Direkt zum Inhalt

Zitierfähige Version

Unter dieser URL finden Sie dauerhaft die unten aufgeführte Version Ihrer Definition:
Revision von Dieselfahrverbot vom 04.10.2018 - 17:44

Dieselfahrverbot

Definition: Was ist "Dieselfahrverbot"?

Mit zwei Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts (vom 27.2.2018) getroffene Richtungsentscheidung, dass aus Gründen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes insbesondere in umweltbelasteten Innenstädten Diesel-Verkehrsverbote ausnahmsweise und unter bestimmten Voraussetzungen verhängt werden können. Die Stadt Hamburg hat als erste deutsche Stadt ab dem 31.Mai 2018 davon Gebrauch gemacht und für zwei Straßen Fahrverbote verhängt, andere Städte folgten schon 2018.

Geprüftes Wissen

GEPRÜFTES WISSEN
Über 200 Experten aus Wissenschaft und Praxis.
Mehr als 25.000 Stichwörter kostenlos Online.
Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon

zuletzt besuchte Definitionen...

    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Mit zwei Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts (vom 27.2.2018) getroffene Richtungsentscheidung, dass aus Gründen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes insbesondere in umweltbelasteten Innenstädten Diesel-Verkehrsverbote ausnahmsweise und unter bestimmten Voraussetzungen verhängt werden können. Die Stadt Hamburg hat als erste deutsche Stadt ab dem 31.Mai 2018 davon Gebrauch gemacht und für zwei Straßen Fahrverbote verhängt, andere Städte folgten schon 2018.
    Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen beiden Entscheidungen BVerwG 7 C 26.16 und BVerwG 7 C 30.17 zwei sog. Sprungrevisionen gegen erstinstanzliche Gerichtsentscheidungen der Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Stuttgart zur Fortschreibung der Luftreinhaltepläne Düsseldorf und Stuttgart überwiegend zurückgewiesen. Allerdings sind, so das Gericht, bei der Prüfung von Verkehrsverboten für Diesel-Kraftfahrzeuge insbesondere zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerichtliche Maßgaben zu beachten.

    Dem vorangegangen waren Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Stuttgart. Das VG Düsseldorf hatte das Land Nordrhein-Westfalen auf Klage der Deutschen Umwelthilfe verpflichtet, den Luftreinhalteplan für Düsseldorf so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Jahr gemittelten Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet Düsseldorf enthält. Das Land sei verpflichtet, im Wege einer Änderung des Luftreinhalteplans weitere Maßnahmen zur Beschränkung der Emissionen von Dieselfahrzeugen zu prüfen. Beschränkte Fahrverbote für bestimmte Dieselfahrzeuge seien rechtlich und tatsächlich nicht ausgeschlossen. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte zuvor das Land Baden-Württemberg verpflichtet, den Luftreinhalteplan für Stuttgart so zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Es sei ein ganzjähriges Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Ottomotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 3 in der Umweltzone Stuttgart in Betracht zu ziehen.

    Dies wurde im Prinzip durch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt. Die beiden verwaltungsgerichtlichen Urteile sind nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts vor dem Hintergrund des Unionsrechts überwiegend nicht zu beanstanden. Unionsrecht und Bundesrecht verpflichten nach seiner Meinung dazu, durch in Luftreinhalteplänen enthaltene geeignete Maßnahmen den Zeitraum einer Überschreitung der seit 1. Januar 2010 geltenden Grenzwerte für NO2 so kurz wie möglich zu halten. Bei Erlass von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen ist jedoch darauf zu achten und sicherzustellen, dass der auch im Unionsrecht verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibe, so das Bundesverwaltungsgericht. Insoweit sei hinsichtlich der Umweltzone Stuttgart eine phasenweise Einführung von Verkehrsverboten, die in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) betrifft, zu prüfen. Zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit dürfen Euro-5-Fahrzeuge jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 mit Verkehrsverboten belegt werden. Darüber hinaus bedürfe es hinreichender Ausnahmen, z.B. für Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen.

    Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts haben in der Öffentlichkeit für Furore gesorgt. Millionen Dieselfahrzeugbesitzer, die sich ihrerseits von der Autoindustrie betrogen und von der Politik im Stich gelassen fühlen, haben sich angesichts der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts entrüstet. Insbesondere wurde der Politik Tatenlosigkeit und Liebedienerei gegenüber den Autorherstellern vorgeworfen. Abgehaltene Dieselgipfel seien weitgehende Alibiveranstaltungen mit Placebocharakter gewesen - so der Vorwurf. Der Bundesgesetzgeber reagierte immerhin per Gesetzbeschluss vom 14.6.2018 durch die Einführung einer neuen Musterfeststellungsklage zu Gunsten von Verbrauchern, das Gesetz soll am 1.11.2018 in Kraft treten. Auch die Strafjustiz setzte unterjährig 2018 ab und an (öffentlichkeitswirksame) Zeichen, so u.a. die Festnahme des amtierenden Vorstandsvorsitzenden von Audi im Juni 2018 und durch die Verhängung einer Geldbuße von 1 Mrd. Euro gegenüber Volkswagen, was der Autobauer akzeptiert hatte. Im Übrigen gibt es Bestrebungen, die Geltung des Strafrechts auf Unternehmen auszudehnen, vgl. hierzu und zu Volkswagen näher die Ausführungen bei Unternehmensstrafrecht.

