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Handel 4.0
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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1. Allgemein: „Handel 4.0“ wird in Analogie zu dem Begriff Industrie 4.0 verwendet. Der Marketingbegriff Industrie 4.0 ist ein „Zukunftsprojekt“ der Bundesregierung. „Handel 4.0“ verdeutlicht die verstärkte Vernetzung von Informations- und Kommunikationstechnologien für ein besseres Kundenverständnis. Der hohe Grad der Digitalisierung der Kunden führt dazu, dass Handelsunternehmen ihre digitalen Angebote erweitern. Multi- und Omnichannel sind Geschäftsmodelle, mit denen sich verstärkt auch stationäre Händler auseinandersetzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Handelsbranche ist geprägt vom fortwährenden Wandel. Ende des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten Handelsfilialen und lösten im Zeitablauf immer mehr die Marktplätze und fliegenden Händler ab („Handel 1.0“). Der Einzug moderner Technologien führte Anfang der 1960er-Jahre dazu, dass die Kosten der Handelsbetriebe gesenkt wurden und die Filialisierung weiter fortschritt („Handel 2.0“). Es wurden bereits in dieser Phase Sortimentsdaten analysiert. Bessere IT Strukturen Mitte der 1990er-Jahre und die Virtualisierung der Filiale sowie des Einkaufsprozesses werden als „Handel 3.0“ angesehen. Die Vernetzung von Informationen entlang der Supply-Chain mit dem Fokus, das Kundenverhalten besser zu verstehen, wird aktuell als „Handel 4.0“ bezeichnet. Die Filialexpansion der letzten Jahrzehnte wird z.T. durch „Handel 4.0“ infrage gestellt. Wenn Kunden immer mehr online einkaufen, so ist die Frage, inwieweit stationäre Geschäfte in ihrer derzeitigen Form benötigt werden?
2. Herausforderungen: In vielen Branchen verfügt der Handel über einen unmittelbaren Kundenkontakt und kann als Gate-Keeper zum Kunden betrachtet werden. Die verstärkte Digitalisierung führt dazu, dass die gesamte Wertschöpfungskette verändert wird. Bspw. wenden sich immer mehr industrielle Produzenten mit ihren Produkten unmittelbar an den Endverbraucher. Die Logistik zum Kunden wird immer stärker zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Die zunehmende Digitalisierung auf Kundenseite erfordert von Handelsunternehmen, dass sie z.T. neue Geschäftsmodelle entwickeln. Handelsunternehmen entwickeln gemeinsam mit ihren Wertschöpfungspartnern wie der Industrie und der Logistik innovative Geschäftsmodelle, die einen Mehrwert für die Kunden schaffen sollen. Diese Netzwerk-Partnerschaften werden durch digitale Prozesse unterstützt. Abbildung 1 stellt vereinfacht für den Lebensmittelbereich die aktuelle Wertschöpfungskette dar.
Abb. 1: Aktuelle Wertschöpfungskette in der Lebensmittelbranche
Die „neue“ Wertschöpfungskette wird unter anderem durch sich ändernde Rahmenbedingungen begünstigt. Dies hat zur Folge, dass es innerhalb der Wertschöpfungskette zu einer Verlagerung des Konsumenten vom linearen Endverbraucher zum Mittelpunkt der einzelnen Wertschöpfungsebenen kommt. Abbildung 2 zeigt diesen Zusammenhang auf.
Abb. 2: Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfungskette
Die Wertschöpfungskette wird durch den Einfluss der Digitalisierung gänzlich verändert. Die einzelnen Akteure der Wertschöpfungskette können unmittelbar an die Konsumenten digital herantreten. Es gibt bereits heute „Online-Gatekeeper“ wie Amazon, die über direkten Zugang zu den Konsumenten verfügen. Dieser Zugang stellt einen entscheidenden Erfolgsfaktor bei der Vermarktung von Produkten dar. Die verstärkte Vernetzung der Wertschöpfungspartner kann dazu führen, dass neue Geschäftsmodelle entstehen. Diese Netzwerkpartnerschaften könnten langfristig zu Wettbewerbsvorteilen führen, die traditionelle Händler immer mehr vom Markt verdrängen würden.
3. Kritik und Ausblick: Die derzeitigen technologischen Veränderungen führen dazu, dass sich Branchen teilweise gänzlich verändern. Ein Beispiel hierfür ist der stationäre Buchhandel, der derzeit stark vom Online-Handel dominiert wird. Jedoch gibt es auch Branchen wie dem Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland, bei dem der Umsatzanteil des Online-Handels nach wie vor unter 1% liegt. Das kundenorientierte Datenmanagement verbunden mit einer effizienten Logistik sind kritische Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung von „Handel 4.0“. Handelsunternehmen besitzen traditionell große Datenmengen wie z.B. Scanner-Abverkaufsdaten. Die relevanten Daten aus dieser Datenmenge zu filtern und die Steuerung der Wertschöpfungskette zu übernehmen stellt viele Händler vor eine große Herausforderung. In vielen Handelsunternehmen sind die Kompetenzen noch unzureichend vorhanden, wie die Gestaltung der neuen Wertschöpfungspartnerschaften aussehen kann.
Vgl. Multi Channel Retailing, Omni-Channel-Management.
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