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Revision von Dieselfahrverbot vom 12.03.2019 - 11:13

Dieselfahrverbot

Definition: Was ist "Dieselfahrverbot"?

Mit zwei Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts (vom 27.2.2018) getroffene Richtungsentscheidung, dass aus Gründen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes insbesondere in umweltbelasteten Innenstädten Diesel-Verkehrsverbote ausnahmsweise und unter bestimmten Voraussetzungen verhängt werden können. Weitere verwaltungsgerichtliche Entscheidungen in einigen Bundesländern setzten danach auf den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts auf. Die Stadt Hamburg hat als erste deutsche Stadt ab dem 31.Mai 2018 davon Gebrauch gemacht und für zwei Straßen Fahrverbote verhängt, andere Städte folgten 2018. Hintergrund sind technische Manipulationen an den Abgasvorrichtungen ihrer Dieselfahrzeuge, begangen von einigen Autobauern, u.a. Volkswagen (Dieselskandal).

Mit Bezug auf die kaufgewährleistungsrechtliche Seite der Problematik setzte der BGH Ende Februar 2019 ein öffentlichkeitswirksames Zeichen. Bezüglich eines bei ihm anhängigen Revisionsverfahrens eines klagenden Käufers gegen seinen VW-Händler veröffentlichte er einen von ihm im Verfahren zuvor erlassenen Hinweisbeschluss - trotz erfolgter Rücknahme der Revision. Im Hinweisbeschluss vertrat der BGH die "vorläufige Rechtsauffassung", dass eine bei der Abgaskontrolle eingebaute Abschaltvorrichtung einen grundsätzlich gewährleistungspflichtigen Sachmangel darstellt. Trotz insbesondere von der Verbraucherseite und auch von der sonstigen Öffentlichkeit vielfach begrüßten Vorgehensweise des Gerichts stellt sich die juristische Frage, wie das mit Bezug auf die zivilprozessuale parteienrechtliche Dispositionsmaxime rechtlich zu bewerten ist (siehe dazu etwas eingehender ganz unten).
Die gerichtlichen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts basierten auf u.a. in EU-Luftreinhalteplänen hinterlegten Grenzwerten (Feinstaub und NO2). Die Ermittlungsmethoden bezüglich ihrer Einhaltung (Diskussion wegen der sachgerechten Meßstellenanbringung) - und überhaupt deren wissenschaftliche Fundiertheit, und damit die Gebotenheit von verhängten Fahrverboten, wurden Ende 2018/Anfang 2019 grundsätzlich in Frage gestellt und eine Überprüfung angemahnt. Insofern war die Lage in der öffentlichen Diskussion, unter Einbeziehung der Verlautbarungen nationaler (insbes. Bundesregierung) und supranationaler amtlicher Stellen (EU Kommission), Anfang 2019 einigermaßen verworren und kontrovers. Forderungen nach Lockerungen der Grenzwerte stießen auf Überlegungen, diese gar noch weitergehend zu verschärfen.
Die unterjährigen Bemühungen der Bundesregierung in 2018 waren davon geprägt, die Abwendung von Fahrverboten entgegen des Diktums verwaltungsrechtlicher Urteile erreichen zu können. U.a. über eine "Diesellösung" sollte dies mit den Herstellern herbeigeführt werden. Nachdem dies keine erfolgsversprechende Linie zu sein schien, verkündete die Bundeskanzlerin für ihre Regierung im Oktober 2018 (Eckpunktepapier des Bundeskabinetts vom 24.10.2018) ihren Plan B zur Erreichung ihres Ziels: Initiierung eines Gesetzes, mit Anpassung der Grenzwerte. Ein weiterer Vorstoß zu einer Problemlösung der besonderen Art zeigte das von CDU/CSU Vertretern Ende 2018/Anfang 2019 gemachte Ansinnen, die Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe in Frage stellen zu wollen - ein soziologisches Lehrstück zur Systemtheorie mit einem Beispiel zur Antinomie der gesellschaftlichen Subsysteme Recht und Politik. Erst recht gilt dies für den im Februar 2019 erfolgten öffentlichen Aufruf des amtierenden deutschen Bundesverkehrsministers, Kommunen sollten gerichtlich bestätigte Fahrverbote nicht befolgen, sondern gerichtlich anfechten. Auch wenn nach Auffassung des Stichwortautors dieses Verhalten zusätzlich keine rechtlichen Implikationen in sich bergen dürfte (siehe dazu unten), ist dies einer guten (politischen) Kultur abträglich.   

