soweit sie auch über ein leistungsfähiges Verkehrssystem verfügten. Ausfluss des Eigeninteresses des Staates war seine starke Einflussnahme auf alles, was mit der Schaffung und Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit des Verkehrssystems in Zusammenhang stand. V.a. war dies die verkehrliche Infrastruktur. Doch auch in die Verkehrsabläufe griff er direkt oder indirekt ein. Unterstützung fand dieser hoheitliche Anspruch auf die Gestaltung des Verkehrs durch die „Besonderheitentheorie“, wie sie in vielfältigen Formen für eine Reihe von Sektoren (Energieversorgung, Banken, Gesundheits- und Versicherungswesen, viele der Freien Berufe etc.) zur Rechtfertigung staatlicher Beschränkungen des Wettbewerbs durch regulierende Maßnahmen entwickelt wurden.

    Systematisch gesehen hält der mit der Besonderheitentheorie unternommene Versuch, für den Verkehr einen Ausnahmebereich von den Regeln der Marktkoordination zu reklamieren, den Erkenntnissen der modernen Markttheorie nicht stand. Danach kann der Verkehrssektor nur dann als regulierungsbedürftiger Ausnahmebereich gelten, wenn im gesamten Sektor oder in wichtigen Teilen Marktversagen vorliegt. Marktversagen ist dann gegeben, wenn auf einem sich selbst überlassenen Markt die „Funktionen des Wettbewerbs“ nicht erfüllt sind. Gründe für fehlende Funktionsfähigkeit von Verkehrsmärkten können v.a. das Vorliegen eines natürlichen Monopols und externer Effekte sein. Unteilbarkeiten als Ursache von natürlichen Monopolen sind v.a. im Infrastrukturbereich möglich und erfordern hier unter Umständen einen Wettbewerb um den Markt. Externe Effekte sind nicht auf den Verkehrssektor beschränkt, sondern praktisch an jede wirtschaftliche Betätigung geknüpft, ohne dass die marktwirtschaftliche Ordnung in den meisten Fällen in Frage gestellt wird.

     

     

    Ziele

    Die Ziele, die die verkehrspolitischen Entscheidungsträger (Gebietskörperschaften, Verbände) verfolgen, lassen sich grundsätzlich in zwei Gruppen unterteilen: ordnungs- und strukturpolitische Ziele. Erstere suchen die Prozesse auf den Verkehrsmärkten zu optimieren, letztere setzen den Verkehr als Instrument gesamtwirtschaftlicher (global wachstumsorientierte Verkehrspolitik) oder anderer sektoraler Ziele (regional wachstumsorientierte, stabilisierungsorientierte, distributionsorientierte und umweltschutzorientierte Verkehrspolitik) ein. Zwischen ordnungs- und strukturpolitischen Zielen der Verkehrspolitik besteht grundsätzlich insofern ein Zielkonflikt, als die Verfolgung der strukturpolitischen Ziele mithilfe des Verkehrs im Verkehrssektor selbst in der Regel zu suboptimalen Ergebnissen führt.

    Das ordnungspolitische Grundziel der deutschen Verkehrspolitik für den Güterverkehr entstammt der Kleinen Verkehrsreform aus dem Jahre 1961, gilt aber im wesentlichen auch heute noch. § 1 II Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) formulierte es folgendermaßen: „Mit dem Ziel bester Verkehrsbedienung haben Bundesregierung und Landesregierungen darauf hinzuwirken, daß die Wettbewerbsbedingungen der Verkehrsträger angeglichen werden, und daß durch einen lauteren Wettbewerb der Verkehrsträger eine volkswirtschaftlich sinnvolle Arbeitsteilung ermöglicht wird.“ Daneben soll der Verkehr Wirtschaftswachstum, Mobilität und die Integration Europas ermöglichen und fördern, ohne den Menschen oder die Umwelt übermäßig zu belasten. Die augenblickliche Wirtschaftskrise lässt zudem Investitionen in die Infrastruktur als geeignetes Instrument zur Belebung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage erscheinen (Keynes).