    Die 2018 amtierende Bundesregierung wollte nach Meldungen von Anfang April 2018 für die Diesel-Nachrüstung zunächst einen Milliarden-Fonds auflegen. Die Autokonzerne sollten dazu fünf Milliarden Euro einzahlen, den Rest sollte der Steuerzahler richten. Zum Frühsommer 2018 hin war dieser Vorstoß aber allem Anschein nach verpufft. Gegen Spätsommer/Herbst 2018 nahm die Angelegenheit wieder Fahrt auf, indem die Bundesregierung eine Diesel-Nachrüstungslösung forcierte. Dadurch sollen Fahrverbote vermieden werden können. Umstritten war, ob und inwieweit dazu zur Entlastung der Autokonzerne Steuergelder eingesetzt werden sollten oder nicht. Auch die Frage der finanziellen Selbstbeteiligung der Fahrzeugbesitzer zur Finanzierung der Nachrüstung war ein politisch kontrovers diskutiertes Thema.

    Offizielle Verlautbarungen der Bundesregierung am 2.10.2018 ergaben im Hinblick auf Einzelheiten der von der Regierung präsentierten "Diesellösung" zunächst noch kein klares Bild - trotz großer Attitüden bei der Vermittlung der "Lösung". Das, was wenigstens einigermaßen begreiflich dem öffentlichen Auditorium vermittelt werden konnte, war zumindest zum Teil umstritten und kritisiert ("Regierung als Auto-Lobby") worden: Unter der Überschrift des Ziels der Vermeidung von Fahrverboten sollen regional begrenzt, dort wo Fahrverbote drohen, Umrüstungen gefördert werden. Ein Teil der präsentierten Lösung sieht vor, dass Handwerker und Lieferdienste ihre Lieferfahrzeuge mit 80 Prozent staatlicher Förderung nachrüsten können. In den Genuss dieser Förderung soll nur kommen, wer in den 65 belasteten Städten sowie in den angrenzenden Landkreisen seinen Sitz oder nennenswerte Aufträge in der Stadt hat. Insgesamt betroffen waren laut Regierung maximal 190.000 Fahrzeuge. Die restlichen 20 Prozent der Umrüstungskosten waren unklar, weil eine Einigung mit den Autobauern mit Bezug auf deren Beiträge zur "Lösung" Anfang Oktober 2018 noch ausstand.
    Unklar war Anfang Oktober 2018 das Bild auch im Hinblick auf private Dieselfahrzeugbesitzer: Präsentiert wurde die Idee von Umtausch-Aktionen, bei denen die Hersteller alte Dieselautos der Euronormen 4 und 5 in Zahlung nehmen und zusätzlich einen Rabatt gewähren sollen. Die Regierung äußerte die Erwartungshaltung, dass die Hersteller dabei den Wertverlust, der durch den Dieselskandal entstanden ist, ausgleichen. Sofern Fahrzeugbesitzer, etwa eines Euro-5-Diesels, ihr Auto nicht abgeben können oder wollen (nicht jeder verfügt über das nötige "Kleingeld" für einen Autokauf), sollen sie es mit einem Katalysator nachrüsten dürfen – sofern geeignete Systeme verfügbar sein werden. Die Regierung erwartete angabegemäß von den Herstellern, dass diese komplett für die Umrüstung zahlen sollten. Laut Pressemeldungen  verweigerte sich z.B. BMW dem aber komplett, auch Daimler habe keine Zusage gegeben und mit Volkswagen mussten Details geklärt werden. Auch insoweit und mit Bezug auf weitere Details stand somit eine Übereinkunft mit den Autobauern Anfang Oktober 2018 allem Anschein nach aus bzw. war gescheitert.
    Die Angelegenheit war demnach Anfang Oktober 2018 weiter im Fluss. Ob nach wie vor "Gerechtigkeitslücken", etwa wegen der nur regionalen Begrenztheit von Teilthemen oder wegen bei Bürgern bestehen bleibenden finanziellen Belastungen, vorhanden sind oder nicht, werden voraussichtlich letzten Endes doch Gerichte klären müssen.     

     

    GEPRÜFTES WISSEN
    Über 200 Experten aus Wissenschaft und Praxis.
    Mehr als 25.000 Stichwörter kostenlos Online.
    Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon

    zuletzt besuchte Definitionen...

      Literaturhinweise SpringerProfessional.de

      Bücher auf springer.com