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Informationsökonomik
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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Gegenstand der Informationsökonomik ist die Analyse ökonomischer Systeme unter besonderer Berücksichtigung der Tatsache, dass die Wirtschaftssubjekte unter unvollständiger Information bezüglich Gegenwart und Zukunft entscheiden und handeln. Die Unvollständigkeit der Information erwächst aus Unsicherheit über zukünftige Ereignisse und begrenzter Rationalität von Akteuren sowie aus einer, in interaktiven Austauschbeziehungen potenziell existenten, asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Akteuren. Informationsökonomik im weiteren Sinn bezeichnet alle Untersuchungen, die sich mit den Auswirkungen unterschiedlicher Informationsbedingungen auf die Funktionsweise ökonomischer Systeme (wie Unternehmen, Kooperationsformen, Märkte, Gesamtwirtschaft) beschäftigen. Informationsökonomik im engeren Sinn kann als die ökonomische Analyse der Informationsbeschaffung (Screening) und Informationsverschaffung bezeichnet werden (Signalling). Die Wichtigkeit der Informationsökonomik wurde durch die Verleihung des Nobelpreises für Ökonomik im Jahr 2001 an die Forscher Akerlof, Spence und Stiglitz unterstrichen. Ihre Analysen von durch asymmetrische Informationsverteilungen gekennzeichneten Märkten stellen den Kern moderner Informationsökonomik. Die Informationsökonomik schließt nahtlos an die Neue Institutionenökonomik an, indem neben eigenständigen Modellen auch bewährte theoretische Instrumente insbesondere aus dem Bereich der Agency-Theorie und dem Bereich der Transaktionskostenökonomik zur Unterstützung informationsökonomischer Fragestellungen herangezogen werden.
Merkmale von Informationen: Eine Information liegt dann vor, wenn die Wahrnehmung und Interpretation Bedeutung tragender Zeichen, also die (subjektive) Kenntnis eines Sachverhaltes, ein Wirtschaftssubjekt in seiner Entscheidungsfindung beeinflusst. Die Akquisition von Information, sofern möglich, dient der Reduktion von Unsicherheit bezüglich der Qualität von Gegenleistungen und/oder des Verhaltens von Interaktionspartnern mit dem Ziele der Vermeidung fehlerhafter und potenziell kostspieliger Entscheidungen (Selektionsproblem, Anreizproblem). Information ist demnach ein Inputgut, dessen Einsatz jedoch Kosten (Transaktionskostenökonomik) verursacht, die bei wirtschaftlichen Entscheidungen systematisch zu berücksichtigen sind. Neben der Verringerung von Informationsdefiziten bzw. -asymmetrien beleuchten Arbeiten im Bereich der Informationsökonomik gleichermaßen die gezielte Schaffung und Ausnutzung von Informationsproblemen durch Akteure. Information dient einerseits der Koordination wirtschaftlicher Aktivitäten, andererseits kann sie selbst als wirtschaftliches Gut getauscht werden. Das Phänomen der unvollständigen Information ist kein vorübergehendes Friktionselement, sondern konstitutioneller Bestandteil ökonomischer Prozesse, der die Form arbeitsteiliger, wirtschaftlicher Aktivitäten maßgeblich beeinflusst. Die Informationsbedingungen für ökonomische Systeme bestimmen maßgeblich deren effiziente Organisationsform und (Selbst-)Steuerungsmöglichkeiten. Die explizite und zentrale Berücksichtigung von Information als Inputgut im ökonomischen Produktionsprozess sowie die Berücksichtigung der Existenz unvollkommener Information, v.a. in Form asymmetrischer Informationsverteilungen in bilateralen Austauschbeziehungen, stellen eine entscheidende Weiterentwicklung der neoklassischen Ökonomik dar. Die Informationsökonomik hat in dieser Hinsicht die Vorstellung der Funktionsweise wirtschaftlicher Systeme und Prozesse verändert.
Die Bedeutung der Informationsökonomik wird bedingt durch technische Innovationen der Informations- und Kommunikationstechnik weiter zunehmen. Innovationen in diesen Bereichen erzwingen neue Formen des Umgangs mit und des Managements von Informationen. Die theoretische Reflexion der volks- und betriebswirtschaftlichen Folgen neuer Informations- und Kommunikationstechniken ist eine Aufgabe der Informationsökonomik, der deshalb eine besondere Bedeutung zukommt.
Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über grundlegende informationsökonomische Ansätze geboten, die sich auf Individuen, Organisationen und die Volkswirtschaft als Ganzes beziehen.
II. Entscheidungstheorie
Aus informationsökonomischer Sicht haben zwei Modelle individueller Entscheidungsfindung Bedeutung erlangt.
