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Straftheorien
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Es geht bei den Straftheorien um den Sinn und den Zweck des Bestrafens wegen einer begangenen Straftat. Der Staat hat nach begangener und abgeurteilter Straftat den Anspruch, den verurteilten Straftäter zu bestrafen (vgl. dazu auch die Hinweise bei Anspruchsgrundlage, Strafrecht und Strafe). Aber warum genau führt der Staat den Straftäter seiner Bestrafung zu bzw. warum soll er das tun?
Bestrafung ist die massivste und rigideste Maßnahme, zu der sich ein Staat gegenüber einem ihm unterstellten Individuum entschließen kann. Die Über-/Unterordnung ist evident. Daher gehört das Strafrecht auch zu den klassischen Rechtsgebieten des öffentlichen Rechts und eine Bestrafung will wohl überlegt sein. Bei den Straftheorien gibt es eine Zweiteilung in absolute und relative Theorien.
Absolute Theorien sind weitgehend täter- und vergangenheitsbezogen. Sie blicken auf die Tat und dienen dem Schuldausgleich und der ausgleichenden Gerechtigkeit. Das Motto, hier vereinfacht: "Dafür sollst Du büßen!" Die Vergeltungs-, die Sühne- und die Schuldausgleichtheorie sind ihre wesentlichen Untergruppen. Sie fragen weniger nach gesellschaftlichen Auswirkungen einer Strafe, sondern wollen die negativ gewordene Bilanz des Täters, mit schwerpunktmäßigem Blick auf ihn, in seinem Verhältnis zur Gesellschaft wieder glattstellen.
Relative Theorien sind demgegenüber eher zukunftsbezogen und blicken auch auf die "Umwelt". Sie betonen mehr die präventiven Strafwirkungen und wollen diesen Schwergewicht verschaffen. Sie befassen sich so mit den mutmaßlichen und auch bezweckten Auswirkungen der zu verhängenden Strafe: Wie wirkt sich das auf die Gesellschaft aus und wie soll es sich auswirken und wie wirkt es sich speziell auf den Täter aus bzw. wie soll es sich auf ihn auswirken? Generalprävention (positiv/negativ), mit Bezug auf die Gesellschaft, und Spezialprävention (positiv/negativ), mit Bezug auf den Täter, sind hier die Unterstichworte. Der negative Aspekt: Der verurteilte Täter, aber auch alle potentiellen anderen Täter sollen von der künftigen Begehung von Straftaten abgeschreckt werden (vgl. zu dem Thema Abschreckung vs. Entdeckungsrisiko die Ausführungen bei Fahrverbot). Der positive Aspekt: Das Wecken eines bestätigenden Belohnungsgefühls beim rechtstreuen Rest der Gesellschaft (ungefähr, hier vereinfacht: "weil ich brav war, werde ich nicht bestraft und es geht mir weiter gut") und der beim verurteilten Täter hervorgerufene Katharsiseffekt (ungefähr, hier vereinfacht: "weil ich nicht brav war, werde ich zurecht bestraft und muss büßen, aber wenn ich das durchgestanden habe, geht es mir auch wieder gut, denn dann bin ich wieder quitt.").
Das Gesetz mischt die Strafzwecke. § 46 StGB folgt einer Vereinigungstheorie, die alle Strafzwecke, also o.g. absoluten und relativen Theorien, in ein ausgewogenes Verhältnis, unter einen Hut, bringen will. Das BVerfG hat insoweit auch den Strafzweck des Schuldausgleichs hervorgehoben, die repressive Übelzufügung diene ihm (BVerfG NJW 2011, 1931). Strafzumessung muss sich im Übrigen an der Schuld des Täters ausrichten (§ 46 Abs. 1 StGB). Das wird aus dem Grundsatz nulla poena sine lege (Art. 103 Abs. 2 GG) hergeleitet. Das BVerfG (BVerfGE 109, 133) hat des Weiteren betont, dass der Gesetzgeber mit Bezug auf die Gewichtung der verschiedenen Strafzwecke Spielräume hat.
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