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Progressionsvorbehalt
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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Inhaltsverzeichnis
Begriff
eine Regelung, wonach steuerfreie Einkünfte zwar nicht besteuert werden, ihre Existenz aber berücksichtigt wird, wenn es darum geht, die Höhe des angemessenen Steuersatzes für diejenigen übrigen Einkünfte des Betreffenden zu bestimmen, die weiterhin steuerpflichtig bleiben. Ziel ist es, dass Personen mit einem hohen Einkommen, von dem allerdings einige Teile steuerfrei sind, die steuerpflichtigen Reste ihres Einkommens nicht nur mit einem Steuersatz versteuern, der eigentlich für Geringverdiener gedacht ist. Angewendet wird der Progressionsvorbehalt sowohl bei Einkünften, die aufgrund des nationalen Steuerrechts steuerfrei belassen werden (z.B. Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, Wintergeld, Winterausfallgeld, Schlechtwettergeld, Erziehungsgeld u.Ä.), als auch bei Einkünften aus dem Ausland, die aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens oder eines ähnlichen völkerrechtlichen Vertrages steuerfrei gestellt sind. Erforderlich ist jedoch in allen Fällen, dass gesetzlich ausdrücklich angeordnet wird, dass der Progressionsvorbehalt auf die fraglichen steuerbefreiten Einkünfte angewandt werden soll (Fundstelle: § 32b EStG).
Technik
1. Die ausländischen Einkünfte und Vermögensteile bzw. die bezogenen Lohnersatzleistungen scheiden aus der inländischen Steuerbemessungsgrundlage vollständig und endgültig aus.
2. Sie werden jedoch für die Berechnung des auf die übrigen inländischen Einkünfte bzw. Vermögensteile des Steuerpflichtigen anzuwendenden progressiven Steuersatzes in der Weise berücksichtigt, dass zunächst berechnet wird, wie hoch die Steuerschuld ausgefallen wäre, wenn die fraglichen Einkünfte steuerpflichtig gewesen wären. Daraus berechnet man dann, wie hoch der durchschnittliche Steuersatz ausgefallen wäre, wenn das gesamte Einkommen steuerpflichtig gewesen wäre. Dieser so bestimmte Steuersatz wird dann angewandt auf das Einkommen, das noch steuerpflichtig geblieben ist. Beispiel: Ein Steuerpflichtiger habe insgesamt Einkünfte von 100.000 Euro, von denen aber 95.000 Euro aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens steuerfrei bleiben sollen. Dann beliefe sich sein zu versteuerndes Einkommen auf 5.000 Euro (von Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen etc. wird hier zur Vereinfachung abgesehen). Die Steuer für 5.000 Euro beträgt nach Grundtabelle normalerweise Null Euro; dem liegt aber die Annahme zugrunde, dass jemand mit einem Jahreseinkommen von 5000 Euro ein Geringstverdiener ist - diese Annahme ist hier offensichtlich unangemessen. Daher ordnet das Gesetz hier den Progressionsvorbehalt an: Es ist zunächst auszurechnen, dass die Steuer bei 100.000 Euro sich auf 34.086 Euro belaufen würde (Wert 2008). Das entspräche einem Steuersatz von 34,086 Prozent. Also ist daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass jemand mit einem "Wohlstand" wie der Steuerpflichtige im Beispielsfall nach den Wertungen des Gesetzgebers eine Belastung von 34 Prozent tragen sollte - folglich wird von dem Betrag, der noch in Deutschland steuerpflichtig bleibt (5000 Euro) eine Steuer von 34 Prozent verlangt, nicht 0 Prozent (also 1.700 Euro).
Wirkungen
Der Progressionsvorbehalt wird in der Regel zu einer Erhöhung des Steuersatzes führen, weil sich der Wohlstand und damit der Steuersatz des Betreffenden i.d.R. aufgrund der Berücksichtigung der steuerfreien Einkünfte höher darstellt, als wenn man nur die steuerpflichtigen Einkommensteile zur Kenntnis nähme. In Ausnahmefällen kann er aber auch zu einer Senkung des Steuersatzes führen, nämlich dann, wenn die als "steuerfrei" außer acht gelassenen Beträge ausnahmsweise negativ sein sollten (negativer Progressionsvorbehalt).
Beispiel: Ein Steuerpflichtiger hat steuerpflichtige Einkünfte von 200.000, aber zugleich ausländische Verluste aus Frankreich von 190.000 Euro, die lediglich aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens hier nicht steuerlich relevant sind. Die Betrachtung des Gesamteinkommens ergibt, dass hier nicht der Steuersatz für 200.000, sondern der durchschnittliche Steuersatz für 10.000 Euro angemessen ist (400 Euro = 4 Prozent). Somit würde hier die Steuer auf die deutschen Einkünfte mit einem Steuersatz von nur 4 Prozent festgesetzt werden (8.000 Euro). "Negativ" heißt der Progressionsvorbehalt in diesem Zusammenhang lediglich deshalb, weil er sich hier für die Finanzverwaltung ausnahmsweise negativ auswirkt.
Anwendungsbereich
1. Auslandseinkünfte: Der Progressionsvorbehalt ist von den Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) gestattet, wenn diese ihn nicht ausdrücklich verbieten; das ist jedoch niemals der Fall. Voraussetzung ist allerdings die Anwendbarkeit der Freistellungsmethode. Nicht in Frage kommt der Progressionsvorbehalt nämlich, wenn für ausländische Einkünfte nach dem DBA nur die Anrechnungsmethode angewandt wird, denn dann sind die betreffenden Auslandseinkünften in Deutschland gar nicht steuerfrei, somit bei der Berechnung des Steuersatzes ohnehin schon berücksichtigt. Die Anwendbarkeit des Progressionsvorbehalts erstreckt sich zwar formal auf alle Steuerarten, die im Doppelbesteuerungsabkommen erfasst sind.
2.Praktische Auswirkungen treten aber i.d.R. nur bei den Steuern ein, die einen progressiven Tarif aufweisen, in der Bundesrepublik Deutschland im Wesentlichen nur die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer. Auch dann bedarf es jedoch einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung, dass der Progressionsvorbehalt gelten soll, im betreffenden Gesetz.
3. Im nationalen Bereich wird der Progressionsvorbehalt v.a. bei Bezug von Lohnersatzleistungen (Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, Wintergeld, Winterausfallgeld, Arbeitslosenhilfe u.Ä.) oder ausländischen Einkünften angeordnet.
4. Im Zuge der Unternehmensteuerreform 2008 wurde eine Meldepflicht für Lohnersatzleistungen mit Progressionsvorbehalt eingeführt (§ 32 b Abs. 3 EStG, § 52 Abs. 43 a S. 2 EStG).
5. Beschränkte Steuerpflicht: Gegenüber Steuerausländern ist eine Anwendung des Progressionsvorbehalts nicht üblich. Wird von dem ausländischen Steuerpflichtigen die freiwillige Veranlagung seiner aus Deutschland bezogenen Einkünfte gewählt, kann es jedoch in bestimmten Fällen auch zum Progressionsvorbehalt kommen (vgl. § 32b EStG).
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