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Revision von Frauenquote vom 06.01.2015 - 10:17

Frauenquote

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    1. Einführung: Ein wahrscheinlich schon seit steinzeitlichen Höhlenfeuerdiskussionen zwischen Mann und Frau anhaltender Disput scheint in der modernen Zeit für vergleichbare Fälle von hoher Hand gelöst zu werden: Die Rollen- bzw. Aufgabenzuweisung für Frau mit Bezug auf Steuer- und Kontrollfunktionen über das sehr weitgehend von männlicher Hand geführte operative Geschäft. Es geht um die Besetzung von Führungspositionen in deutschen Aktiengesellschaften, speziell in deren Aufsichtsräten, wozu sich die große Koalition aus SPD und CDU/CSU im November 2014 durchgerungen hatte. Am 11. Dezember 2014 beschloß das Bundeskabinett einen diesbezüglichen Gesetzentwurf.

    2. Einzelheiten: Den "Entwurf eines Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst" präsentiert ein Entwurf eines Artikelgesetzes. Getragen wird es von drei Säulen: 1. Vorgabe einer Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent für Aufsichtsräte, 2. Verpflichtung zur Festlegung von Zielgrößen für Aufsichtsräte, Vorstände und oberste Management-Ebenen, und 3. der Novellierung der gesetzlichen Regelungen für den öffentlichen Dienst des Bundes, die im Wesentlichen die Vorgaben zur Geschlechterquote und zur Festlegung von Zielgrößen in der Privatwirtschaft widerspiegeln. Seine insgesamt 23 Artikel regeln die vorgesehenen Änderungen der davon betroffenen Gesetze. Art. 3 des Gesetzentwurfs betrifft das AktG. Für Aufsichtsräte von Unternehmen, die börsennotiert sind und der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, gilt künftig eine Geschlechterquote von 30 Prozent (§ 96 Abs. 2, 3 AktG RegE). Die Quotenregelung greift bei Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien mit in der Regel mehr als 2000 Arbeitnehmern sowie bei Europäischen Aktiengesellschaften (SE), bei denen sich das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan aus derselben Zahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern zusammensetzt. Insgesamt betroffen sind derzeit 108 Unternehmen. Sie müssen die Quote ab 2016 sukzessive für die dann neu zu besetzenden Aufsichtsratsposten beachten (Art. 4, § 25 Abs. 2 EGAktG RegE). Bei Nichterfüllung ist die quotenwidrige Wahl nichtig (§ 96 Abs. 2 S. 6 AktG RegE). Die für das unterrepräsentierte Geschlecht vorgesehenen Plätze bleiben rechtlich unbesetzt. § 76 Abs. 4 AktG RegE verpflichtet den Vorstand, eine für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands Zielgrößen festzulegen. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein.

    3. Verfassungsrecht: Sofern das Gesetz in dieser Form zustande kommen sollte, ist nicht ausgeschlossen, dass es vom Bundesverfassungsgericht, sollte das mit einer Überprüfung befasst werden, wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 GG für verfassungswidrig erklärt werden könnte. In Frage kommt ein Verstoß wegen Diskriminierung von männlichen Bewerbern um ein Aufsichtsratsamt. Denn eine Gruppe zum Nachteil einer anderen zu privilegieren kann sich entsprechenden Bedenken aussetzen. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG besagt nämlich: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden." Eine Benachteiligung von Männern kommt hier aber in Betracht, gehört gewissermaßen zum Programm. Zwar scheint das Grundgesetz an anderer Stelle in Art. 3 das Vorhaben der Bundesregierung zu unterstützen, denn dessen Abs. 2 sagt wörtlich: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin." Nichts anderes will die Bundesregierung hier mit ihrer Frauenfördermaßnahme erreichen. Allerdings - der Spruch des Volksmunds "Gut gemeint ist noch nicht gut gemacht" gilt auch hier. Zwar ist grundsätzlich anerkannt, dass das von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG gebotene Gleichheitsrecht von Männern auch durch sog. kollidierendes Verfassungsrecht, hier Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG, begrenzt werden kann. Die Gegenüberstellung eines Grundrechts mit kollidierendem Verfassungsrecht muss in Form einer Verhältnismäßigkeitsüberprüfung stattfinden, bei deren Abwägung besonders strenge Maßstäbe anzulegen sind. Neben Geeignetheit und Erforderlichkeit, die für die Ergreifung der Frauenfördermaßnahme streiten müssen, müssen die Ungleichbehandlung und die angestrebten Zwecke und deren Gewichtungen bei der Abwägung verglichen und bewertet werden. In diesem Zusammenhang kommt es u.a. darauf an, ob und inwieweit dem Prinzip der Leistungsbezogenheit Rechnung getragen wird oder nicht. Eine Frauenquote nur um der Quote willen, die eine sog. starre Quote darstellt, ist kein Ziel, das in diesem Abwägungsvorgang punkten kann. Der Entwurf der Bundesregierung weist aber derartige starre Ansätze einer Geschlechterparität um ihrer selbst willen durchaus auf. Das Postulat der Leistungsbezogenheit bzw. die Geeignetheit von Frauen für einen konkreten (!) Posten werden ausgeblendet bzw. unreflektiert unterstellt. Sätze wie: "Die Geschichte, dass es nicht genug Frauen gibt, können wirklich nur Leute erzählen, die geistig im letzten Jahrhundert hängen geblieben sind." (Bundesjustizminister Maas) können im politischen Diskurs vielleicht punkten. Ob eine solche Aussage im Einzelfall verfängt und einem geeigneten, aber wegen der Frauenquote abgelehnten männlichen Bewerber (verfassungs-)rechtlich wirksam in einem Rechtsstreit entgegengehalten werden kann, ist zweifelhaft.

    4. Fazit/Ausblick: Die vorgesehene Frauenquote war schon in der schwarz-roten Koalitionsvereinbarung vorgesehen gewesen. Die vorher bestehende freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen, in Führungspositionen von Gesellschaften vermehrt Frauen vorzusehen, hatte nicht verfangen. Also sieht es so aus, dass jetzt das ordnende Machtwort des Gesetzgebers diese Klarheit schaffen kann - es sei denn, das Bundesverfassungsgericht macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Die Meinungsfindung innerhalb der großen Koalition, die von einer entsprechenden Quotenregelung in Vorständen vorsichtshalber Abstand genommen hat, symbolisiert en miniature die argumentative Gefechts- bzw. Stimmungslage in der interessierten Öffentlichkeit zum Sachthema. Insbesondere das Verhalten einiger exponierter Charaktere (CDU-Kauder vs. SPD-Schwesig) und vorhandene bzw. ihnen von der öffentlichen Diskussion beigegebene Attribute sprechen dafür Bände: Konservativer - und deshalb - auf Machterhaltung getrimmter Mann vs. "nervige" Quotenfrau (blond), mit Expertisedefizit. Trotz der skizzierten verfassungsrechtlichen Bedenken: Während sich Frauen wohl am Höhlenfeuer nicht durchsetzen konnten, demnach also z.B. das männliche Jagdverhalten und dessen Ergebnisse vermutlich nicht durch sie evaluiert wurden, spricht doch manches dafür, dass sich das an den Lagerfeuern von Aufsichtsräten in Aktiengesellschaften künftig ändern wird.

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