1. Das Modell von J. Marschak (1954)
J. Marschaks Modell für die individuelle Entscheidungssituation von Wirtschaftssubjekten basiert auf neoklassischer Mikroökonomik und statischer Entscheidungstheorie. Sein Ansatz kann als normative Theorie rationaler ökonomischer Entscheidungen angesehen werden, bei der die Berücksichtigung von Informationsproblemen im Mittelpunkt steht. Die wesentliche Erweiterung gegenüber den Entscheidungsmodellen der neoklassischen Haushalts- und Unternehmenstheorie besteht darin, dass Marschak zwischen Umweltbedingungen und den darüber verfügbaren Informationen unterscheidet. Dadurch kann die Tatsache, dass die subjektive und variable Informationssituation des Akteurs nicht ein Abbild der tatsächlichen Umweltbedingungen sein muss, modelliert werden. Die Entscheidung eines Akteurs ist somit nicht mehr unbedingt eine Reaktion auf tatsächliche Umweltveränderungen, sondern auf eine ihm zugegangene Information über die Umweltbedingungen.
2. Das Modell von Simon
Die Annahme der vollständigen Information der Wirtschaftakteure fallen zulassen verkompliziert Entscheidungsmodelle erheblich. Dennoch ist es nicht sinnvoll, zugleich die Annahme der Rationalität wirtschaftlichen Verhaltens aufzugeben. Aus diesen Überlegungen entstand die v.a. von Simon (1955, 1956, 1972, 2000) entwickelte Theorie begrenzter Rationalität. Sie ist als deskriptive bzw. positive Theorie konzipiert. Sie betont dynamische Elemente und Lernprozesse gegenüber Gleichgewichtszuständen sowie psychologische gegenüber ökonomischen Argumenten. Bezogen auf informationsökonomische Probleme bedeutet dies, dass Simon im Unterschied zu anderen Theorien rationalen Verhaltens nicht nur umweltbedingte Informationsprobleme berücksichtigt, sondern auch die Einschränkungen der Rationalität durch die begrenzte Informationsaufnahme und -verarbeitungskapazität. Diese im Akteur selbst liegenden Beschränkungen führen dazu, dass das Wirtschaftssubjekt in der Regel nur über fragmentarische und zufallsbedingte Informationen über relevante Größen und deren Zusammenhänge verfügt. Simon nimmt deshalb an, dass ein Wirtschaftssubjekt nicht nur über die Umweltbedingungen unvollständig informiert ist, sondern auch über die Zahl und Art seiner eigenen Handlungsoptionen und deren Ergebnisse sowie über Kosten und Nutzen zusätzlichen Informationen. Der Akteur handelt dennoch zumindest von seiner Absicht her rational.
Diese Modifikation der Annahmen hat Konsequenzen für die Zielsetzung des Akteurs. Ziel kann nun die Erreichung eines zufrieden stellenden Anspruchsniveaus sein (Satisficing). Der Entscheider verzichtet bewusst auf einen umfassenden Vergleich aller nur denkbaren Alternativen und wählt die erste für ihn befriedigende Lösung. Welche Lösung ihn befriedigt, hängt von seinem Anspruchsniveau ab. Dies variiert mit den Erfahrungen des Akteurs (Anspruchsanpassung). Zudem wird berücksichtigt, dass das Individuum seine Aufmerksamkeit bevorzugt den Dingen widmet, die in seinen subjektiven Bezugsrahmen passen (selektive Wahrnehmung).
Aus der Sicht der Informationsökonomik ist von Bedeutung, dass über die These der Anspruchsanpassung eine Verknüpfung von Entscheidungsproblemen mit Informationsprozessen hergestellt wird. Der vor einer Anpassung des Anspruchsniveaus ablaufende Such- und Informationsprozess wird sich sowohl auf die Umweltbedingungen als auch auf die Auffindung bisher ungenutzter Handlungsmöglichkeiten erstrecken. Dabei unterliegt auch der Informationsprozess selbst dem Prinzip der begrenzten Rationalität. Da auch die eine Entscheidungssituation charakterisierenden Größen
v.a. die Umweltbedingungen
als variabel angenommen werden, wird es einem Akteur in der Regel als unmöglich erscheinen, über genügend Informationen zur optimalen Anpassung an die jeweilige Situation zu verfügen. Deshalb folgt auch die Informationssuche nicht einem perfekten System, sondern allenfalls gewissen Regelmäßigkeiten, mitunter aber auch dem Zufall. Für die Beendigung des Suchprozesses ist wiederum das individuelle Anspruchsniveau ausschlaggebend: Sind zur Erreichung eines fixierten Anspruchsniveaus hinreichende Informationen verfügbar oder wird deutlich, das ein gegebenes Anspruchsniveau nicht erreicht werden kann, wird der Suchprozess abgebrochen. Die Zielgröße Anspruchsniveau bestimmt damit den Anfang und das Ende von Informationsprozessen. Zwischen Anspruchsniveau und Informationsprozess ergeben sich Rückkoppelungen und Wechselwirkungen, wie sie auch in kybernetischen Systemmodellen abgebildet werden.