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    Mit zwei Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts (vom 27.2.2018) getroffene Richtungsentscheidung, dass aus Gründen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes insbesondere in umweltbelasteten Innenstädten Diesel-Verkehrsverbote ausnahmsweise und unter bestimmten Voraussetzungen verhängt werden können. Weitere verwaltungsgerichtliche Entscheidungen in einigen Bundesländern setzten danach auf den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts auf. Die Stadt Hamburg hatte als erste deutsche Stadt ab dem 31.Mai 2018 davon Gebrauch gemacht und für zwei Straßen Fahrverbote verhängt, andere Städte folgten 2018. Hintergrund sind technische Manipulationen an den Abgasvorrichtungen ihrer Dieselfahrzeuge, begangen von einigen Autobauern, u.a. Volkswagen (Dieselskandal).
    Mit Bezug auf die kaufgewährleistungsrechtliche Seite der Problematik setzte der BGH Ende Februar 2019 ein öffentlichkeitswirksames Zeichen. Bezüglich eines bei ihm anhängigen Revisionsverfahrens eines klagenden Käufers gegen seinen VW-Händler veröffentlichte er einen von ihm im Verfahren zuvor erlassenen Hinweisbeschluss - trotz erfolgter Rücknahme der Revision. Im Hinweisbeschluss vertrat der BGH die "vorläufige Rechtsauffassung", dass eine bei der Abgaskontrolle eingebaute Abschaltvorrichtung einen grundsätzlich gewährleistungspflichtigen Sachmangel darstellt. Trotz insbesondere von der Verbraucherseite und auch von der sonstigen Öffentlichkeit vielfach begrüßten Vorgehensweise des Gerichts stellt sich die juristische Frage, wie das mit Bezug auf die zivilprozessuale parteienrechtliche Dispositionsmaxime rechtlich zu bewerten ist (siehe dazu etwas eingehender ganz unten).
    Die gerichtlichen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts basierten auf in EU-Luftreinhalteplänen hinterlegten Grenzwerten. Deren wissenschaftliche Fundiertheit, und damit die Gebotenheit von verhängten Fahrverboten, wurden Ende Januar 2019 grundsätzlich in Frage gestellt und eine Überprüfung angemahnt. Insofern war die Lage in der öffentlichen Diskussion, unter Einbeziehung von Verlautbarungen nationaler (insbes. Bundesregierung) und supranationaler amtlicher Stellen (EU Kommission) Anfang 2019 einigermaßen verworren und kontrovers. Forderungen nach Lockerungen der Grenzwerte stießen auf Überlegungen, diese gar noch weitergehend zu verschärfen.
    Die unterjährigen Bemühungen der Bundesregierung in 2018 waren davon geprägt gewesen, die Abwendung von Fahrverboten entgegen des Diktums verwaltungsrechtlicher Urteile erreichen zu können. U.a. über eine "Diesellösung" sollte dies mit den Herstellern herbeigeführt werden. Nachdem dies keine erfolgsversprechende Linie zu sein schien, verkündete die Bundeskanzlerin für ihre Regierung im Oktober 2018 (Eckpunktepapier des Bundeskabinetts vom 24.10.2018) ihren Plan B zur Erreichung ihres Ziels: Initiierung eines Gesetzes, mit Anpassung der Grenzwerte.

    Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seinen beiden Entscheidungen BVerwG 7 C 26.16 und BVerwG 7 C 30.17 zwei sog. Sprungrevisionen gegen erstinstanzliche Gerichtsentscheidungen der Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Stuttgart zur Fortschreibung der Luftreinhaltepläne Düsseldorf und Stuttgart überwiegend zurückgewiesen. Allerdings sind, so das Gericht, bei der Prüfung von Verkehrsverboten für Diesel-Kraftfahrzeuge insbesondere zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerichtliche Maßgaben zu beachten.

