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Dieselfahrverbot
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Mit zwei Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts (vom 27.2.2018) getroffene Richtungsentscheidung, dass aus Gründen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes insbesondere in umweltbelasteten Innenstädten Diesel-Verkehrsverbote ausnahmsweise und unter bestimmten Voraussetzungen verhängt werden können. Weitere verwaltungsgerichtliche Entscheidungen in einigen Bundesländern setzten danach auf den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts auf. Die Stadt Hamburg hatte als erste deutsche Stadt ab dem 31.Mai 2018 davon Gebrauch gemacht und für zwei Straßen Fahrverbote verhängt, andere Städte folgten 2018. Die unterjährigen Bemühungen der Bundesregierung in 2018 waren davon geprägt, die Abwendung von Fahrverboten entgegen des Diktums verwaltungsrechtlicher Urteile erreichen zu können. U.a. über eine "Diesellösung" sollte dies mit den Herstellern herbeigeführt werden. Nachdem dies keine erfolgsversprechende Linie zu sein schien, verkündete die Bundeskanzlerin für ihre Regierung im Oktober 2018 (Eckpunktepapier des Bundeskabinetts vom 24.10.2018) ihren Plan B zur Erreichung ihres Ziels: Initiierung eines Gesetzes, mit Anpassung der Grenzwerte.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seinen beiden Entscheidungen BVerwG 7 C 26.16 und BVerwG 7 C 30.17 zwei sog. Sprungrevisionen gegen erstinstanzliche Gerichtsentscheidungen der Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Stuttgart zur Fortschreibung der Luftreinhaltepläne Düsseldorf und Stuttgart überwiegend zurückgewiesen. Allerdings sind, so das Gericht, bei der Prüfung von Verkehrsverboten für Diesel-Kraftfahrzeuge insbesondere zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerichtliche Maßgaben zu beachten.
Dem vorangegangen waren Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Stuttgart. Das VG Düsseldorf hatte das Land Nordrhein-Westfalen auf Klage der Deutschen Umwelthilfe verpflichtet, den Luftreinhalteplan für Düsseldorf so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Jahr gemittelten Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet Düsseldorf enthält. Das Land sei verpflichtet, im Wege einer Änderung des Luftreinhalteplans weitere Maßnahmen zur Beschränkung der Emissionen von Dieselfahrzeugen zu prüfen. Beschränkte Fahrverbote für bestimmte Dieselfahrzeuge seien rechtlich und tatsächlich nicht ausgeschlossen. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte zuvor das Land Baden-Württemberg verpflichtet, den Luftreinhalteplan für Stuttgart so zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Es sei ein ganzjähriges Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Ottomotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 3 in der Umweltzone Stuttgart in Betracht zu ziehen.
Diese Entscheidungen der VGe Stuttgart und Düsseldorf wurden im Prinzip durch die beiden Urteile des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt. Die beiden verwaltungsgerichtlichen Urteile sind nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts vor dem Hintergrund des Unionsrechts überwiegend nicht zu beanstanden. Unionsrecht und Bundesrecht verpflichten nach seiner Meinung dazu, durch in Luftreinhalteplänen enthaltene geeignete Maßnahmen den Zeitraum einer Überschreitung der seit 1. Januar 2010 geltenden Grenzwerte für NO2 so kurz wie möglich zu halten. Bei Erlass von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen ist jedoch darauf zu achten und sicherzustellen, dass der auch im Unionsrecht verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibe, so das Bundesverwaltungsgericht. Insoweit sei hinsichtlich der Umweltzone Stuttgart eine phasenweise Einführung von Verkehrsverboten, die in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) betrifft, zu prüfen. Zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit dürfen Euro-5-Fahrzeuge jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 mit Verkehrsverboten belegt werden. Darüber hinaus bedürfe es hinreichender Ausnahmen, z.B. für Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen.
Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts haben in der Öffentlichkeit für Furore gesorgt. Millionen Dieselfahrzeugbesitzer, die sich ihrerseits von der Autoindustrie betrogen und von der Politik im Stich gelassen fühlen, haben sich angesichts der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts entrüstet. Insbesondere wurde der Politik Tatenlosigkeit und Liebedienerei gegenüber den Autorherstellern vorgeworfen. Abgehaltene Dieselgipfel seien weitgehende Alibiveranstaltungen mit Placebocharakter gewesen - so der Vorwurf. Der Bundesgesetzgeber reagierte immerhin per Gesetzbeschluss vom 14.6.2018 durch die Einführung einer neuen Musterfeststellungsklage zu Gunsten von Verbrauchern, das Gesetz ist am 1.11.2018 in Kraft getreten. Auch die Strafjustiz setzte unterjährig 2018 ab und an (öffentlichkeitswirksame) Zeichen, so u.a. die vorübergehende Festnahme des amtierenden Vorstandsvorsitzenden von Audi im Juni 2018 und durch die Verhängung von Geldbußen von 1 Mrd. Euro und 800 Mio. Euro gegenüber Volkswagen und Audi, was die Autobauer akzeptiert hatten. Im Übrigen gibt es Bestrebungen, die Geltung des Strafrechts auf Unternehmen auszudehnen, vgl. hierzu und zu Volkswagen näher die Ausführungen bei Unternehmensstrafrecht und Musterfeststellungsklage.
Die 2018 amtierende Bundesregierung wollte nach Meldungen von Anfang April 2018 für die Diesel-Nachrüstung zunächst einen Milliarden-Fonds auflegen. Die Autokonzerne sollten dazu fünf Milliarden Euro einzahlen, den Rest sollte der Steuerzahler richten. Zum Frühsommer 2018 hin war dieser Vorstoß aber allem Anschein nach verpufft. Gegen Spätsommer/Herbst 2018 nahm die Angelegenheit wieder Fahrt auf, indem die Bundesregierung eine Diesel-Nachrüstungslösung forcierte. Dadurch sollten Fahrverbote vermieden werden können. Umstritten war, ob und inwieweit dazu zur Entlastung der Autokonzerne Steuergelder eingesetzt werden sollten oder nicht. Auch die Frage der finanziellen Selbstbeteiligung der Fahrzeugbesitzer zur Finanzierung der Nachrüstung war ein politisch kontrovers diskutiertes Thema.
Offizielle Verlautbarungen der Bundesregierung am 2.10.2018 ergaben im Hinblick auf Einzelheiten der von der Regierung präsentierten "Diesellösung" zunächst noch kein klares Bild - trotz großer Attitüden bei der Vermittlung der "Lösung". Das, was wenigstens einigermaßen begreiflich dem öffentlichen Auditorium vermittelt werden konnte, war zumindest zum Teil umstritten und kritisiert ("Regierung als Auto-Lobby") worden: Unter der Überschrift des Ziels der Vermeidung von Fahrverboten sollen regional begrenzt, dort wo Fahrverbote drohen, Umrüstungen gefördert werden. Ein Teil der präsentierten Lösung sieht vor, dass Handwerker und Lieferdienste ihre Lieferfahrzeuge mit 80 Prozent staatlicher Förderung nachrüsten können. In den Genuss dieser Förderung soll nur kommen, wer in den 65 belasteten Städten sowie in den angrenzenden Landkreisen seinen Sitz oder nennenswerte Aufträge in der Stadt hat. Insgesamt betroffen waren laut Regierung maximal 190.000 Fahrzeuge. Die restlichen 20 Prozent der Umrüstungskosten waren unklar, weil eine Einigung mit den Autobauern mit Bezug auf deren Beiträge zur "Lösung" Anfang Oktober 2018 noch ausstand.
