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Vergaberecht

Definition: Was ist "Vergaberecht"?

Das Vergaberecht umfasst alle Vorschriften und Regeln über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen.

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    1. Begriff: Das Vergaberecht umfasst alle Vorschriften und Regeln über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Darunter fallen alle  Verträge von öffentlichen Auftraggebern mit Unternehmen über die entgeltliche Beschaffung von Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen. Geregelt wird jedoch nur das Verfahren der öffentlichen Auftragsvergabe, nicht, was Inhalt der Aufträge sein kann. Ein eigenständiges „Vergabegesetz“ existiert in Deutschland (anders z.B. Österreich) nicht, stattdessen gibt es eine Vielzahl von Regelungen auf europäischer sowie Bundes- und Landesebene.

    2 Merkmale:
    a) Öffentliche Auftraggeber: Zu den öffentlichen Auftraggebern zählen neben dem Staat, seinen Behörden und anderen staatlichen Institutionen auch private juristische Personen, sofern sie überwiegend öffentlich finanziert oder mehrheitlich kontrolliert im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art erfüllen oder in festgelegten Bereichen (insbesondere Energie- und Trinkwasserversorgung sowie Verkehr) tätig sind (vgl. § 98 GWB).
    b) Zweigliederung des Vergaberechts: Die Rechtsvorschriften des Kartellvergaberechts (§§ 97 ff GWB) finden jedoch nur Anwendung, wenn der Auftragswert den entsprechenden EU-Schwellenwert erreicht. Unterhalb des Wertes regelt sich die Vergabe dagegen nach dem Haushaltsrecht, den landesrechtlichen Vergabegesetzen sowie dem Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art. 3 GG) und dem Europäischen Diskriminierungsverbot, sofern der Wert nicht erreicht wird. Dadurch sind die öffentlichen Auftraggeber zwar immer noch gebunden, den Bietern steht jedoch kein klagefähiges, subjektives Recht zu. Die Schwellenwerte werden alle zwei Jahre aktualisiert.

    c) Ausnahmen von der Vergabepflicht: Ausnahmen von der Vergabepflicht sind zum einen in § 100 GWB geregelt (z.B. Arbeitsverträge) und bilden zum anderen die Inhouse-Vergaben nach europäischen Vorgaben. Ein vergabefreies Inhouse-Geschäft liegt vor, wenn zwar rechtstechnisch ein „entgeltlicher Beschaffungsvertrag mit einem Unternehmen“ (im Ergebnis also ein öffentlicher Auftrag) vorliegt, aber eine Gebietskörperschaft über dieses Unternehmen Kontrolle wie gegenüber einer eigenen Dienststelle ausübt und der Beauftragte im Wesentlichen für die entsprechende Gebietskörperschaft tätig wird. Zu der Thematik des Inhouse-Geschäfts besteht eine umfangreiche Rechtsprechung.

    3. Ziele und Grundsätze: Ziel des deutschen Vergaberechts ist es zum einen, den sparsamen Umgang mit Haushaltsmitteln zu fördern, indem öffentliche Aufträge zu den wirtschaftlich besten Konditionen erteilt werden. Außerdem sollen Korruption und Vetternwirtschaft bekämpft und ein transparenter und diskriminierungsfreier Wettbewerb gewährleistet werden. Diese und weitere Grundsätze bestimmen der § 97 GWB sowie die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) und Vergabe und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A). Durch die Richtlinien der EU soll v.a. erreicht werden, den Zugang zu öffentlichen Aufträgen für europäische Unternehmen zu erleichtern. Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene werden daneben auch „vergabefremde Ziele“ verfolgt, z.B. sozialer und umweltpolitischer Art. Mitunter kommt es zwischen den Grundsätzen und Zielen zu erheblichen Kollisionen (z.B. zwischen der Förderung des Umweltschutzes und dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit). Die Berücksichtigung von „vergabefremden Zielen“ ist im Einzelnen strittig und noch nicht abschließend rechtlich geklärt. Der EuGH hatte es z.B. für unzulässig erklärt, wenn die Vergabe eines öffentlichen Auftrags davon abhängig gemacht wird, dass der Auftragnehmer das am Ausführungsort tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zahlt.

