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Kritische Daseinsvorsorge-Infrastrukturen

Definition: Was ist "Kritische Daseinsvorsorge-Infrastrukturen"?

Mit dem Begriff Kritische Daseinsvorsorge-Infrastrukturen wird jener Teil der Daseinsvorsorge-Infrastrukturen bezeichnet, dessen Ausfall oder Missbrauch – letztere mit dem Ziel der physischen Gefährdung oder Vernichtung – für größere Menschengruppen eine existentielle Dimension hätte. Dieses besondere Gefährdungspotenzial unterscheidet sich von den anderen Segmenten der Daseinsvorsorge-Infrastrukturen qualitativ. Es geht also nicht um einzelne und nur quantitative Unterschiede, sondern um eine signifikant größere existentielle Bedrohung. Aspekte sind die Größenordnungen der potenziell betroffenen Menschen (z. B. in Großstädten), die flächenmäßige Ausdehnung gefährdeter Areale (z. B. definiert durch vernetzte Leitungsstrukturen für ganze Regionen), eingeschränkte Schutz- und Abwehrmöglichkeiten im Zusammenhang mit damit einhergehenden vergleichsweise einfachen Zugriffs- bzw. Wirkungsmöglichkeiten z.B. für terroristische Übergriffe oder Katastrophen infolge von Naturereignissen oder menschlichem Versagen.
Für das Gesamtsystem der Daseinsvorsorge-Infrastrukturen sind jene Teile zu identifizieren, für die der gerade skizzierte besondere Gefährdungsgrad zutrifft. Für diesen Teilbereich leiten sich ab:
1)
 das Erfordernis für den Begriff Kritische Daseinsvorsorge-Infrastrukturen überhaupt,
2) die Notwendigkeit diesen Begriff zum einen separat, zum anderen im direkten inhaltlichen Kontext mit dem Begriff Daseinsvorsorge-Infrastrukturen zu bestimmen,
3) das Votum gegen eine undifferenzierte Nutzung des eher unbestimmten Sammelbegriffs Kritische Infrastrukturen.
Die Definition der Kritischen Daseinsvorsorge-Infrastrukturen bezieht sich ausdrücklich auf die Bestimmung des Begriffs Daseinsvorsorge-Infrastrukturen. Die dort getroffenen übergreifenden Aussagen gelten also auch für die Kritischen Daseinsvorsorge-Infrastrukturen. Der Terminus Kritische Daseinsvorsorge-Infrastrukturen ist also zum einen sowohl eigenständig, zum anderen integraler Bestandteil der Begriffsbestimmung Daseinsvorsorge-Infrastrukturen.

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    1. Definition im Kontext mit den Begriffen Daseinsvorsorge-Infrastrukturen und Kritische Infrastrukturen: Mit dem Begriff Kritische Daseinsvorsorge-Infrastrukturen wird jener Teil der Daseinsvorsorge-Infrastrukturen bezeichnet, dessen Ausfall bzw. Nichtverfügbarkeit wegen Auslagerung im Rahmen der Globalisierung oder Missbrauch – letztere mit dem Ziel der physischen Gefährdung oder Vernichtung – für größere Menschengruppen eine existentielle Dimension hätte. Dieses besondere Gefährdungspotenzial unterscheidet sich von den anderen Segmenten der Daseinsvorsorge-Infrastrukturen qualitativ. Kriterien dafür sind
    1) die Größenordnungen der potenziell betroffenen Menschen (z. B. im nationalen Maßstab, ganzen Regionen Metropolen),
    2) die flächenmäßige Ausdehnung der gefährdeten Areale (z. B. definiert durch vernetzte Leitungsstrukturen für ganze Regionen),
    3) die in Relation zum Gefährdungspotenzial eingeschränkten Schutz- und Abwehrmöglichkeiten im direkten Zusammenhang mit z.B. terroristischen Übergriffen oder Katastrophen infolge von Naturereignissen oder menschlichem Versagen und
    4) die existenzielle Dimension der Gefährdung.
    Für das Gesamtsystem der Daseinsvorsorge-Infrastrukturen sind jene Teile zu identifizieren, für die der gerade skizzierte besondere Gefährdungsgrad zutrifft. Für diesen Teilbereich leiten sich ab:
    1)
     das Erfordernis für den Begriff Kritische Daseinsvorsorge-Infrastrukturen überhaupt,
    2) die Notwendigkeit diesen Begriff zum einen separat, zum anderen im direkten inhaltlichen Kontext mit dem Begriff Daseinsvorsorge-Infrastrukturen zu bestimmen,
    3) das Votum gegen eine undifferenzierte Nutzung des eher unbestimmten Sammelbegriffs Kritische Infrastrukturen.
    Die Definition der Kritischen Daseinsvorsorge-Infrastrukturen bezieht sich ausdrücklich auf die Bestimmung des Begriffs Daseinsvorsorge-Infrastrukturen. Die dort getroffenen übergreifenden Aussagen gelten also auch für die Kritischen Daseinsvorsorge-Infrastrukturen. Der Terminus Kritische Daseinsvorsorge-Infrastrukturen ist also zum einen sowohl eigenständig, zum anderen integraler Bestandteil der Begriffsbestimmung Daseinsvorsorge-Infrastrukturen.