    Dem vorangegangen waren Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Stuttgart. Das VG Düsseldorf hatte das Land Nordrhein-Westfalen auf Klage der Deutschen Umwelthilfe verpflichtet, den Luftreinhalteplan für Düsseldorf so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Jahr gemittelten Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet Düsseldorf enthält. Das Land sei verpflichtet, im Wege einer Änderung des Luftreinhalteplans weitere Maßnahmen zur Beschränkung der Emissionen von Dieselfahrzeugen zu prüfen. Beschränkte Fahrverbote für bestimmte Dieselfahrzeuge seien rechtlich und tatsächlich nicht ausgeschlossen. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte zuvor das Land Baden-Württemberg verpflichtet, den Luftreinhalteplan für Stuttgart so zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Es sei ein ganzjähriges Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Ottomotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 3 in der Umweltzone Stuttgart in Betracht zu ziehen.

    Diese Entscheidungen der VGe Stuttgart und Düsseldorf wurden im Prinzip durch die beiden Urteile des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt. Die beiden verwaltungsgerichtlichen Urteile sind nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts vor dem Hintergrund des Unionsrechts überwiegend nicht zu beanstanden. Unionsrecht und Bundesrecht verpflichten nach seiner Meinung dazu, durch in Luftreinhalteplänen enthaltene geeignete Maßnahmen den Zeitraum einer Überschreitung der seit 1. Januar 2010 geltenden Grenzwerte für NO2 so kurz wie möglich zu halten. Bei Erlass von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen sei jedoch darauf zu achten und sicherzustellen, dass der auch im Unionsrecht verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibe, so das Bundesverwaltungsgericht. Insoweit sei hinsichtlich der Umweltzone Stuttgart eine phasenweise Einführung von Verkehrsverboten, die in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) betrifft, zu prüfen. Zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit dürfen Euro-5-Fahrzeuge jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 mit Verkehrsverboten belegt werden. Darüber hinaus bedürfe es hinreichender Ausnahmen, z.B. für Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen.
    Eine bereits unterjährig 2018 geführte Diskussion um die wissenschaftliche Fundiertheit der Grenzwerte nahm Ende Januar 2019, auch vor dem Hintergrund einer diesbezüglich kritischen öffentlichen Meinungsäußerung von 113 Lungenfachärzten (das wurde danach von einem Lungenarzt-Verein, DGP, in Abrede gestellt, indem DGP schärfere Grenzwerte forderte), Fahrt auf. U.a. forderte der Deutsche Verkehrsgerichtstag gegenüber der EU-Kommission eine rasche Überprüfung der Diesel-Grenzwerte.

    Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts hatten in der Öffentlichkeit für Furore gesorgt. Millionen Dieselfahrzeugbesitzer, die sich ihrerseits von der Autoindustrie betrogen und von der Politik im Stich gelassen fühlen, hatten sich angesichts der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts entrüstet. Insbesondere wurde der Politik Tatenlosigkeit und Liebedienerei gegenüber den Autorherstellern vorgeworfen. Abgehaltene Dieselgipfel seien weitgehende Alibiveranstaltungen mit Placebocharakter gewesen - so der Vorwurf. Der Bundesgesetzgeber reagierte immerhin per Gesetzbeschluss vom 14.6.2018 durch die Einführung einer neuen Musterfeststellungsklage zu Gunsten von Verbrauchern, das Gesetz ist am 1.11.2018 in Kraft getreten. Auch die Strafjustiz setzte unterjährig 2018 ab und an (öffentlichkeitswirksame) Zeichen, so u.a. die vorübergehende Festnahme des amtierenden Vorstandsvorsitzenden von Audi im Juni 2018 und durch die Verhängung von Geldbußen von 1 Mrd. Euro und 800 Mio. Euro gegenüber Volkswagen und Audi, was die Autobauer akzeptiert hatten. Anfang 2019 wurde bekannt, dass auch ein Bußgeldverfahren gegen Mercedes lief. Im Übrigen gibt es Bestrebungen, die Geltung des Strafrechts auf Unternehmen auszudehnen, vgl. hierzu und zu Volkswagen näher die Ausführungen bei Unternehmensstrafrecht und Musterfeststellungsklage. Zudem wurde im März 2019 bekannt, dass die EU Kommission wegen kartellrechtswidriger Absprachen bei der Abgastechnik (Nichteinbau von Partikelfilter gegen Feinstaub in Ottomotoren) Milliardenbußgelder gegen VW, BMW und Mercedes verhängen wollte.
    Die 2018 amtierende Bundesregierung wollte nach Meldungen von Anfang April 2018 für die Diesel-Nachrüstung zunächst einen Milliarden-Fonds auflegen. Die Autokonzerne sollten dazu fünf Milliarden Euro einzahlen, den Rest sollte der Steuerzahler richten. Zum Frühsommer 2018 hin war dieser Vorstoß aber allem Anschein nach verpufft. Gegen Spätsommer/Herbst 2018 nahm die Angelegenheit wieder Fahrt auf, indem die Bundesregierung eine Diesel-Nachrüstungslösung forcierte. Dadurch sollten Fahrverbote vermieden werden können. Umstritten war, ob und inwieweit dazu zur Entlastung der Autokonzerne Steuergelder eingesetzt werden sollten oder nicht. Auch die Frage der finanziellen Selbstbeteiligung der Fahrzeugbesitzer zur Finanzierung der Nachrüstung war ein politisch kontrovers diskutiertes Thema.