    4. Entwicklung der Rechtsquellen: Bis zum Jahr 1993/94 wurde die Vergabe öffentlicher Aufträge in Deutschland v.a. im deutschen Haushaltsrecht (des Bundes, der Länder und Kommunen) geregelt. Daneben waren insbesondere die VOB/A und VOL/A relevant. Als Grundsätze dienten die Gebote der Sparsamkeit, der Wirtschaftlichkeit und der gesicherten Abdeckung. Subjektive einklagbare Rechte von Bietern waren noch nicht vorgesehen. In Folge der Umsetzung der europäischen Vergaberichtlinien in das Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) wurde in Form einer haushaltsrechtlichen Lösung ein Rechtsschutzsystem in das deutsche Vergaberecht eingeführt. Der EuGH stellte in seinem Urteil vom 11.08.1995 (Rs. C-433/93 (Kommission/Deutschland)) jedoch die Unvereinbarkeit mit dem europäischen Recht fest. Daraufhin wurde der 4. Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) eingeführt. Im Rahmen  des Regierungsbeschaffungsabkommen (GPA) von 1996 der World Trade Organisation (WTO) und damit einhergehenden europäischen Richtlinien verpflichteten sich die 27 Mitgliedstaaten – einschließlich der EU – auf die Berücksichtigung der Grundsätze der Inländergleichbehandlung, Meistbegünstigung, Transparenz sowie des vergaberechtlichen Rechtsschutzes (vgl. öffentliche Auftragsvergabe).  Die Vergaberichtlinie (EG) 18/2004; Sektorenrichtlinie (EG) 17/2004) sowie Richtlinien zum Rechtsschutz bei der Vergabe (Überwachungs-Richtlinie 89/665/EWG und Sektorenüberwachungs-Richtlinie 92/13/EWG, geändert durch Richtlinie 2007/66/EG) schrieben den Mitgliedstaaten später vor, dass öffentliche Aufträge zwingend europaweit ausgeschrieben werden müssen, wenn der Wert der Aufträge bestimmte Schwellenwerte überschreitet. Alle Richtlinien wurden durch Einführung des 4. Teils in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und später der Vergabeverordnung (VgV) in Deutschland schließlich europarechtskonform umgesetzt. Es folgten die Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Aufträge Richtlinie (RL 2014/24/EU -  ersetzt die bisherige Richtlinie (EG) 18/2004), die Richtlinie über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (Sektoren-Richtlinie, RL 2014/25/EU -  ersetzt Richtlinie (EG) 17/2004) und die Richtlinie über die Konzessionsvergabe (neue Konzessions-Richtlinie, RL 2014/23/EU), die bis April 2016 von den Mitgliedstaaten in das deutsche Recht umzusetzen sind. Wichtige Rechtsquellen im deutschen Recht sind auch die Sektorenverordnung (SektVO) und die Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF).

    5. Abgrenzung zur Dienstleistungskonzession: Bisher stellt die Dienstleistungskonzession keinen öffentlichen Auftrag im Sinne des Vergaberechts dar: Bei einer Dienstleistungskonzession erhält der Konzessionsnehmer von einem öffentlichen Auftraggeber das Recht zur Erbringung einer bestimmten Leistung, der ggf. einen Zuschuss zahlt - die Gegenleistung  erfolgt jedoch durch die Nutzer selbst und nicht durch den öffentlichen Auftragsgeber. Das deutsche Vergaberecht verlangt dagegen eine entgeltliche Auftragsverschaffung durch den öffentlichen Auftragsgeber. Das Bundeskabinett hat nun in seinen Eckpunkten vom 07.01.2015 angekündigt, eine eigene Verordnung über die Konzessionsvergabe zu schaffen.

    6. Verfahren und Rechtsschutz: Siehe dazu öffentliche Auftragsvergabe.

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