    2. Klassifizierung der Kritischen Daseinsvorsorge-Infrastrukturen: Die Selektion der besonders gefährdeten Kritischen Daseinsvorsorge-Infrastrukturen kann nur aus dem Gesamtsystem heraus erfolgen, was mit der Tabelle "Identifizierung der Daseinsvorsorge-Infrastrukturen mit dem Status kritisch" versucht wird (eigene Systematik des Autors). Die oben genannten drei Selektionskriterien sowie die existentielle Dimension der Gefährdung insgesamt werden nach den Graduierungen groß, mittel und gering gewichtet. Alle Daseinsvorsorge-Infrastrukturen für die mindestens zwei Kriterien den Status groß haben, werden der Kategorie Kritische Daseinsvorsorge-Infrastrukturen zugeordnet. Diese Kategorisierung versteht sich als Trendaussage. Eine exakte Quantifizierung der jeweiligen Gefährdungspotenziale ist schon deshalb nicht möglich, weil bei den einzelnen Strukturen keine Unterscheidungen nach deren Größe gemacht werden konnten (ein kleiner Bahnhof hat natürlich ein deutlich geringeres Gefährdungspotenzial, als die Hauptbahnhöfe von Metropolen wie Berlin oder München), und in die Evaluierung immer auch subjektive Faktoren einfließen.
    Auch bei der Klassifizierung nach Gefährdungspotenzialen muss auf die dynamische Dimension – analog zum Kanon der Daseinsvorsorge – verwiesen werden. Exemplarisch dafür steht das Internet, für das ein ständig wachsendes Bedrohungspotenzial, Stichwort Cyberkriminalität, zu konstatieren ist. Illegale Eingriffe in fragile Netzstrukturen können für große Regionen, ja ganze Länder, beispielsweise die Versorgung mit Elektroenergie komplett und über längere Zeiträume lahmlegen, mit verheerenden Folgen für die gesellschaftlichen und ökonomischen Systeme, deren Funktionalität von einer kontinuierlichen Bereitstellung von Strom abhängen.

    Identifizierung der Daseinsvorsorge-Infrastrukturen mit dem Status kritisch
    Typus der Infrastrukturen Konkrete Daseinsvorsorge-Infrastruktur Gefährdungsgrad        
        Zahl der potenziell betroffenen Menschen Ausdehnung der potenziell betroffenen Flächen Abwehr- und Schutzaufwand Existenzielle Dimension der Gefährdung Zugehörigkeit zur Kategorie "Kritische Daseinsvorsorge-Infrastrukturen" (ja/nein)
    Netzgebundene stationäre Strukturen Ferngasnetze (überregional) groß groß groß groß ja
      Fernwärmenetze (regional) groß groß mittel mittel ja
      Gasverteilnetze (regional) groß groß groß groß ja
      Höchstspannungselektrizitätsnetze (übergreifend) groß groß groß groß ja
      IT- und Telekommunikationsnetze (fest verlegt) groß groß groß groß ja
      Niederspannungselektrizitätsnetze (regionale Verteilebene) groß groß groß groß ja
      Schienensetz mittel gering/mittel mittel mittel nein
      Wassernetze groß groß groß groß ja
    Nicht netzgebundene stationäre Strukturen Anlagen zur Herstellung lebenswichtiger und -rettender Pharmaka, der dazu notwendigen Grundstoffe, von 
    Produkten für den Seuchen- und Katastrophenschutz und die Intensivmedizin
    groß groß groß groß ja
      Bahnhöfe groß mittel groß groß ja
      Flughäfen groß mittel groß groß ja
      Gasspeicher mittel mittel mittel mittel nein
      Häfen mittel groß mittel mittel nein
      Kraftwerke inkl. Kernkraftwerke groß groß groß groß ja
      Krankenhäuser mittel mittel groß groß ja
      Müllverwertungsanlagen mittel mittel gering mittel nein
      Sparkassen (Pflicht zur Daseinsvorsorge) mittel mittel mittel mittel nein
      Wasserspeicher (z.B. Talsperren) mittel mittel mittel mittel nein
      Wohnungen mittel gering mittel mittel nein
    Mobile Strukturen Busse/Bahnen im öffentlichen Verkehr mittel mittel mittel mittel nein
      Feuerwehren mittel mittel gering mittel nein
      Krankentransportfahrzeuge gering gering gering gering nein
      Mobilfunknetze groß groß groß groß ja
      Spezialfahrzeuge Rettungswesen/Katastrophenschutz gering gering gering mittel nein
      Spezialfahrzeuge Entsorgungswirtschaft gering gering gering gering nein


