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Time-to-Value
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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1. Begriff (Definition): Die Time-to-Value kennzeichnet die Zeit, die verstreicht, bis eine Produktidee oder ein Serviceangebot bereits ersten Wert für die Kunden generieren kann.
2. Merkmale: Die Time-to-Value wird in Tagen, Wochen, Monaten und/oder Jahren bemessen und kennzeichnet die Vorlaufzeit, die zwischen einer Produkt-/Serviceidee und deren erster Nutzenstiftung für Kunden liegt. Die Kernidee der Time-to-Value besteht darin, dass nicht gewartet wird, bis ein perfektes Produkt bzw. eine perfekte Serviceinnovation vorliegt, um diese in den Markt einzuführen. Stattdessen beginnt die Markteinführung bereits zu einem Zeitpunkt, zudem ein stabiles Produkt oder eine funktionierende Serviceinnovation vorliegt, die Wert für die Kunden zu generieren in der Lage ist. Hier erfolgt quasi ein Pre-Launch – i.S. einer sehr frühen Einführung in den Markt mit einem ersten funktionsfähigen Produkt bzw. einer einsetzbaren Serviceleistung. Hierbei wird bei Produkten vom Minimal Viable Product (MVP) gesprochen. Hierunter ist ein Produkt bzw. ein Service zu verstehen, der die Mindestanforderungen erfüllt, um von Kunden genutzt bzw. eingesetzt zu werden. Dieses Gedankenkonzept, welches im Umfeld von Lean Start-ups diskutiert wird, sollte auch von anderen Unternehmen auf seine Einsatzbarkeit hin überprüft werden.
Der Pre-Launch ermöglicht im Vergleich zum Time-to-Market-Ansatz, dass eine Nutzenstiftung für den Kunden viel früher einsetzen kann. Gleichzeitig kann das Unternehmen in der Zusammenarbeit mit echten Kunden lernen, wo Optimierungsnotwendigkeiten bestehen und welche weiteren Features mit besondere Dringlichkeit zu entwickeln sind. Diese kontinuierliche Weiterentwicklung geht mit einer Schaffung von Wert für den Kunden einher. Der Launch des „finalen“ Produktes bzw. der „finalisierten“ Dienstleistung kann dann zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Oft bietet sich ein fließender Übergang von der Pre-Launch- in die Launch-Phase an.
3. Unterscheidung von anderen, ähnlichen Begriffen: Die Time-to-Value ist von dem viel weiter verbreiteten Begriff Time-to-Market abzugrenzen. Der hier zugrunde liegende Gedanke findet auch in der Software-Entwicklung seinen Niederschlag (vgl. Agile Softwareentwicklung).
4. Ziele: Unternehmen streben häufig danach, Innovationen möglichst schnell auf dem Markt zu platzieren, um Wettbewerbsangeboten zuvorzukommen und die häufig vorhandene höhere Zahlungsbereitschaft der sogenannten Innovatoren und Early Adopter abzuschöpfen (vgl. Diffusionsprozess). Der schnellen Markteinführung stehen allerdings vielfach Bedenken entgegen, wenn eine Produkt-/Service-Innovation noch nicht „perfekt“ entwickelt ist.
Die Denkhaltung des Time-to-Value bietet hier eine Lösung an. Sobald ein einsatzfähiges Produkt oder eine funktionierende Service-Innovation vorliegt, können diese einem (beschränkten) Nutzerkreis zum Einsatz angeboten werden („Pre-Launch-Phase“). So können – orientiert an den Ideen des agilen Managements – Ideen zur Weiterentwicklung und Optimierung des Angebots im Zusammenwirken mit „echten“ Nutzern gewonnen und im noch nicht abgeschlossenen Innovationsprozess berücksichtigt werden. Der eigentliche Launch schließt sich dann mit zeitlichem Abstand an.