    Offizielle Verlautbarungen der Bundesregierung am 2.10.2018 ergaben im Hinblick auf Einzelheiten der von der Regierung präsentierten "Diesellösung" zunächst noch kein klares Bild - trotz großer Attitüden bei der Vermittlung der "Lösung". Das, was wenigstens einigermaßen begreiflich dem öffentlichen Auditorium vermittelt werden konnte, war zumindest zum Teil umstritten und kritisiert ("Regierung als Auto-Lobby") worden: Unter der Überschrift des Ziels der Vermeidung von Fahrverboten sollen regional begrenzt, dort wo Fahrverbote drohen, Umrüstungen gefördert werden. Ein Teil der präsentierten Lösung sieht vor, dass Handwerker und Lieferdienste ihre Lieferfahrzeuge mit 80 Prozent staatlicher Förderung nachrüsten können. In den Genuss dieser Förderung soll nur kommen, wer in den 65 belasteten Städten sowie in den angrenzenden Landkreisen seinen Sitz oder nennenswerte Aufträge in der Stadt hat. Insgesamt betroffen waren laut Regierung maximal 190.000 Fahrzeuge. Die restlichen 20 Prozent der Umrüstungskosten waren unklar, weil eine Einigung mit den Autobauern mit Bezug auf deren Beiträge zur "Lösung" Anfang Oktober 2018 noch ausstand.
    Unklar war Anfang Oktober 2018 das Bild auch im Hinblick auf private Dieselfahrzeugbesitzer: Präsentiert wurde die Idee von Umtausch-Aktionen, bei denen die Hersteller alte Dieselautos der Euronormen 4 und 5 in Zahlung nehmen und zusätzlich einen Rabatt gewähren sollen. Die Regierung äußerte die Erwartungshaltung, dass die Hersteller dabei den Wertverlust, der durch den Dieselskandal entstanden ist, ausgleichen. Sofern Fahrzeugbesitzer, etwa eines Euro-5-Diesels, ihr Auto nicht abgeben können oder wollen (nicht jeder verfügt über das nötige "Kleingeld" für einen Autokauf), sollen sie es mit einem Katalysator nachrüsten dürfen – sofern geeignete Systeme verfügbar sein werden. Die Regierung erwartete angabegemäß von den Herstellern, dass diese komplett für die Umrüstung zahlen sollten. Laut Pressemeldungen  im Oktober 2018 verweigerte sich z.B. BMW dem aber komplett, auch Daimler hatte keine Zusage gegeben und mit Volkswagen mussten Details geklärt werden. Im November 2018 vermeldete die Bundesregierung einen "Kompromiss", wonach VW, Daimler und BMW zu Aufstockungen bereit seien: In 15 "Intensivstädten" wurden fahrzeugbezogen bis zu 3.000 Euro für Mobilitätslösungen in Form von Inzahlungnahmen in Aussicht gestellt. VW und Daimler sagten darüber hinaus zu, Hardwarenachrüstungen beim Katalysator mit bis zu 3.000 Euro mitzufinanzieren, BMW lehnte das weiter ab. Auch insoweit und mit Bezug auf weitere Details stand somit eine Übereinkunft mit allen Autobauern Mitte November 2018 noch aus. Entsprechend harsch fiel wiederum die öffentliche Kritik daran aus. U.a. wurde bemängelt, dass die Katalysatornachrüstungen erst nach 2020 verfügbar sein sollen und dass etliche Fahrzeugmarken gar nicht in die "Lösung" mit einbezogen waren.
    Ende Januar 2019 wurde vermeldet, dass seit Herbst 2018 lediglich 27.000 Neukäufe auf der Basis der "Diesellösung" getätigt worden waren - viel zu wenig, um die erstrebten Entlastungseffekte für die Umwelt erzielen zu können.

