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wirtschaftspolitischer Prozess

Definition: Was ist "wirtschaftspolitischer Prozess"?

Handlungsablauf einer oder mehrerer wirtschaftspolitischer Maßnahmen.

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    1. Begriff: Der wirtschaftspolitische Prozess ist Analyseobjekt der allgemeinen Wirtschaftspolitik, die v.a. die Struktur des wirtschaftspolitischen Prozesses beschreibt und damit häufig eine Erklärung des Misslingens wirtschaftspolitischer Maßnahmen liefert.

    2. Struktur: Der wirtschaftspolitische Prozess lässt sich in eine Folge von Ablaufphasen unterteilen. Diese beziehen sich sowohl auf die Behandlung der wirtschaftspolitischen Ziele als auch auf die Handhabung der wirtschaftspolitischen Mittel und bestehen aus Variationen der Standardphasen der Information, Entscheidung, Durchführung, Kontrolle und Modifikation.

    a) Zielorientierte Ablaufphasen: Am Beginn des Prozesses steht eine zielorientierte Informationsphase, in der mögliche Zielgrößen erfasst werden (z.B. die Preisniveauentwicklung). In einer nachfolgenden zielorientierten Entscheidungsphase werden die erwünschten Zielgrößenwerte (Ziel-Soll) festgelegt (z.B. eine gewünschte Inflationsrate von 2 Prozent). Danach wird in einer zielorientierten Ex-Ante-Durchführungsphase eine Prognose des künftigen Zielwertes (Ex-Ante-Ziel-Ist) vorgenommen (z.B. Inflationsprognose von 3,5 Prozent) und der Prognosewert mit dem Sollwert in einer Ex-Ante-Kontrollphase verglichen.

    Ist eine über einen Toleranzwert hinaus gehende Differenz feststellbar, beginnt der mittelorientierte Prozessabschnitt. Andernfalls (z.B. Inflationsprognose von 2,1 Prozent) wird eine zielorientierte Ex-Post-Durchführungsphase zur Erfassung des tatsächlich eingetretenen Zielwertes (Ex-Post-Ziel-Ist) vorgenommen und in der zielorientierten Ex-Post-Kontrollphase mit dem Sollzielwert verglichen. Bei Übereinstimmung ist der Prozess erfolgreich abgeschlossen.
    Bei Nichtübereinstimmung ist eine zielorientierte Modifikationsphase einzuleiten, die alle bisher durchlaufenen Prozessphasen betrifft und schließlich zum Neubeginn der anfänglichen Informationsphase führt.

    b) Mittelorientierte Ablaufphasen: Wird aufgrund der zielorientierten Ex-Ante-Kontrolle eine nicht tolerierbare Differenz festgestellt, beginnt der mittelorientierte Prozessabschnitt. Am Beginn steht die mittelorientierte Informationsphase, in der die möglichen wirtschaftspolitischen Instrumente erfasst und ihre Einwirkungen auf den Zielwert analysiert werden (Ziel-Mittel-Zusammenhang). In der anschließenden Entscheidungsphase wird das wirtschaftspolitische Mittel (z.B. Begrenzung der Geldmengenausweitung) festgelegt und der Wert der einzusetzenden Mittelvariablen (Mittel-Soll) fixiert (z.B. Begrenzung der Geldmengenausweitung auf 5 Prozent). Die mittelorientierte Durchführungsphase beinhaltet die Realisation dieser Mitteleinsatzwerte (Mittel-Ist). Ob dies mit Erfolg geschehen ist, wird in der nachfolgenden mittelorientierten Kontrollphase überprüft. Ist der Mitteleinsatz nicht im vorgegebenen Umfang realisiert worden, muss eine mittelorientierte Modifikationsphase eingeleitet werden, in der die vorangegangenen mittelorientierten Ablaufphasen überprüft werden. Kann dort kein Fehler festgestellt werde, ist eine zielorientierte Modifikation vorzunehmen.

    Erst ein erfolgreicher Mitteleinsatz kann zum erfolgreichen Ende des wirtschaftspolitischen Prozesses führen. Dazu ist jedoch zunächst eine Rückkehr zum zielorientierten Prozessteil notwendig. Wie bereits zuvor beschrieben ist eine zielorientierte Ex-Post-Durchführungsphase vorzunehmen, um den mit einem erfolgreichen Mitteleinsatz tatsächlich erreichten Zielwert festzustellen. Erst der nachfolgende Kontrollabschnitt kann die erfolgreiche Zielerreichung endgültig bestätigen.

    3. Zeitverzögerungsproblematik (Lag, Time-Lag): Wegen der zeitlichen Verzögerung zwischen dem Erkennen der wirtschaftlichen Störung und dem Wirken der eingesetzten wirtschaftspolitischen Instrumente auf die End- bzw. Oberziele der Wirtschaftspolitik kann sich eine prozyklische Verstärkung der Maßnahmen ergeben. Man kann die Time-Lags untergliedern in Recognition Lag (Verzögerung beim Erkennen der Zielabweichung, z.B. aufgrund statistischer Messprobleme), Decision Lag (Verzögerung wegen der parlamentarischen Beartung und Entscheidung), Institutional Lag (Verwaltungs- und bürokratische Verzögerung), Implementation Lag (Verzögerung wegen des Ausarbeitens konkreter Programme) sowie dem Impact Lag (Verzögerung zwischen dem Einsatz der Instrumente und der Wirkung auf die Zielvariablen).

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