III. Teamtheorie
1. DarstellungDie auf Marschak (1954), Radner (1962) und Marschak und Radner (1972) zurückgehende Teamtheorie beschäftigt sich mit Informationsproblemen innerhalb von Organisationen (Team-Theorie der Unternehmung). Ein Team ist eine organisatorische Einheit, deren Mitglieder gleichgerichtete Interessen haben, so dass davon auszugehen ist, dass sie alle motiviert sind, das Gesamtziel der Organisation zu verfolgen. Zu lösen sind deshalb nur noch Koordinationsfragen, keine Motivations- bzw. Anreizfragen (moralisches Wagnis in Teams). Die Informations- und Entscheidungsstruktur gemeinsam bilden hier die Organisationsform. Sie ergeben sich als eine Übertragung von Marschaks Modell individueller Entscheidungen auf den Fall von Mehr-Personen-Entscheidungen. Die Informationsstruktur legt fest, über welche Informationen jedes Organisationsmitglied verfügt. Informationen können einem Organisationsmitglied dabei auf unterschiedlichen Wegen zugehen, daher umfassen Informationsstrukturen im Teammodell auch Kommunikation.
2. Schwerpunkte
Die Teamtheorie behandelt v.a. zwei Probleme der ökonomischen Informationsanalyse: Zum einen die Suche nach einer, bezogen auf die allen Teammitgliedern gemeinsame Zielfunktion, optimalen Entscheidungsstruktur bei gegebener Informationsstruktur. Zum anderen die Bestimmung des relativen Wertes von verschiedenen gegebenen Informationsstrukturen.
3. Bedeutung
Die Teamtheorie bietet eine theoretische Grundlage, um Informations- und Koordinationsstrukturen in Organisationen zu beschreiben und zu gestalten. Dies gilt auch angesichts der Tatsache, dass der Einfluss von Organisationskosten (Transaktionskosten) und Zeit für praktische Entscheidungshilfen sicherlich in stärkerem Maße berücksichtigt werden muss, als die Teamtheorie in dieser einfachen Form es praktiziert.
IV. Suchtheorie
Die Suchtheorie befasst sich mit der Analyse von Informationsaktivitäten.
Ihr Standardmodell beschreibt das Suchverhalten eines Nachfragers, der auf einem Markt nach dem niedrigsten Preis für ein bestimmtes Gut sucht. Der Nachfrager kennt nur die Anbieter und die Verteilungsfunktion der Preise. Die Suche nach dem Anbieter mit dem niedrigsten Preis ist methodisch einem Problem der Stichprobentheorie äquivalent.
–Bei einer festen Stichprobe ist die optimale Zahl von Suchschritten (z.B. Anzahl der befragten Anbieter) so zu bestimmen, dass Grenzkosten und Grenzertrag des letzten Suchschrittes gleich sind. Zu grundsätzlich geringeren Suchkosten als Verfahren mit festen Stichproben führen jedoch sequenzielle Verfahren der Informationssuche.
–Bei sequenziellen Suchverfahren wird die Suche nur so lange fortgesetzt, bis ein Preis gefunden ist, der nicht höher ist als ein zuvor mithilfe von Stopregeln individuell festgelegtes Akzeptanzniveau (Reservationspreis). Ähnlich wie die Zahl der Suchschritte bei festen Stichproben hängt der Reservationspreis bei sequenziellen Verfahren vom jeweils zu erwartenden Grenzertrag und den Grenzkosten der Informationssuche ab. Allerdings wirken sich diese nun, anders als bei einer festen Stichprobe, auf den Verlauf und den Umfang des Suchprozesses aus.
Es gibt weitere Varianten der Suchtheorie, die sich u.a. durch die zugrunde liegenden Annahmen über die Eigenschaften der Verteilungsfunktion der Preise sowie deren Kenntnis bzw. Fehleinschätzung beim Nachfrager unterscheiden. Untersucht werden v.a. die Auswirkungen der verschiedenen Annahmen auf den Umfang und das Ergebnis des Suchprozesses.