Unklar war Anfang Oktober 2018 das Bild auch im Hinblick auf private Dieselfahrzeugbesitzer: Präsentiert wurde die Idee von Umtausch-Aktionen, bei denen die Hersteller alte Dieselautos der Euronormen 4 und 5 in Zahlung nehmen und zusätzlich einen Rabatt gewähren sollen. Die Regierung äußerte die Erwartungshaltung, dass die Hersteller dabei den Wertverlust, der durch den Dieselskandal entstanden ist, ausgleichen. Sofern Fahrzeugbesitzer, etwa eines Euro-5-Diesels, ihr Auto nicht abgeben können oder wollen (nicht jeder verfügt über das nötige "Kleingeld" für einen Autokauf), sollen sie es mit einem Katalysator nachrüsten dürfen – sofern geeignete Systeme verfügbar sein werden. Die Regierung erwartete angabegemäß von den Herstellern, dass diese komplett für die Umrüstung zahlen sollten. Laut Pressemeldungen im Oktober 2018 verweigerte sich z.B. BMW dem aber komplett, auch Daimler hatte keine Zusage gegeben und mit Volkswagen mussten Details geklärt werden. Im November 2018 vermeldete die Bundesregierung einen "Kompromiss", wonach VW, Daimler und BMW zu Aufstockungen bereit seien: In 15 "Intensivstädten" wurden fahrzeugbezogen bis zu 3.000 Euro für Mobilitätslösungen in Form von Inzahlungnahmen in Aussicht gestellt. VW und Daimler sagten darüber hinaus zu, Hardwarenachrüstungen beim Katalysator mit bis zu 3.000 Euro mitzufinanzieren, BMW lehnte das weiter ab. Auch insoweit und mit Bezug auf weitere Details stand somit eine Übereinkunft mit allen Autobauern Mitte November 2018 noch aus. Entsprechend harsch fiel wiederum die öffentliche Kritik daran aus. U.a. wurde bemängelt, dass die Katalysatornachrüstungen erst nach 2020 verfügbar sein sollen und dass etliche Fahrzeugmarken gar nicht in die "Lösung" mit einbezogen waren.
Per Eckpunktepapier des Bundeskabinetts vom 24.10.2018 wurde, parallel zu den vorgenannten Bemühungen, von der amtierenden Bundeskanzlerin Merkel, unmittelbar vor den Landtagswahlen in Hessen, eine Gesetzesinitiative der Bundesregierung avisiert: Gesetze sollten, zumindest zur Vermeidung von drohenden Fahrverbotsverhängungen in einigen der betroffenen Städte, so geändert werden, dass bei einer nur geringfügigen Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid (geringfügig jedenfalls aus Sicht der Bundesregierung) keine Fahrverbote in diesen Städten möglich sein sollten (geplante Einfügung eines neuen § 40 Abs. 1a BImSchG). Fahrverbote sollten danach nur möglich sein, wenn der Jahresmittelwert von Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 50 µg/m³Stickstoffdioxid (NO2) überschritten wird. Davon waren im Oktober 2018 15 Städte betroffen, darunter auch Frankfurt am Main.
Wertung: Eine vom einfachen Bundesgesetzgeber auf Veranlassung der Bundesregierung herbeigeführte Gesetzesänderung dürfte sich aus Sicht des Stichwortautors rechtlich als zulässige Maßnahme darstellen. Der Gesetzgeber hat eindeutig das rechtliche Entscheidungsprimat zur Gestaltung derartiger Angelegenheiten. Das gilt auch gegenüber zuvor von der Judikative verkündeten Entscheidungen. Dass insoweit bundesverfassungsrechtliche Postulate (Umweltschutz nach dem Grundgesetz) verletzt oder andere national-rechtliche bedenkliche Wirkungen (so der erhobene Vorwurf der "Entwertung" des bestehenden § 47 BImSchG) verursacht werden könnten, wird nicht gesehen, es wäre immerhin im Detail noch zu prüfen. Auch müsste sich ein neuer § 40 Abs. 1a BImSchG an EU-rechtlichen Vorgaben (Luftqualitätsplanvorgaben, Art. 23 Abs. 1 UA 2 2008/50/EG) messen lassen. Als mutmaßlich technische Vorschrift (wäre zu prüfen) stünde insoweit wohl ein - womöglich relativ zeitaufwändiges - Notifizierungsverfahren nach der EU-RL 2015/1535 im Raum.
Auch, ob eine solche auf Veranlassung der Bundesregierung herbeigeführte gesetzgeberische Bypass-Aktion, initiiert unter dem Eindruck eines Wahlkampfs in einem Bundesland, politisch, insbesondere vom Bundeswahlvolk, goutiert werden würde, wäre zu beobachten.
Ganz gleich, ob ein solches Gesetz kommt oder ob nicht: Nach wie vor ggf. bestehende "Gerechtigkeitslücken", etwa wegen der nur regionalen Begrenztheit von Teilthemen, wegen der nur selektiven Betroffenheit von relativ wenigen Automarken oder - allgemein - wegen bei Bürgern bestehen bleibenden finanziellen Belastungen, werden voraussichtlich letzten Endes durch Gerichte geklärt werden müssen. Ob das über das seit dem 1.11.2018 neu geltende Instrument der Musterfeststellungsklage erreichbar sein wird, muss sich noch zeigen.
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