     

    Instrumente

    Das hohe Eigeninteresse des Staates am Verkehrssektor in Verbindung mit der v.a. von Vertretern des Gewerbes selbst betonten Besonderheitentheorie hat diesen Sektor zu einem der am stärksten regulierten werden lassen. Das System der Regulierung umfasst direkte und indirekte Maßnahmen, die auf die Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur, die Struktur der Verkehrsunternehmen und den Koordinationsprozess auf den Verkehrsmärkten Einfluss nehmen. Direkt greift die staatliche Verkehrsinfrastrukturpolitik ein. Indirekte Maßnahmen umfassen die Regulierung des Markteintritts und des Marktaustritts sowie die Preisregulierung.

    Für die Verkehrsinfrastruktur sind - entsprechend dem föderalistischen Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland - die Gebietskörperschaften in unterschiedlichem Maße verantwortlich (Verkehrsinfrastrukturpolitik).

    Zwar bedarf eine Person, die gewerblichen Verkehr durchzuführen beabsichtigt, in der Regel einer Erlaubnis. Die staatliche Regulierung des Marktzugangs beschränkt sich im Wesentlichen aber auf die Prüfung der subjektiven Zulassungsvoraussetzungen (persönliche Zuverlässigkeit, finanzielle Leistungsfähigkeit und fachliche Eignung). Lediglich im öffentlichen Personenverkehr gelten noch objektive Zulassungsvoraussetzungen, indem ein öffentliches Verkehrsinteresse geprüft (z.B. § 13 II PBefG) und die Zahl der Genehmigungen beschränkt wird (Kontingentierung).

    Die Preisregulierung für den gewerblichen Güterverkehr und die Binnenschifffahrt ist mit dem Inkrafttreten des Tarifaufhebungsgesetzes zum 1.1.1994 entfallen. Die Verkehrsunternehmen können mit den Verladern individuelle Beförderungspreise und Beförderungskonditionen aushandeln. Das gilt aber nicht für den öffentlichen Personenverkehr: Hier besteht nach wie vor eine Tarifpflicht mit teilweiser Genehmigung durch die zuständigen Behörden. So ist z.B. der Bund für die Fernverkehrstarife der Deutschen Bahn AG zuständig, die Länder für die Nahverkehrstarife.

     

    Ausblick

    Die nationale Verkehrspolitik verliert immer mehr Gestaltungsmöglichkeiten zugunsten supranationaler Regelungen durch die EU. Trotzdem bleiben ihr auch künftig wichtige Aufgaben. Nachdem die Liberalisierung - bereits unter dem Druck der EU - weit vorangeschritten ist, kann sich die nationale Verkehrspolitik verstärkt der Privatisierungsaufgabe widmen. Das gilt sowohl für die Deutsche Bahn AG als auch für die Infrastrukturen der einzelnen Verkehrsträger. Die finanziellen Engpässe der öffentlichen Haushalte einerseits, die auch künftighin steigende Mobilität andererseits erfordern einen stärkeren Einsatz privater Mittel im Infrastrukturbereich. Anfänge sind z.B. mit der Warnow-Unterführung gemacht.

    Ein immer schon wichtiges, aber durch die rasante Entwicklung der letzten Jahre immer brennender werdendes Problem stellen die negativen externen Effekte des Verkehrs dar. Bei manchen Schadstoffen ist der Verkehr der bedeutendste Emittent und sein Anteil an ihnen steigt zumeist weiter. Die Verkehrspolitik hat hier durch ein System von Ge- und Verboten, v.a. aber durch pretiale Instrumente (z.B. Ökosteuer, Road Pricing, Zertifikate) die Verkehrsentwicklung so zu lenken, dass der Verkehr den Forderungen nach einer auf Dauer verträglichen Entwicklung gerecht wird.

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