Hierdurch können mehrere Ziele erreicht werden. Zum einen kann das Unternehmen früher den Markt mit eigenen Angeboten penetrieren. Zum zweiten kann ein Feinschliff von Produkt oder Service im echten Marktumfeld erfolgen. Zum dritten kann das Unternehmen ggf. schon erste (reduzierte) Erträge durch das Angebot einer 70-/80-%-Lösung erzielen. Damit können Kosten, die im Innovationsprozess für Marktforschung, Prototypenbau, Kommunikation etc. anfallen, zumindest partiell abgedeckt werden.
Ein Umdenken im Innovationsprozess – gerade bei europäischen und insbesondere bei deutschen Unternehmen – kann hier zu einer früheren Markteinführung und folglich zu einer besseren Ausgangssituation im Wettbewerb führen. Hierdurch können Wettbewerbsnachteile, die durch eine lange Time-to-Market entstehen, abgemildert werden.
Der Fokus auf einem Ansatz „Time-to-Value“ ist vor allem bei Produkten und Services mit sehr kurzem Lebenszyklus von Bedeutung. Je schneller ein Angebot durch ein überarbeitetes ersetzt wird, desto erfolgloser werden die Unternehmen sein, die ihre Prozesse nicht auf Schnelligkeit ausgerichtet haben. Wird ein Angebot zu spät präsentiert, können interessante Marktpositionen schon besetzt sein; und die hohe Preisbereitschaft kann schon abgenommen haben. Im schlimmsten Fall ist das entsprechende Angebot schon veraltet, wenn es am Markt eingeführt wird.
5. Beispiel: Ein überzeugendes Beispiel für eine Orientierung am Time-to-Value-Konzept liefert Amazon mit der Einführung von Amazon Echo im deutschen Markt 2016. Kunden in Deutschland konnten sich darum bewerben, als erste den digitalen Assistenten Alexa zu testen. Dabei wurde deutlich gemacht, dass diese Produkt-Service-Kombination noch nicht ihren finalen Entwicklungsstand erreicht hat. Es ging vielmehr darum, Erfahrungen mit Dialekten in Deutschland zu sammeln und zu erkennen, welche Fragen in Deutschland an einen digitalen Assistenten gestellt werden. Durch diese frühe Form der Markteinführung war Amazon ein hohes Medienecho gewiss. Außerdem konnten umfassende Ergebnisse aus dem täglichen Einsatz zur Optimierung der 2017 schließlich auf dem Gesamtmarkt eingeführten Produkt-Service-Kombination berücksichtigt werden. Amazon ging es folglich darum, die Time-to-Market zu verkürzen, indem das Time-to-Value-Konzept zum Einsatz kam.
Ein besonders spannendes Einsatzfeld für das Time-to-Value-Konzept stellen Software-Projekte dar – insb. bei der App-Entwicklung (vgl. Agile Softwareentwicklung). Hier kann häufig viel früher als bisher geschehen ein (beschränkter) Nutzerkreis in die Finalisierung der App eingebunden werden. Häufig fühlen sich solche Lead-User vom Unternehmen sogar besonders gewertschätzt, wenn ihre Meinung und ihre Erfahrung in Entwicklungsprozesse einbezogen werden. Viele Apps, die nach langen Entwicklungsphasen schließlich das Licht der Welt erblicken und nach einmaliger Nutzung zur Sleeper-App (heruntergeladen, aber nicht mehr genutzt) werden, könnten durch den Time-to-Value-Ansatz vermieden werden.
6. Folgerungen: Unternehmen sollten prüfen, ob es für bestimmte Produkt und/oder Services möglich ist, die Zeitspanne zwischen Idee und Markteinführung zu verkürzen, indem eine Ausrichtung auf das Zielkriterium Time-to-Value erfolgt und ein Minimum Viable Product am Markt vorgestellt wird. Hierfür ist ein Umdenken notwendig, damit auch leistungsfähige 50-, 60-, 70- oder 80-%-Lösungen bereits am Markt angeboten werden können – allerdings nur soweit, wie diese bereits relevanten Wert für die Kunden generieren.
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