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Deutsche PKW-Maut
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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Im Sommer 2019 gescheitertes CSU-Projekt. Dieses war seit 2013 von der CSU im Wahlkampf verfolgt worden. Es war weder in der Koalition Merkel III im Jahre 2013 (18. Legislaturperiode, Koalitionsvertrag vom 16.12.2013), noch in der im Sommer 2019 amtierenden Koalition (Merkel IV, 19. Legislaturperiode) bei den anderen Partnern der CSU (jeweils CDU und SPD) auf viel Gegenliebe gestoßen. Im Koalitionsvertrag vom 16.12.2013 hatte es in der Präambel eine Regelung mit dem Inhalt gegeben, dass eine „...europarechtskonforme PKW-Maut, mit der wir Halter von nicht in Deutschland zugelassenen PKW an der Finanzierung zusätzlicher Ausgaben für das Autobahnnetz beteiligen wollen, ohne im Inland zugelassene Fahrzeuge höher als heute zu belasten...“ nur unter diesen Bedingungen gefunden werden sollte. 2015 wurde das Infrastrukturabgabengesetz (InfrAG, vom 8. Juni 2015) aufgelegt. Es war darauf angelegt, eine Maut für PKWs auf deutschen Autobahnen einzuführen, die deutsche Beitragszahler verschont, bezahlen sollen die Autofahrer anderer Länder.
Während der Zeit im Kabinett Merkel IV (auf der Basis des Koalitionsvertrags vom 7.2.2018) war der von der CSU in die Bundesregierung entsandte Bundesverkehrsminister (Scheuer) fortlaufend damit beschäftigt, das Projekt zu verteidigen.
Das Projekt war, nicht nur in Deutschland, schon von Anfang an sehr massiv kritisiert worden. Es war im Wesentlichen nur die CSU, die das Ziel verfolgte (was ihr mit Bezug auf Österreich u.a. die Kritik, den Charakter eines zänkischen Nachbarn zu haben, einbrachte). Politisch, rechtlich und mit Bezug auf seine wirtschaftliche Sinnhaftigkeit waren große Bedenken angemeldet worden. Der EuGH hat dem Vorhaben mit Urteil vom 18. Juni 2019 wegen Diskriminierung eine richterliche Absage erteilt. Das Infrastrukturabgabengesetz (InfrAG, vom 8. Juni 2015) wurde gekippt. Der EuGH hat im Tenor unter LS 1 wörtlich entschieden: "Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 18, 34, 56 und 92 AEUV verstoßen, dass sie die Infrastrukturabgabe für Personenkraftwagen eingeführt und gleichzeitig eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer in einer Höhe, die mindestens dem Betrag der entrichteten Abgabe entspricht, zugunsten der Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen vorgesehen hat."
Geklagt gegen das Gesetz hatte Österreich, mit Unterstützung der Niederlande.
Bundesverkehrsminister Scheuer hatte bereits vor dem Feststehen einer gesicherten Rechtslage, vor dieser Entscheidung des EuGH, zwei großvolumige zivilrechtliche Betreiberverträge zu der Pkw-Maut (mehr als 2,1 Mill. Euro) abgeschlossen. Ihm wurde deshalb u.a. vorgeworfen, er habe den Abschluss eines der beiden Verträge mit dem Parlament abstimmen müssen. Ihm wurde deshalb "Verfassungsbruch" vorgeworfen. Die Verträge wurden gekündigt, bevor sie anfingen. Der Schaden für das Land allein deswegen wurde in öffentlichen Medien im Sommer/Herbst 2019 auf mehr als 700 Mio. € beziffert. Im November 2019 erhoben die zivilen Maut-Betreiber Forderungen in Höhe von insgesamt 560 Mio. €. Insofern bahnte es sich als begleitendes Streitthema an, indem der Minister ihnen eine treuwidrige Schadensmehrung, herbeigeführt durch Abschluss von Subunternehmensverträgen noch nach Bekanntwerden des EuGH-Urteils, vorgeworfen hatte. Im Dezember 2019 wollte man ein Schiedsgericht konstituieren, dessen personelle Zusammensetzung von Unstimmigkeiten unter den Parteien begleitet wurde.
U.a. Rücktrittsforderungen des politischen Gegners an die Adresse des Ministers und große Entrüstungsadressen aus der deutschen Öffentlichkeit waren, seit Sommer/Herbst 2019, die Folgen. Der Minister wies im Hinblick auf den Abschlusszeitpunkt beider Verträge den Vorwurf der Voreiligkeit zurück, er habe handeln müssen, um dem Land frühzeitig die Mauteinnahme zu sichern. Er verwies auch darauf, dass die Politik nicht auf Gerichtsurteile warten könne.
Selbsterhaltungsinstinkte innerhalb der im Sommer 2019 amtierenden Regierungskoalition bewirkten das Ausbleiben von Konsequenzen. Folgen aus der in Art. 65 S. 2 GG verankerten parlamentarischen Rechenschafts- und Einstandspflicht eines Bundesministers waren nicht in Sicht. Diese sind ohnedies nur in Ausnahmefällen mit monetären Haftungsfolgen verbunden. So nach Auffassung des Autors auch nicht bei Minister Scheuer (vgl. dazu die beiden Aufsätze des Autors in NJOZ und NVwZ, Fundstellenhinweise auf der Autorenseite des Autors).
Im November 2019 wurde auf Betreiben der Opposition gegen den Minister ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt. Er endete im Frühjahr 2021 u.a. mit der Feststellung, dass dem Risiko des vollständigen Scheiterns der Maut vor dem EuGH "in der Risikoabwägung eine größere Bedeutung hätte zukommen müssen". Die Corona-Krise kam dazwischen. Bei der Bundestagswahl 2021 errang der ehemalige Minister in seinem bayrischen Landkreis (Passau) ein Direktmandat als Abgeordneter für den Deutschen Bundestag - Demokratie in Bayern, wie sie leibt und lebt! Ende März 2022 war bekannt geworden, dass das angerufene Schiedsgericht einen Anspruch auf Schadens- und Aufwendungsersatz der einst vorgesehenen Betreiber gegen den Bund dem Grunde nach anerkannt habe. Es ging um insgesamt 560 Mio. €. Anfang Juli 2023 wurde die Öffentlichkeit vom Bundesverkehrsminister informiert, dass sich der Bund auf eine von ihm an den ursprünglich vorgesehenen Betreiber (Fa. Autoticket) zu leistende Schadensersatzzahlung in Höhe von 243 Mio. € geeinigt hatte. Die Kosten für die (gescheiterte) Einführung, für Anwalts- und Verfahrenskosten (nach Kenntnisstand Anfang Juli 2023 dürften sich diese in einem erklecklichen zweistelligen Mio.-Bereich bewegen) kommen dazu.
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