    Per Eckpunktepapier des Bundeskabinetts vom 24.10.2018 wurde, parallel zu den vorgenannten Bemühungen, von der amtierenden Bundeskanzlerin Merkel, unmittelbar vor den Landtagswahlen in Hessen, eine Gesetzesinitiative der Bundesregierung avisiert: Gesetze sollten, zumindest zur Vermeidung von drohenden Fahrverbotsverhängungen in einigen der betroffenen Städte, so geändert werden, dass bei einer nur geringfügigen Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid (geringfügig jedenfalls aus Sicht der Bundesregierung) keine Fahrverbote in diesen Städten möglich sein sollten (geplante Einfügung eines neuen § 40 Abs. 1a BImSchG). Fahrverbote sollten danach nur möglich sein, wenn der Jahresmittelwert von Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 50 µg/m³Stickstoffdioxid (NO2) überschritten wird. Davon waren im Oktober 2018 15 Städte betroffen, darunter auch Frankfurt am Main.

    Wertung: Eine vom einfachen Bundesgesetzgeber auf Veranlassung der Bundesregierung herbeigeführte Gesetzesänderung dürfte sich aus Sicht des Stichwortautors rechtlich als zulässige Maßnahme darstellen. Der Gesetzgeber hat eindeutig das rechtliche Entscheidungsprimat zur Gestaltung derartiger Angelegenheiten. Das gilt auch gegenüber zuvor von der Judikative verkündeten Entscheidungen. Dass insoweit bundesverfassungsrechtliche Postulate (Umweltschutz nach dem Grundgesetz) verletzt oder andere national-rechtliche bedenkliche Wirkungen (so der erhobene Vorwurf der "Entwertung" des bestehenden § 47 BImSchG) verursacht werden könnten, wird nicht gesehen, es wäre immerhin im Detail noch zu prüfen.

    Auch müsste sich ein neuer § 40 Abs. 1a BImSchG an EU-rechtlichen Vorgaben (Luftqualitätsplanvorgaben, Art. 23 Abs. 1 UA 2 2008/50/EG) messen lassen. Als mutmaßlich technische Vorschrift (wäre zu prüfen) stünde insoweit wohl ein - womöglich relativ zeitaufwändiges - Notifizierungsverfahren nach der EU-RL 2015/1535 im Raum.
    Womöglich hatte die Bundesregierung, soweit sie von CDU/CSU getragen wurde, Ende 2018/Anfang 2019 die Sperrigkeit und Beharrlichkeit des Rechts erkannt, so dass man sich auch auf Attacken gegen die Deutsche Umwelthilfe verlegte (In Frage stellen von deren Gemeinnützigkeit als Abmahnverein).
    Auch ob der von CDU/CSU im Januar 2019 aufgegriffene Vorstoß von 113 Lungenfachärzten, wonach Grenzwerte mit ihrem Anliegen des Schutzes vor Gesundheitsgefährdung der gesicherten wissenschaftlichen Grundlage entbehrten (danach relativiert durch den Vorstoß der DGP, s.o.), unter Überwindung der Beharrungskräfte des Rechts politisch und rechtlich erfolgreich im Sinne von CDU/CSU umgemünzt werden kann, wird zu beobachten sein.
    Immerhin: Sollte es tatsächlich richtig sein, dass die wissenschaftliche Fundiertheit von in Richtlinien hinterlegten Grenzwerten nicht gegeben ist, erschienen auf ihrer Basis getroffene Gerichtsentscheidungen, darunter auch die des BVerwG, im Nachhinein jedenfalls als fragwürdig. Ob dies auch im formal-rechtlichen Sinn zu deren Nichtigkeit oder Angreifbarkeit führen könnte, wäre dann zu prüfen. Nicht jeder Fehler bewirkt, dass eine Rechtsgrundlage, und damit die auf sie gründende gerichtliche Entscheidung, sogleich verfassungswidrig ist. Die Beharrlichkeit der zitierten Beharrungskräfte des Rechts wäre dann aber jedenfalls erlahmt, weil das Recht vermutlich anderweitig gestaltet werden müsste.