Besondere Bedeutung haben Modelle der Informationssuche u.a. für die Analyse des Arbeitsmarktes (Arbeitsmarkttheorien). Hier wird das Problem der Suche nach einem Arbeitsplatz mit möglichst günstigen Lohnsatz analog zur Preissuche auf dem Gütermarkt behandeln. Auf diese Weise lässt sich aus einer mikroökonomischen Grundlage ein theoretischer Erklärungsansatz für ein makroökonomisches Problem gewinnen, indem eine zumindest partielle Begründung des gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsgrades möglich wird.
V. Markttheorie
Großen Einfluss übt die Informationsökonomik auch auf die Markttheorie aus, denn unvollständige Information und die Kosten der Informationssuche der Marktteilnehmer beeinflussen die Wirkungsweise des Preismechanismus und damit das Marktgleichgewicht. Bei Berücksichtigung von Suchkosten kann sich auch auf homogenen Konkurrenzmärkten ein einheitlicher Gleichgewichtspreis ergeben, der nicht dem Konkurrenzpreis entspricht, sondern z.B. dem Monopolpreis. Andererseits kann sich durch Suchkosten unter bestimmten Bedingungen auch ein Marktergebnis einstellen, bei dem kein einheitlicher Preis herrscht, sondern eine Gleichgewichtsverteilung der Preise. Es zeigt sich, dass positive Informationskosten auch die Marktstruktur beeinflussen, da sich durch unvollständige Informationen der Nachfrager selbst auf homogenen Konkurrenzmärkten quasi-monopolistische Verhaltensspielräume der Anbieter ergeben können.
VI. Marktprozesstheorie
Die besondere Bedeutung von Information für das Marktgeschehen betont auch die auf die Österreichische Grenznutzenschule zurückgehende Marktprozesstheorie. Im Mittelpunkt der Überlegungen steht die ungleiche Verteilung von Wissen in der Gesellschaft. V.a. auch Hayek (1945) beschreibt die, im Vergleich zur neoklassischen Gleichgewichtstheorie veränderte Bedeutung des Preissystems. Wirtschaftlich relevantes Wissen sind nicht nur wissenschaftliche oder technische Erkenntnisse, sondern auch Kenntnisse der besonderen Umständen von Ort und Zeit. Darin kommen unterschiedliche Informationsstände von Akteuren über Märkte und Technikanwendungen zum Ausdruck. Funktionsfähigkeit und Effizienz eines Wirtschaftssystems hängen davon ab, inwieweit dieses verstreut vorhandene Wissen sinnvoll genutzt werden kann. Es ist unmöglich, alle relevanten Informationen einer zentralen Planungsstelle zuzuführen. Eine solche Planwirtschaft wäre überfordert. Informationsökonomische Aufgabe eines Wirtschaftssystems ist es vielmehr, den einzelnen Wirtschaftssubjekten möglichst einfach diejenigen Informationen zukommen zu lassen, die sie brauchen, um ihre Handlungen dezentral zu koordinieren. In Marktsystemen erfüllt diese Koordinationsfunktion der Preis.
VII. Informationsökonomische Analyse von Produkten und Märkten
Aus informationsökonomischer Sicht werden Güter nach ihrem Anteil an Such-, Vertrauens- und Erfahrungseigenschaften folgendermaßen systematisiert: Güter oder Dienste, bei denen Sucheigenschaften überwiegen, können vom Nachfrager durch entsprechende Informationssuche bereits vor dem Kauf vollständig beurteilt werden. Bei Gütern mit überwiegend Erfahrungseigenschaften erfolgt eine Beurteilung durch den Nachfrager erst nach dem Kauf, weil die Qualität erst nach Gebrauch oder Konsum festgestellt werden kann. Güter, die hauptsächlich Vertrauenseigenschaften aufweisen, kann der Käufer weder vor noch nach dem Kauf vollständig beurteilen, da er nicht über die Zeit oder das Fachwissen verfügt, um die Güter zu bewerten. Vor dem Hintergrund dieser Systematisierung lassen sich z.B. konkrete Anhaltspunkte für die Eignung von Gütern für den elektronischen Vertrieb über das Internet gewinnen. So eignen sich v.a. Suchgüter für den Internetvertrieb, da die für die Nachfrager zur Beurteilung erforderlichen Informationen wie Preis, technische Kennzeichen oder Spezifikation über elektronische Medien effizient und effektiv kommuniziert werden können. Dagegen sind Produkte, deren Qualität und Funktionalität nur durch Erfahrung beurteilt werden können, weniger für den elektronischen Handel geeignet. In elektronischen Märkten wird versucht dies auszugleichen, indem die Erfahrungen vorheriger Transaktionspartner hinsichtlich eines Gutes und dessen Anbieters über Reputationssysteme gesammelt und allen Akteuren eines Marktes zur Verfügung gestellt wird.
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