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Erwartung
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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1. Begriff/Einordnung: Da bei zukunftsbezogenen Entscheidungen meist viele für die Entscheidungsfindung wichtige Größen unbekannt bzw. unsicher sind, können nur Erwartungen über die unbekannten Größen herangezogen werden. Nach Knight sind zwei grundsätzlich verschiedene Entscheidungssituationen zu unterscheiden:
(1) solche, in denen zumindest subjektive Wahrscheinlichkeiten vorliegen (Risiko, messbare Unsicherheit), und
(2) solche, in denen dies nicht der Fall ist (echte Unsicherheit), weil die Informationsbasis zu schmal ist.
2. Erwartungshypothesen: a) Autoregressive Erwartungen: Die Erwartungen werden bez. einer bestimmten Variablen allein aus den Vergangenheitswerten dieser Variablen abgeleitet.
Bekannteste Hypothese dieser Klasse ist die adaptive Erwartungsbildung. Sie beschreibt einen Lernprozess, bei dem der Erwartungswert der Vorperiode E(pt - 1) um einen Teil (α) des Erwartungsirrtums der Vorperiode pt - 1 - E(pt - 1) korrigiert wird. Der so korrigierte Wert beschreibt die Erwartung für die laufende Periode:
E (pt) = E (pt-1) + [pt-1 -E (pt-1)]
bzw. (nach Transformation)
Der Erwartungsirrtum
εt = pt - E(pt / It -1)
weist zwei wesentliche Eigenschaften auf:
(1) Der bedingte Erwartungswert des Erwartungsirrtums ist gleich null, d.h.:
Dies folgt daraus, dass in t - 1 der bedingte Erwartungswert bekannt ist. Dessen bedingter Erwartungswert ist also gerade der Erwartungswert selbst.
(2) Der Erwartungsirrtum ist mit allen verfügbaren Informationen unkorreliert:
Cor (εt, It–1) = 0,
wobei: Cor = Korrelationskoeffizient. Wäre dies nicht der Fall, könnten die Erwartungen durch die Berücksichtigung dieser Korrelationen verbessert werden, d.h. die Informationen würden nicht effizient genutzt.
Die Theorie rationaler Erwartungen setzt in der strengen Form voraus, dass die Individuen das relevante Modell der Ökonomik und dessen Struktur kennen. Die Erwartungsbildung erfolgt dann in modellendogener Weise auf der Grundlage des relevanten ökonomischen Modells. Neben der strengen Form rationaler Erwartungen werden auch abgeschwächte Modelle rationaler Erwartungsbildung diskutiert (semirationale Erwartungen), die weniger hohe Ansprüche stellen und etwa lediglich die Ausschöpfung vorhandener Informationen fordern oder die Kenntnis des langfristigen Gleichgewichts- oder Fundamentalwertes der zu prognostizierenden Variablen.
3. Bedeutung/Beurteilung: Weil die autoregressiven Ansätze nur die vergangenen Realisationen der betreffenden Variablen als Informationsquelle benutzen, kommt es i.d.R. zu systematischen Prognosefehlern, aus denen die Individuen keine Konsequenzen ziehen. In vielen Fällen ist ein solches Verhaltensmodell unrealistisch. Rationale Erwartungsbildung schließt systematische Fehler aus. Erwartungsirrtümer können zwar nach wie vor auftreten, sind aber rein stochastischer Natur. Das Konzept rationaler Erwartungen ist bei jüngeren ökonomischen Theorien (wie Neukeynesianische Makroökonomik) der dominierende Ansatz zur Berücksichtigung von Erwartungen. Die Bedeutung der rationalen Erwartungen wird jedoch durch die starken Anforderungen dieses Ansatzes (Existenz, Eindeutigkeit und Stabilität von Modell und Struktur) eingeschränkt. Die abgeschwächte Form semirationaler Erwartungen ist häufig nichtssagend und kann zur statischen Erwartungshypothese äquivalent sein (z.B. wenn eine Preisvariable auf einem effizienten Markt einem random walk folgt (finanzmarkttheoretische Ansätze)). Liegt schließlich echte Unsicherheit vor, ist eine Erwartungsbildung in der oben beschriebenen Weise generell unmöglich.
Vgl. auch Neue Klassische Makroökonomik, Konjunkturtheorie, Wachstumstheorie.
4. Weiterentwicklungen: In jüngsten Ansätzen der Neuen Makroökonomik wird von heterogenen Erwartungen unter den privaten Agenten ausgegangen. Dabei wird ein Mix aus zurückblickenden (autoregressiven) und rationalen Erwartungen bei den privaten Haushalten und Unternehmen unterstellt. Außerdem besteht unter Zugrundelegung des Erwartungsfehlers und der daraus resultierenden Attraktivität der gewählten Erwartungshypothese die Möglichkeit des Wechselns der Erwartungsbildung, sodass Konjunkturschwankungen allein durch den häufigen Wechsel der Erwartungsbildung entstehen können. Durch diesen Ansatz lassen sich die auf J.M. Keynes zurückgehenden Animal Spirits (d.h. der häufige Wechsel unternehmerischer Stimmungen von Optimismus zu Pessimismus) modelltheoretisch erfassen. In derartigen Weiterentwicklungen der Neuen Keynesianischen Makroökonomik werden zurückblickende Erwartungen auch als begrenzt-rationale Erwartungen bezeichnet, da die Wirtschaftssubjekte aufgrund ihrer begrenzten kognitiven Fähigkeiten und der Existenz von Informationskosten i.d.R. gar nicht die Möglichkeit haben, rationale Erwartungen zu bilden, sodass es vollkommen rational ist, einfache Erwartungsheuristiken für die Prognosebildung zu verwenden.
Vgl. auch Neukeynesianisches Grundmodell mit begrenzter Rationalität.
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