    Der im Februar 2019 erfolgte öffentliche Aufruf des amtierenden deutschen Bundesverkehrsministers an die Adresse betroffener Kommunen, sie sollen gerichtlich bestätigte Fahrverbote nicht befolgen, ist nach Auffassung des Stichwortautors politisch bedenklich. Diese Vorgehensweise wird immerhin rechtlich nicht vom Mäßigungsgebot des § 60 BundesbeamtenG (BBG) erfasst. Denn Minister sind keine Beamte im Sinne des BBG (siehe auch das BundesministerG und Art. 65 S. 2 GG). Es ist aber grundsätzlich die Sache des von einem Urteil nachteilig Betroffenen, sich ggf. dagegen zu wehren. In einem Rechtsstaat - unbedenklich und für ihn sogar prägend - ist es daher richtig und geboten, wonach ergangene Urteile im gerichtlichen Instanzenzug überprüft werden können. Dritte haben sich grundsätzlich herauszuhalten. Außerdem statuiert das Gewaltenteilungsprinzip ein Gebot des gegenseitigen Respekts unter den verschiedenen Gewalten. Das sollte auch für die Exekutive - und auch für deren Spitzenvertreter (Gubernative) - gelten. Dies umso mehr, indem die Autorität eines obersten Bundesgerichts angegriffen wird. Mangels Beamtenstatus eines Bundesministers kann jedoch § 60 BBG nicht als spezialgesetzliche Ausprägung herangezogen werden, um ein solches Verhalten rechtlich zu ahnden.

    Zwischenfazit im Frühjahr 2019: Ganz gleich, ob und ggf. was die Bundesregierung mit den Autobauern noch an "Lösung" hinbekommen wird - nach wie vor bestehen bleibende mutmaßliche "Gerechtigkeitslücken", etwa wegen der nur regionalen Begrenztheit von Teilthemen oder wegen der nur selektiven Betroffenheit von relativ wenigen Automarken oder - allgemein - wegen bei Bürgern bestehen bleibenden finanziellen Belastungen, werden voraussichtlich letzten Endes wiederum durch Gerichte geklärt werden müssen. Ob das über das seit dem 1.11.2018 neu geltende Instrument der Musterfeststellungsklage erreichbar sein wird, muss sich ebenfalls noch zeigen.
    Die vom BGH getätigte Veröffentlichung seines Hinweisbeschlusses im Februar/März 2019 (s.o.) dürfte allerdings in der Lage sein, einiges an Eis zu brechen und die davor zum Teil bestehende zivilrechtliche Unsicherheit (u.a.: keine Gewährleistung wegen Unmöglichkeit?) zu beseitigen. Volkswagen bzw. die vom Autobauer dirigierten Händler hatten sich davor auf die Strategie verlegt, kein obergerichtliches Urteil kassieren zu wollen. Wenn es drohte, "brenzlig" zu werden, wurde zur Vermeidung einer für den Autobauer negativen Entscheidung ein das Verfahren beendender Vergleich gemacht - so auch der Versuch in dem betroffenen Verfahren. Aus Sicht einer emotionalisierten Verbraucher-Öffentlichkeit mag das ärgerlich und unerquicklich sein - dennoch stellt es ein probates und nicht ungebräuchliches Mittel dar, dessen sich Parteien grundsätzlich zivilprozessual bedienen dürfen. Denn es ist grundsätzlich umfasst von der Parteienfreiheit, die einen Zivilprozess über den Grundsatz der sog. Dispositionsmaxime beherrschen. Die Dispositionsmaxime besagt, dass Einleitung und Ende eines Zivilrechtsstreits, das gilt grundsätzlich auch für die in den Prozess eingebrachten Inhalte, in der alleinigen Entscheidungsobhut der Parteien stehen, und nicht in der des Gerichts. Das ist grundgesetzlich verbürgt. Wenn der BGH, trotz zurück genommener Revision, eine solche Vorgehensweise wählt, muss sich diese ihrerseits daran messen lassen, ob sie im Einklang mit Verfassungsrecht steht. Es dürfte zu unterstellen sein, dass der BGH eine solche Prüfung, womöglich anhand einer Abwägung "Herstellung einer allgemeinen Rechtssicherheit vs. parteiliche Dispositionsmaxime" bzw. mit der Überlegung "Verwirkung wegen Rechtsmissbrauchs?", angestellt hat. Über die Überprüfung dieser Vorgehensweise des BGH, etwa anhand einer durch Volkswagen lancierten Verfassungsbeschwerde, war im Frühjahr 2019 öffentlich nichts bekannt geworden.     

     

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