    Im Ergebnis dieser Evaluierung werden folgende Daseinsvorsorge-Infrastrukturen der Kategorie Kritische Daseinsvorsorge-Infrastrukturen zugeordnet:
    Anlagen zur Herstellung lebenswichtiger und -rettender Pharmaka, der dazu notwendigen Grundstoffe, von Produkten für den Seuchen- und Katastrophenschutz und die Intensivmedizin, Ferngasnetze, Ferngasverteilnetze, Fernwärmenetze, Höchstspannungs-Elektrizitätsnetze, IT- und Telekommunikationsnetze, Niederspannungs-Elektrizitätsnetze (netzgebundene stationäre Strukturen), Bahnhöfe, Flughäfen, Kraftwerke incl. Kernkraftwerke, Krankenhäuser (nicht netzgebundene stationäre Strukturen) und Mobilfunknetze (mobile Strukturen). Die Schwerpunkte liegen also bei den netzgebundenen und nicht netzgebundenen stationären Strukturen.

    3. Typologie der Ursachen für Bedrohungen (Ausfälle) kritischer Daseinsvorsorge-Infrastrukturen: Die Ursachen für Bedrohungen (Ausfälle) von Kritischen Daseinsvorsorge-Infrastrukturen können wie folgt klassifiziert werden (eigene Systematik des Autors):
    1) interne und objektiv determinierte Einwirkungen (technische Störungen bis hin zu Totalausfällen innerhalb des Systems),
    2) externe und objektiv determinierte Einwirkungen (Naturkatastrophen, unkontrollierte externe Einflüsse auf das System wie z.B. Brände, Explosionen, Flugzeugabstürze),
    3) ex- und interne und subjektiv determinierte Einwirkungen (Fahrlässigkeit, Kriminalität, Sabotage, Terror).

    4. Gefährdungsstatus und dessen Korrelationen zur öffentlichen Verantwortung und der Eigentümerschaft: Aus der öffentlichen Gewährleistungsverantwortung für die Daseinsvorsorge und deren Infrastrukturen ergibt sich der analoge Status auch für die Kritischen Daseinsvorsorge-Infrastrukturen. Es kann weiterhin geschlossen werden, dass der besondere Gefährdungsgrad auch ein besonders hohes Maß an Verantwortung impliziert. Daraus ergibt sich aber nicht zwingend die Forderung nach öffentlichem Eigentum in direkter Korrelation zum Gefährdungspotenzial. Auch deshalb nicht, weil speziell der Staat als alleiniger Träger des Gewaltmonopols einschließlich der zu dessen Ausübung nötigen Strukturen (Polizei, Armee, Justiz, Geheimdienste usw.) ohnehin für die Gefahrenprävention und -abwehr zuständig ist. Diese grundlegende Zuständigkeit und Verantwortung kann durch nichthoheitliche Mitwirkungen (z. B. private Sicherheitsdienste, Betriebsfeuerwehren usw.) unterstützt werden, wobei in jedem Fall das Monopol der physischen Gewaltausübung beim Staat bleibt. Nicht zuletzt unter Hinweis auf die föderalen Strukturen in Deutschland wird regelmäßig die ungenügende Konsistenz der Organe und Maßnahmen zur Gefahrenabwehr kritisiert. Gerade bei extremen Gefährdungslagen oder Katastrophenfällen ist eine zentrale Führung der Prozesse wegen unterschiedlicher Zuständigkeiten und Entscheidungsebenen oft nicht optimal gewährleistet.

    5. Kritische Infrastrukturen außerhalb der Daseinsvorsorge: Eine existentielle Dimension von Gefährdungspotenzialen besteht auch für Infrastrukturen, die nicht im Bereich der Daseinsvorsorge angesiedelt sind. Exemplarisch dafür sind insbesondere Produktionsanlagen, die schon wegen der Verwendung und Bearbeitung gefährlicher Stoffe ein sehr hohes Gefährdungspotenzial haben. Beispiele sind u.a. Atomkraftwerke, Chemische Anlagen, Raffinerien, Laboratorien im Bereich der Pharmaforschung vor allem im Segment hochansteckender Krankheiten, die Rüstungsindustrie, militärische Anlagen. Für diese Infrastrukturen treffen grundsätzlich auch die Merkmale zu, die wir für Kritische Daseinsvorsorge-Infrastrukturen herausgearbeitet haben. Wir plädieren gleichwohl für eine begriffliche Unterscheidung, denn eine Gleichsetzung von Kritischen Daseinsvorsorge-Infrastrukturen und kritischen Infrastrukturen außerhalb dieses Bereiches sollte ausgeschlossen werden.

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